Analysteneinschätzung
17:39 Uhr, 10.09.2020

NIKOLA: Nichts als "heiße Luft"?

Haben Nikolas Partner und Geldgeber ihre Hausaufgaben nicht gemacht? Offensichtlich nicht, sagt Hindenburg Research. Das Unternehmen sei eine einzige Farce, der Gründer Trevor ein Lügenbaron. Ist an den Thesen was dran, würde der Wirecard-Skandal im Vergleich wie ein laues Lüftchen wirken.

Erwähnte Instrumente

  • Nikola Corp
    ISIN: US6541101050Kopiert
    Kursstand: 38,771 $ (NASDAQ) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
    VerkaufenKaufen

New York (Godmode-Trader.de) - Das Analysehaus Hindenburg Research hat ein vernichtendes Urteil über den auf elektrisch angetriebene Lkw spezialisierten Tesla-Konkurrent Nikola gefällt. Hindenburg hält das Geschäftsmodell des Unternehmen für einen Fake, eine Betrugsmaschinerie, die auf einem Lügengebäude des Gründers und Executive Chairmans Trevor Milton aufgebaut wurde. „Wir haben umfangreiches Beweismaterial zusammengetragen, darunter aufgezeichnete Telefongespräche, Textnachrichten, private E-Mails und Fotos hinter den Kulissen, das Dutzende von Falschaussagen des Nikola-Gründers Milton enthält“, schreibt Hindenburg in seinem Report zu Nikola. „Ein derartiges Maß an Täuschung haben wir bei einem Unternehmen dieser Größe, noch nie erlebt“.

Trevor Milton habe es geschafft, mit Falschaussagen, die er im Laufe eines Jahrzehnts gemacht habe, ein 20 Milliarden Dollar schweres Unternehmen aufzubauen. Er habe Partnerschaften mit einigen der Top-Automobilunternehmen der Welt geschlossen, die alle verzweifelt versuchten, Tesla einzuholen und die Elektro-Welle reiten, so Hindenburg in der Analyse. „Wir können aufzeigen, wie Milton Partner dazu verleitet hat, Verträge zu unterzeichnen, indem er fälschlicherweise behauptete, über umfangreiche spezifische Technologie zu verfügen. Wir können außerdem nachweisen, wie Nikola angesichts der wachsenden Skepsis über die Funktionalität seines Lastwagens ein Video mit dem Titel „Nikola One in Motion" inszenierte, das den Sattelschlepper mit hoher Geschwindigkeit auf einer Straße fahren ließ. Unsere Untersuchung des Standorts und Textnachrichten eines ehemaligen Mitarbeiters zeigen, dass es sich bei dem Video um ein aufwendig produziertes R.U.S.E-Video handelte - Nikola ließ den Lastwagen auf einem abgelegenen Straßenabschnitt auf die Spitze eines Hügels schleppen und filmte einfach, wie er den Hügel hinunterrollte".

Im Oktober 2019 kündigte Nikola an, man werde die Batterieindustrie revolutionieren. Doch diese revolutionäre Batterietechnologie hat laut Hindenburg zu keinem Zeitpunkt existiert. Jetzt plane Nikola, stattdessen die Batterietechnologie von General Motors (GM) zu verwenden. Ein Sprecher des Volvo-Spin-Offs Powercell AB, einer Firma für Wasserstoff-Brennstoffzellentechnologie, die früher mit Nikola zusammen gearbeitet hat, habe Nikolas Batterie- und Wasserstoff-Brennstoffzellentechnologie nichts als "heiße Luft“ genannt.

Neben der Nutzung der Batterietechnologie von GM will Nikola nun auch die Produktions- und Brennstoffzellenkapazitäten des Autoherstellers nutzen. Nikola scheint aus Sicht von Hindenburg nichts in die Partnerschaft mit GM einzubringen, lediglich Konzeptentwürfe, den Markennamen und bis zu 700 Mio. Dollar, die GM für die mit der Produktion verbundenen Kosten gezahlt werden.

Preiswerter Wasserstoff ist für den Erfolg von Nikolas Geschäftsmodell von grundlegender Bedeutung. „Trevor hat in einer Präsentation vor Hunderten von Menschen und in mehreren Interviews behauptet, dass es ihm gelungen sei, die Kosten für Wasserstoff im Vergleich zu den allgemeinen Standards um 81 Prozent zu senken und dass er bereits Wasserstoff herstellt. Nikola hat Wasserstoff weder zu diesem Preis noch zu irgendeinem anderen Preis produziert, wie später auf Druck von Medien zugegeben wurde“, wissen die Analysten.

Trevor Milton habe zudem auch behauptet, dass der Hauptstandort von Nikola 3,5 Megawatt Sonnenkollektoren auf seinem Dach trägt, die Energie produzieren. Luftaufnahmen des Daches und spätere Medienberichte zeigten, dass die angeblichen Paneele nicht existierten. Irgendwann habe Nikola auch damit angegeben, eigenen Erdgasquellen zu besitzen. Laut Hindenburg Research gibt es aber keine Beweise in den Firmenunterlagen, die dies belegen könnten. Die Behauptungen seien schließlich stillschweigend von Nikolas Website entfernt worden.

Das Analysehaus listet weitere mutmaßliche „Tricksereien“ des CEOs auf:

  • Trevor Milton behauptet, Nikola entwirft alle Schlüsselkomponenten im eigenen Haus, aber anscheinend werden diese einfach von Dritten gekauft oder lizenziert. Hindenburg nennt ein Beispiel: „Wir fanden heraus, dass Nikola Wechselrichter von einer Firma namens Cascadia kauft. In einem Video, das seine "hauseigenen" Wechselrichter vorstellt, hat Nikola das Cascadia-Etikett mit einem Stück Kreppband verdeckt“.
  • In einem Podcast vom Juli sagte Trevor über Nikolas' "Tre"-Truck: „Wir haben fünf von ihnen, die gerade jetzt in Ulm, Deutschland, vom Fließband laufen. Ein Sprecher von Bosch, dem Fertigungspartner, der die Lkw baut, bestätigte im August, dass noch keine Lkw hergestellt werden.
  • Die „Präsentation" des Flaggschiffs 'Nikola One' soll eine reine Farce-Veranstaltung gewesen sein. „Wir können Fotos präsentierten, die zeigen, dass Nikola sich ein Stromkabel von unter der Bühne in den Lastwagen schlängeln ließ, um fälschlicherweise zu behaupten, dass die elektrischen Systeme des Nikola One voll funktionsfähig seien. Wir erfuhren durch E-Mails und Interviews mit ehemaligen Partnern, dass Trevor Milton eine Künstlerschablone "H2" und "Zero Emission Hydrogen Electric" auf den Nikola One kleben ließ, obwohl das Fahrzug keinerlei Wasserstoff-Fähigkeiten aufweist; es wurde mit Erdgaskomponenten gebaut. (…) Im Jahr 2019 enthüllte Nikola eine Version seines Geländewagens der 'Next Generation'. Wir erfuhren, dass er innerhalb weniger Wochen nach der Enthüllung aufgrund von Herstellungsproblemen verschrottet wurde. Die Umgestaltungsarbeiten wurden dann stillschweigend ausgelagert“.

Nikolas viel gepriesenes Multi-Milliarden-Dollar-Orderbuch sei mit Schaum gefüllt, so ein weiterer, gewichtiger Vorwurf von Hindenburg. Berichten zufolge kommt ein Drittel des Auftragvolumens vom Unternehmen U.S. Xpress, es geht um ca. 3,5 Milliarden Dollar. U.S. Xpress hatte im letzten Quartal laut den Analysten aber nur 1,3 Mio. Dollar Cash in der Kasse.

Nikolas Hauptpartner und Geldgeber haben sich überstürzt auszahlen lassen. Worthington, Bosch und ValueAct haben alle Anteile verkauft. Worthington verkaufte Aktien im Wert von 237 Mio Dollar innerhalb von zwei Tagen im Juli und weitere 250 Mio. Dollar im August. Wir glauben, dass sie genau wissen, was für eine Art von Unternehmen Nikola ist, und wir erwarten, dass die Schlüsselaktionäre weiterhin aussteigen werden, da die GM-"Partnerschaft" von Nikola den Aktienkurs in die Höhe treibt“.


Fazit von Hindenburg-Research: „Wir glauben, dass Trevor Milton durch zahlreiche Lügen und Tricksereien in der Lage war, Partnerschaften mit einigen der größten Alt-Autofirmen der Welt einzugehen. Dabei hat er deren Verzweiflung, zu Teslas Führerschaft in der Elektomobilität aufzuschließen, ausgenutzt. Wir denken, dass Nikolas Partner ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben“.

Hinweis: Mein Kollege Oliver Baron macht in seinem Beitrag Ist Nikola nur ein "Ozean der Lügen"? darauf aufmerksam, dass Hindenburg ein Nikola-Short-Seller sei und die Aussagen daher mit Vorsicht zu genießen seien. Nikola-Chef-Trevor Milton habe die Analyse als absurd bezeichnet.

Nikola Corp. Registered Shares o.N.
Statischer Chart
Live-Chart
Chart in stock3 Terminal öffnen
  • ()
    L&S
    VerkaufenKaufen

Passende Produkte

WKN Long/Short KO Hebel Laufzeit Bid Ask
Keine Ergebnisse gefunden
Zur Produktsuche

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Mehr von Bernd Lammert zu den erwähnten Instrumenten

Keine Artikel gefunden

Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

Mehr Experten