Fundamentale Nachricht
14:02 Uhr, 03.01.2022

Ist der Stimmungstiefpunkt bei Schwellenländeranleihen erreicht?

Die Kapitalmarktexperten von Jupiter Asset Management ein Resümee aus dem vergangenen, herausfordernden Jahr im Kontext der Corona-Krise und geben einen Ausblick auf das Investmentjahr 2022. Alejandro Arevalo beschäftigt sich mit den Aussichten für Anleihen aus den Schwellenländern.

Vor einem Jahr rechneten die meisten Marktbeobachter mit einem Bullenjahr für Schwellenländeranleihen. Diese Hoffnung erfüllte sich 2021 jedoch nicht. Schwellenländeranleihen haben etwas schwächer performt als Industrieländeranleihen. Zum Jahresende hat sich das Sentiment gegenüber der Anlageklasse zudem zunehmend verschlechtert. Inzwischen blicken die Märkte auch pessimistisch ins Jahr 2022. Anleger machen sich Sorgen über China und Covid, die Inflation, höhere US-Staatsanleiherenditen und einen steigenden Dollar. Dabei spricht einiges dafür, dass die Aussichten für 2022 gar nicht so schlecht sind. Mit ihren Erwartungen für 2021 lagen die Märkte falsch – könnten sie sich also nicht auch irren, was den Ausblick für 2022 angeht?

Das erwartete Rekordjahr war 2021 zwar nicht – tatsächlich haben sich Schwellenländeranleihen aber recht gut gehalten. Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels liegen Investment-Grade-Unternehmensanleihen aus Schwellenländern in der Betrachtung seit Jahresanfang um rund 0,40 Prozent im Minus und haben damit deutlich besser performt als vergleichbare US-Anleihen. Hochverzinsliche Schwellenländeranleihen, die als risikoreicher wahrgenommen werden als bonitätsstärkere Anleihen, haben sich zwar schwächer entwickelt als US-Hochzinsanleihen, aber trotzdem ein Plus von mehr als zwei Prozent erzielt.

Schwellenländer zeigen Resilienz – trotz zahlreicher Störfaktoren

Um dies in den Kontext zu stellen: Die Schwellenmärkte haben in diesem Jahr nicht die gleiche Unterstützung durch gigantische staatliche Stimulusmaßnahmen erhalten wie die entwickelten Märkte. Außerdem haben sie sich mit einer hohen Lebensmittel- und Energiepreisinflation konfrontiert gesehen. Hinzu kamen mehrere problematische Entwicklungen, darunter vor allem die anhaltende Volatilität am chinesischen Immobilienmarkt, wo aktuell 40 Prozent der Anleihen unter 50 Cent notieren. Weitere Faktoren, die für Nervosität sorgten, waren u.a. die volatile politische Lage in der Türkei, Sorgen über einen Krieg in Osteuropa und die Machtübernahme der Marxisten in Peru. Vor diesem Hintergrund haben sich Schwellenländeranleihen ziemlich gut gehalten.

Gleichzeitig sind der US-Dollar und die Zinsen im Jahr 2021 deutlich gestiegen. Nach geläufiger Meinung sind das negative Faktoren für Schwellenländeranleihen. 2021 haben sie der Anlageklasse jedoch wenig anhaben können. Grund dafür ist, dass die Schwellenländer – mit einigen prominenten Ausnahmen – heute eine sehr viel diszipliniertere Haushaltspolitik verfolgen und zudem deutlich weniger abhängig von externer Finanzierung durch Industrieländer sind, da es mittlerweile viel mehr heimische Investoren gibt, die auch längerfristig investieren.

Ein Grund für die schwächere Performance der aufstrebenden gegenüber den entwickelten Märkten ist, dass die Schwellenländer ihre Geldpolitik schneller straffen mussten. Die Schwellenmärkte reagieren stärker als die entwickelten Märkte auf einen Anstieg der Lebensmittel- und Energiepreise, die die Inflation in diesem Jahr angeheizt haben. Daher haben fast alle Zentralbanken der Schwellenländer Maßnahmen ergriffen, um den Preisdruck einzudämmen. Wir glauben, dass die Inflation größtenteils nur vorübergehend erhöht ist und 2022 wieder nachlassen wird, zumal der US-Dollar bereits deutlich gesunken ist. Das eröffnet den Zentralbanken der Schwellenländer größere Spielräume und wird eine Stabilisierung der Zinsen ermöglichen.

Übertriebener Pessimismus

Der andere bedeutende Unterschied zu den entwickelten Märkten sind die vergleichsweise langsamer voranschreitenden Covid-19-Impfkampagnen in den Schwellenmärkten. Bei den Impffortschritten sollten diese Länder im Jahr 2022 aber zunehmend aufholen. Die Turbulenzen am chinesischen Immobilienmarkt haben die Performance der Schwellenländer ebenfalls sehr stark belastet. Wir halten dies für ein hausgemachtes Problem: China versucht, die Überschuldungsproblematik in seinem Immobiliensektor in den Griff zu bekommen, verfügt aber über jede Menge Instrumente, um den Druck zu reduzieren, und dürfte diese vor dem Parteikongress im nächsten Jahr auch einsetzen.

Wir halten das Marktsentiment gegenüber den Schwellenländern inzwischen für übertrieben pessimistisch. Schwellenländeranleihen – vor allem Unternehmensanleihen – sind bereits einer der am stärksten unterinvestierten Bereiche der Anleihenmärkte und Anleger haben ihre Allokationen in den letzten Monaten weiter reduziert. Aus langjähriger Erfahrung wissen wir, dass es sich gerade in den Schwellenmärkten auszahlen kann, dann einzusteigen, wenn die Stimmung am schlechtesten ist. Darüber hinaus sind Schwellenländer-Hochzinsanleihen, die ein niedrigeres Rating haben als Anleihen, die der sichersten Kategorie zugeordnet werden, auf ratingbereinigter Basis so günstig wie seit fünf Jahren nicht mehr.

Attraktive Renditen – aber Differenzierung bleibt entscheidend

Wir erwarten, dass sich durch eine anziehende Inflation mehr Anlagechancen für uns eröffnen werden, und glauben, dass wir mit unserem auf Fundamentalanalysen basierenden Investmentprozess in einem solchen Umfeld sehr gut aufgestellt wären. Durch ihre aktuell kurze Duration könnten unsere Strategien von steigenden Zinsen profitieren. Außerdem haben wir praktisch kein Währungsrisiko durch ein Exposure in Schwellenländerwährungen. Wir schirmen unsere Portfolios gegen eine höhere Inflation ab, indem wir in Unternehmen mit US-Dollar-Exposure investieren, die in der Lage sind, die Inflation an die Verbraucher weiterzugeben. Wir finden immer noch jede Menge sehr attraktive Anlagemöglichkeiten, wie zum Beispiel lateinamerikanische Unternehmen, die von der Stärke des Konsums in den USA profitieren, und Emittenten aus dem indischen Logistiksektor. Selbst in der Türkei und China finden wir interessante Anlagegelegenheiten zu sehr niedrigen Bewertungen.

Angesichts der Tatsache, dass 90 Prozent der weltweit gehandelten Anleihen aktuell eine Rendite von weniger als drei Prozent abwerfen, führt bei der Suche nach höheren Renditen kaum ein Weg an Schwellenländeranleihen mit ihren Renditeaufschlägen vorbei. Zudem könnte 2022 bessere Anlagemöglichkeiten bieten, als viele denken. Was die Performance angeht, hat die Anlageklasse einige Überraschungen zu bieten. Trotz alarmierender Schlagzeilen notieren Anleihen aus der Türkei und Argentinien in der Betrachtung seit Jahresanfang im Plus. Auf der anderen Seite liegen Anleihen aus China, von dem normalerweise die wichtigsten Konjunkturimpulse in den Schwellenländern ausgehen, in diesem Jahr im Minus. Das unterstreicht den Wert einer Differenzierung innerhalb der Anlageklasse. Wir haben dies schon immer für den besseren Ansatz gehalten, um Mehrerträge zu generieren, und warnen seit jeher davor, die Schwellenländer über einen Kamm zu scheren.

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