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Öl: Fundamental noch lange kein Boden in Sicht

Marktteilnehmer rätseln wie tief es mit Öl noch gehen kann. Viele Hoffnungen ruhen auf einem natürlichen Boden im Bereich der Produktionskosten. Aber wo liegen diese überhaupt?

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Preise sind generell von Angebot und Nachfrage abhängig. Ist die Nachfrage hoch und das Angebot gering, dann steigt der Preis. Bei Öl sehen wir den umgekehrten Fall. Die Nachfrage ist stabil, das Angebot steigt. Als Folge sinkt der Preis. Der Preis sinkt so lange bis Angebot und Nachfrage wieder im Gleichgewicht sind bzw. bis die Produktionskosten erreicht werden. Kein Verkäufer der Welt kann auf Dauer unter Produktionskosten verkaufen. Daher gibt es in diesem Bereich einen natürlichen Boden.

Die Sache hat nun zwei Haken. Der erste hängt mit der Nachfrage zusammen. Niedrige Preise heizen für gewöhnlich die Nachfrage an. Bei Öl ist das nicht so einfach. Nur weil der Preis sinkt, fährt nicht jeder gleich 50 Kilometer mehr am Tag mit dem Auto. Ebenso wird man kaum beginnen Gaskraftwerke stillzulegen und fürs Heizen oder die Stromproduktion Öl verbrennen – zumindest nicht von heute auf morgen. Die Nachfrage mag zwar leicht anziehen, aber nicht massiv. Die Nachfrage ist relativ unelastisch. Bei anderen Gütern ist das anders. Würden Flugtickets auf einmal nur noch 10 Euro pauschal kosten, dann dürften viele Menschen sehr viel mehr fliegen, sei es auf Kurzstrecken oder für mehr Wochenendtrips.

Der zweite Haken liegt bei den Produktionskosten. Es ist mehr als unklar wie hoch diese wirklich sind. Es geistern viele Zahlen durch die Medien. Für das US Fracking Öl waren es Produktionskosten von ca. 75 USD pro Fass. Bisher hat das den Ölpreis nicht gestört. Mit diesem Preis kann etwas nicht ganz stimmen, wenn er so überhaupt keine Bedeutung hat. Das hat mehrere Gründe.

Zum einen sind die weltweiten Produktionskosten nicht 75 USD. Die Spannbreite zwischen einzelnen Produktionsverfahren und Ländern ist enorm. Saudi Arabien kostet die Förderung inklusive Transport nicht einmal 10 USD. Grafik 1 zeigt für mehrere Verfahren und Länder die Grenzkosten. Grenzkosten sind die Kosten, die anfallen, wenn eine Einheit (in diesem Fall ein Barrel) mehr produziert wird. In den USA liegen die Grenzkosten für Öl aus Seegebieten bei ungefähr 60 USD. Damit ist ein Großteil der Produktion auch bei Preisen von unter 75 USD noch profitabel. Es wäre sogar noch profitabel die Produktion auszuweiten.
Für andere Länder gilt das nicht. Brasiliens Ölvorkommen liegen größtenteils in der Tiefsee. Die Förderung ist sehr teuer. Mit etwas über 80 USD macht es keinen Sinn die Produktion auszuweiten und mehr zu investieren.

Zum anderen sind die momentanen Durchschnittskosten niedriger als die Grenzkosten. Grenzkosten zeigen an wie viel es kostet die Produktion auszuweiten. Dazu gehören Investitionen in neue Projekte. Die wirklichen Produktionskosten sind niedriger. Arktisches Öl ist am teuersten mit ca. 70 USD. Das ist immer noch unter dem aktuellen Marktpreis. Auch die anderen teuren Förderarten, vor allem Fracking und die Gewinnung von Öl aus Ölsanden, liegen mit ihren Kosten unter Marktpreisen. Im Vergleich zu Sommer 2013 sind die Kosten zudem noch einmal drastisch gesunken. Vor einem Jahr lag der Produktionspreis durch Fracking bei 75 USD. Heute wird er auf 57 USD geschätzt.

Produktionsverfahren werden besser, die Förderung günstiger. Sinkt der Preis noch einmal im Jahresverlauf, dann ist der weltweite Durchschnittspreis wahrscheinlich schon unter 50 USD. Fundamental ist der Boden also frühestens bei 50 USD erreicht. Das berücksichtigt noch nicht, dass es Regionen gibt, in denen die Produktion wirklich spottbillig ist. In Saudi Arabien fließt das Öl praktisch noch immer von alleine. Kosten von 10 USD pro Barrel sind ungeschlagen. Saudi Arabien bräuchte höhere Preise, um die Einnahmen zu halten oder höhere Verkaufsvolumina. Bei den niedrigen Kosten, die sie haben, werden sie eher letzteres anstreben. Eine nachhaltige Trendumkehr ist nicht in Sicht – noch lange nicht.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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