Nobelpreis für Verhaltensökonomen: Warum das auch uns Trader betrifft
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Das freut mich persönlich ganz besonders, denn Richard Thaler ist ein Brückenbauer zwischen Wirtschaft und Psychologie.
Richard Thaler ist neben seinen Forschungs- und Lehrtätigkeiten an der Booth School of Business in Chicago (ehemals University of Chicago Graduate School of Business, 2008 umbenannt nach einer 300-Millionen-Dollar-Schenkung durch den Dimensional-Gründer David Booth) auch ein gefragter Berater von Regierungen in den USA und im UK.
Im Prinzip ist Thaler für die These bekannt, dass wir Menschen doch nicht solch rationalen Entscheider sind, wie wir uns manchmal vorstellen und wie uns die Wirtschaftstheorie („homo oeconomicus“) das gerne bescheinigen würde.
In unserem Kopf gibt es zwar eine „Vernunftstimme“, die des Planers und Strategen, die beispielsweise gerne mit einem Aktiensparplan vorsorgen und einen 5-Jahres-Plan für die Karriere aufstellen würde. Aber es gibt, so Thaler, eben auch diese andere Stimme in unserem Kopf, nämlich die des „Teufelchens“, die so oft unsere Pläne durchkreuzt.
Das Geld, das wir eigentlich langfristig für das Alter an der Börse investieren wollten, geben wir dann doch lieber für das neue Cabrio aus. So ist das Verhalten von Aktienanlegern ein ideales Beispiel für die Theorie Thalers.
Wir wissen zwar, dass Aktien langfristig steigen und eine sinnvolle Anlage sind (rationale Stimme), aber die Schmerzen der zwischenzeitlichen Verlustphasen werden durch unsere „Macher-Stimme“ als so unangenehm bewertet, dass wir Aktien unbewusst als eine schlechte Geldanlage empfinden.
Eine Erkenntnis, die ich selbst in meiner Zeit als Finanzberater gewinnen durfte und die heute in meine praktische Arbeit einfließt. Dazu weiterlesen: Die Vorteile des aktiven Index-Managements
Ein spannender Aspekt von Thalers Arbeit ist auch die Feststellung, dass wir Geld aus verschiedenen mentalen Perspektiven betrachten. Unbewusst bewerten wir 1.000 Euro, die vom Gehaltszettel direkt auf das Konto des Vermieters überwiesen werden, anders als 1.000 Euro, die wir für eine Neuanschaffung oder die Autoversicherung am Jahresende überweisen sollen. Beide Beträge sind identisch, hier 1.000 Euro und da 1.000 Euro – aber sie fühlen sich oft ganz anders an.
Der frisch gebackene Nobelpreisträger hat zur Lösung dieses Dilemmas das sogenannte „Nudging“ entwickelt, zu Deutsch „Anstupsen“.
Wir wissen zwar, dass Sparen wichtig ist, zu viel Zucker ungesund und Rauchen tödlich sein kann, aber ein gut gemeinter Hinweis im Alltag fördert dann eben doch unsere Disziplin. In unserer Umgebung sehen wir dieses „Nudging“ mittlerweile immer häufiger. Durch emotionale Bilder an der Autobahn oder in China werden zum Beispiel Fußgänger durch Markierungen auf dem Gehweg dazu aufgefordert, den Blick vom Smartphone auf die Straße zu richten. Tatsächlich hat man festgestellt, dass diese eigentlich völlig logischen und für viele selbstverständlichen Aufforderungen zu weniger Verkehrsunfällen führen.
Eine Umsetzung des „Nudging“ an der Börse hingegen dürfte sich schwierig gestalten, denn wo sollte man Anleger in stürmischen Marktphasen erreichen? In Zeitungen oder auf Finanzportalen dominieren meistens jene Stimmen, die gerade richtigliegen. Fallen die Kurse, lesen wir oft über weitere Abwärtsrisiken oder gar die Gefahr eines Totalabsturzes.
Einen rationalen Anleger in diesem Umfeld in der Spur zu halten, seine Aktien nicht zu verkaufen, ist gar nicht so einfach. Denn im Prinzip müssten die Zeitungen dann zum Beispiel schreiben: „Dow Jones Index (22.838,000,03 Prozent) um 10 Prozent gefallen! Günstige Einstiegskurse – jetzt zugreifen!“
Da das relativ unwahrscheinlich ist, bleibt das „Nudging“ die Aufgabe guter Vermögensberater, die ihre Kunden an die rationale Stimme im Kopf erinnern.
Übrigens, auf die Frage, was er denn mit dem etwa eine Million hohen Preisgeld machen werde, antworte Richard Thaler ganz im Sinne seiner Theorie: „Ich werde versuchen, es so unvernünftig wie möglich auszugeben."(1)
Viele Grüße
Jakob Penndorf
Folgen Sie mir auf Guidants! Ich veröffentliche dort regelmäßig Beiträge zu allgemeinen Finanzthemen
Keine Kommentare
Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.