Kommentar
18:47 Uhr, 11.08.2010

Neuer Brennstoff für die Aktienmärkte

Wenn über Börse berichtet wird, dann werden Kursbewegungen, vor allem wenn dies in breiteren Medien erfolgt, immer fundamental begründet. Es ist fast schon niedlich, wenn Kommentatoren beispielsweise in „Börse im Ersten“ kurz vor der Tagesschau die Arbeitsmarktzahlen versuchen mit der Tagestendenz des DAX in einen kausalen Zusammenhang zu stellen. Ich verstehe das aus journalistischer Sicht, weil es dem Laien schwer zu vermitteln ist, dass der US-Arbeitsmarktbericht für die deutsche Börse viel entscheidender ist als der deutsche, der im Grunde keinerlei Auswirkungen hat. Falschg bleibt es dennoch.

Ebenso ist es viel plausibler und für den breiten Zuschauer, Zuhörer oder Leser einfacher nachvollziehbar, wenn die Tendenz der Aktien mit den Gewinnen und Dividenden der Unternehmen in Verbindung gebracht wird. Tatsächlich sind die Gründe für steigende oder fallende Aktienkurse auf kurz- und mittelfristige Sicht, die durchaus einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren umfassen kann, oft vollkommen andere. Denn bitte, welcher Zusammenhang bestand zwischen den Aktienkursen der Technologiewerte am Ende des Jahrtausends und der Gewinnentwicklung dieser Unternehmen. Natürlich phantasierten die Analysten sich irgendwelche Zukunftsgewinne zusammen, mit der Realität hatten diese aber schon längst nichts mehr zu tun.

Tatsächlich war es die enorme Liquidität, die seitens der Notenbanken in der Südostasien- und Russland-Krise 1997/98 in die Märkte gepumpt worden war, gepaart mit einer sich selbst verstärkenden immer irrationaleren Euphorie. Diese fehlt momentan gänzlich, aber es war ebenfalls die Liquidität, die die Aktienkurse ab März 2009 in einer historisch fast unvergleichlichen Geschwindigkeit in die Aufholjagd schickte. Das interessante daran ist, dass die Bewegung fast zeitgleich mit dem Aufkauf von US-Staats- und Immobilien(schrott)anleihen der US-Notenbank Fed zusammenfiel und fast zeitgleich mit dessen Ende im April dieses Jahres endete. Die Erholung der Kurse, insbesondere in Deutschland setzte dann mit dem Aufkaufprogramm der EZB für Staatsanleihen der südlichen Mitgliedsstatten und Irlands Ende Mai ein.

Wenn die Fed nun, wie gestern bekannt gegeben, den Aufkauf von Anleihen wieder aufnimmt, dann ist das für die Aktien ein gutes Zeichen. Auch wenn die heutige Reaktion zunächst ausnahmsweise fundamental logisch ausfällt, und die Aktienkurse wegen des eingetrübten Konjunkturausblicks in den USA fallen, die durch die Anleihekäufe entstehende Liquidität dürfte wieder den selben positiven Effekt auf Aktien haben. Der heutige Rückschlag bietet insofern eine Kaufgelegenheit.

Favorisiert bleiben für mich deutsche Werte und für Stockpicker insbesondere Exporttitel. Deutschland proftiert vom Export in die boomenden Schwellenländer massiv, und im Gegensatz zur USA paaren sich hier zusätzliche Liquidität mit positiver Konjunkturperspektive. Die Outperformance des DAX dürfte insofern anhalten.

Stefan Riße, ist Deutschlandchef und Chefstratege von CMC Markets. Bekannt ist er durch seine jahrelange Tätigkeit als Börsenkorrespondent für den Nachrichtensender N-TV. Sein aktuelles Buch „Die Inflation kommt“, steht seit Wochen oben auf den Bestsellerlisten.

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