Fundamentale Nachricht
17:01 Uhr, 05.01.2022

Flexibilität wird 2022 noch wichtiger

Die Kapitalmarktexperten von Jupiter Asset Management ziehen ein Resümee aus dem vergangenen, herausfordernden Jahr im Kontext der Corona-Krise geben und einen Ausblick auf das Investmentjahr 2022. Talib Sheikh, Head of Strategy Multi-Asset erläutert die zunehmende Bedeutung eines flexiblen Multi-Asset-Ansatzes.

„Das Leben geht ziemlich schnell vorbei. Wenn ihr nicht ab und zu anhaltet und euch umseht, könntet ihr es verpassen.“ – Ferris Bueller, Ferris macht blau (1986)

Warum wir einen Film über einen Highschool-Schwänzer zitieren, überlassen wir der Vorstellungskraft der Leser. Gesagt sei nur, dass die postpandemische Phase eine der intensivsten unserer Laufbahn war und Anleger in einem so turbulenten Marktumfeld leicht den Überblick verlieren. Unser Job ist es, Übertreibungen als solche zu erkennen und das komplexe Marktgeschehen für unsere Anleger zu entwirren. Dazu müssen wir auch ab und zu innehalten. Im April 2020 sagten wir voraus, dass die gigantischen Stimulusmaßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie einen rasanten Aufschwung in Gang setzen würde, und das haben sie auch getan. Auf die schnellste Rezession der Geschichte folgte die schnellste Erholung der Geschichte. Jetzt fürchten die Marktteilnehmer, dass alles ein bisschen zu schnell gehen könnte. Innerhalb weniger Wochen haben die Märkte eine Abfolge von Deflation, Reflation, Stagflation und schließlich Inflation eingepreist.

Inflationsrückgang ist keine ausgemachte Sache

Wie wir nach der Neuausrichtung der geldpolitischen Strategie der US-Notenbank Fed im September 2020 erwartet hatten, hat die Fed länger als ursprünglich geplant an ihrer lockeren Geldpolitik festgehalten. Durch die Impfkampagnen, das wachsende Haushaltsvermögen und die staatlichen Konjunkturpakete hat sich die Nachfrage sogar noch schneller erholt, als von der Fed erwartet. Die Nachfrage hat das Angebot überflügelt, was zu einer Inflation geführt hat, wie wir sie seit fast 40 Jahren nicht mehr gesehen haben.

Die Fed setzt darauf, dass die Inflation im kommenden Jahr nachlässt. Die Teuerung könnte sich jedoch als hartnäckiger erweisen. Wir analysieren vier wesentliche Treiber der aktuellen Inflation: Branchen, die von der Wiedereröffnung der Wirtschaft profitieren, den Wohnungsbau, die Löhne und die Erwartungen. In allen vier Bereichen zeigt der Trend nach oben. Mieterhöhungen sind von Dauer und können zu höheren Inflationserwartungen beitragen, die wiederum die längerfristige Inflationsdynamik verstärken. Die Zentralbanken laufen Gefahr, jetzt zu langsam zu reagieren und später ein höheres Tempo anschlagen zu müssen, was den Aufschwung abwürgen würde.

Wir gehen davon aus, dass die Wirtschaft im Jahr 2022 weiter wachsen und die Märkte stützen wird. Durch die jüngsten Lieferengpässe sind die Lagerbestände niedrig, und die Wiederauffüllung der Lager kann die Industrieproduktion stärken. Die hohen Sparreserven (in den USA etwa 10 Prozent des BIP) können den Konsum weiterhin stützen. Zur Jahresmitte dürften die höheren Lagerbestände, die nachlassende Verbrauchernachfrage, die restriktivere Geldpolitik und überzogene Bewertungen den Anlegern das Leben schwerer machen. Fazit: Anleger können weiter auf der Aktienwelle reiten und vorerst weniger Anleihen halten. In diesem Jahr dürften sie jedoch die Flexibilität brauchen, um das Risiko zu senken und die Duration zu erhöhen.

Längerfristig höhere Wachstums- und Inflationsraten

Mit Blick auf die fernere Zukunft deuten strukturelle Verschiebungen auf ein etwas stärkeres Wachstums- und Inflationsumfeld hin. Staatliche Beihilfen zur Minderung der Pandemieauswirkungen und der Anstieg der Vermögenspreise haben vermehrte Verrentungen ermöglicht. Dadurch ist das Arbeitskräfteangebot geschrumpft, während die Löhne gestiegen sind. Die Pandemie und die Handelskonflikte haben die Schwachstellen globaler Lieferketten offengelegt. Dadurch ist es zu einer strukturellen Verschiebung von „Just-in-Time“- zu „Just-in-Case“-Modellen gekommen. Seit der Pandemie sind die Investitionsausgaben und insbesondere die Ausgaben für Forschung und Entwicklung gestiegen, was Produktivität und Wachstum fördern kann. Und schließlich kann die Notwendigkeit, die Energiewende zu finanzieren, zu zusätzlichen staatlichen Ausgaben und ‚grünen‘ Stimulusmaßnahmen führen. Eine Rückkehr zur Sparpolitik des vorausgehenden Jahrzehnts erscheint kaum denkbar.

Es wird einige Zeit dauern, bis diese Faktoren zum Tragen kommen. In der Summe dürften sie sich in den kommenden zehn Jahren jedoch in etwas höheren Wachstums- und Inflationsraten niederschlagen, insbesondere im Vergleich zum letzten Jahrzehnt. Unterschiedliche politische Programme dürften auch zu einer höheren Volatilität und häufigeren, heftigeren Krisen führen. In diesem Umfeld werden einfache Mischportfolios aus Aktien höherer Qualität und Anleihen mit längerer Duration wahrscheinlich nicht mehr so gut funktionieren wie bisher.

Das bedeutet nicht automatisch, dass Anleger keine auskömmlichen Renditen mehr erzielen können. Es erfordert aber andere Ansätze. Wie Ferris sagte: „Du stirbst nicht, dir fällt nur nichts Gutes ein, was du machen könntest“. Wir sind der Meinung, dass dies auch für Anlagestrategien gilt: Sie können immer noch gute Renditen abwerfen, brauchen dafür aber mehr Flexibilität und ein breiteres Spektrum an potenziellen Ertragsquellen.

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen