Neue Hausse? Keine Chance...
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Der DAX mit neuem Allzeithoch. Was liegt da näher, als die nächste Hausse auszurufen, die angeblich gerade vor unseren Augen beginnt? Wie üblich sind es die zahlreichen Trendfolger, die jetzt in ohrenbetäubende Jubelgesänge verfallen und das Hohelied der Börse preisen. Alles wird gut, die Probleme sind weit weg, wir feiern eine Party und werden alle reich!
In solchen Phasen lohnt es sich ganz besonders, etwas genauer hinzusehen.
Nehmen wir uns zuerst die Charttechnik vor. Nicht nur der DAX turnt derzeit in luftigen Höhen herum. Ein ähnliches Kunststück hat kürzlich der marktbreite S&P 500 vollbracht: Neues Allzeithoch!
Die folgende Abbildung zeigt die Entwicklung der vergangenen 20 Jahre. Wie unschwer zu erkennen ist, konnte das Marktbarometer in diesem Jahr über eine wichtige Widerstandszone knapp unterhalb von 1.600 Punkten ansteigen. Achten Sie auf die rote Linie. Glasklare Sache also: Der S&P 500 befindet sich in einem Bullenmarkt und wird jetzt so richtig durchstarten. So jedenfalls können Sie das derzeit vielerorts lesen.
Dass sich solche Träume unerwartet schnell in Luft auflösen können, das zeigt die folgende Abbildung, hier am Beispiel des Dow Jones. In den 1970er Jahren war die Signallage an den Börsen schon einmal ganz ähnlich wie heute: In einem Zeitraum von 17 Jahren versuchte sich der Index fünfmal (!) an der wichtigen Marke von 1.000 Punkten. Doch der wirkliche Anstieg begann erst im Jahr 1982, zu einer Zeit, als die Anleger völlig verzweifelt waren und in den Medien für alle erkennbar der „Tod der Aktienanlage“ verkündet wurde.
So funktioniert Börse und nicht anders:
Angst und Verzweiflung werden IMMER erst auf die Spitze getrieben, ehe die Reise weiter geht. Denken Sie in diesem Zusammenhang auch an die aktuelle Lage beim Gold. Das aber nur am Rande. Folgerichtig wurde der Börsenanstieg vor mehr als 30 Jahren ebenfalls erst fortgesetzt, als niemand mehr damit rechnete.
Und heute? Heute jubelt alles, weil der DAX unbeirrt nach oben durchzieht und auch die US-Börsen von einem Hoch zum nächsten eilen. Scheinbar jedenfalls. In Wahrheit hat der S&P 500 nach dem Anstieg über die Marke von 1.580 Punkten im April dieses Jahres bislang nur kümmerliche sechs Prozent zugelegt. Die Grafik ganz oben zeigt, wie schwer sich der Index in Wahrheit tut. Das führt uns zu einem wichtigen Aspekt, den der Verlauf des Dow Jones zwischen 1950 und 1983 (darunter) deutlich macht :
Je länger es dauert, bis ein Anstieg über ein vermeintliches Ausbruchsniveau in eine dynamische Aufwärtsbewegung mündet, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei dem Ausbruch um ein Fehlsignal handelt. Ist dies der Fall, wird die vorangegangene Abwärts- oder Seitwärtsbewegung anschließend wieder aufgenommen.
In den 1970er Jahren war es eine Seitwärtsphase, die beim Dow Jones im Jahr 1965 begann und die erst 17 Jahre später mit einem starken Anstieg über die wichtige Marke von 1.000 Punkten beendet wurde. Dreimal hatte der Index in dieser Zeit die zentrale Hürde scheinbar überwunden. Im ersten Fall, 1973, wurde der Anstieg umgehend wieder abverkauft.
Das ist nicht ungewöhnlich, wie jeder Langfristinvestor weiß, der sich schon einmal an eine Aktie herangewagt hat, die nach einer längeren Abwärts- oder Seitwärtsbewegung gerade erstmals wieder ihr altes Hoch überwunden hat. Oftmals wird dieser erste Ausbruch umgehend wieder verfrühstückt und der Abwärtstrend setzt sich fort. So war das auch beim Dow Jones im Jahr 1973. In der Folge halbierte (!) sich das Marktbarometer.
Genau wie heute?
Doch interessanter sind die beiden anderen Ausbruchsversuche, weil sie eine gewisse Ähnlichkeit mit der aktuellen Lage aufweisen: Mitte der 1970er und Anfang der 1980er Jahre war der Index noch zweimal jeweils über einen Zeitraum von mehreren Monaten (!) mit der wichtigen Zone bei 1.000 Punkten beschäftigt. In beiden Fällen wurde der Bereich zunächst überwunden, genau wie heute, später aber wieder aufgegeben. In der Folge rauschte der Dow Jones um jeweils rund 25 Prozent in die Tiefe...
Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang ein Blick auf die aktuelle Lage in der Abbildung ganz oben: Der S&P 500, der wegen der hohen Gewichtung des Finanzsektors mittlerweile die Rolle des Weltleitindex übernommen hat, kämpft nun schon seit mehr als fünf Monaten (!) mit der zentralen Hürde knapp unterhalb von 1.600 Punkten - ohne sich bislang jedoch entscheidend davon absetzen zu können. Interessant dabei: Ein Anstieg von etwas mehr als sechs Prozent über das Ausbruchsniveau bei 1.600 Punkten, ist ziemlich genau jene Größenordnung, die auch beim Dow Jones in den 1970er Jahren dreimal beobachtet werden konnte, ehe der Index wieder einknickte.
Die Beobachtung, dass sich der S&P 500 derart ziert, einen dynamischen Anstieg aufs Parkett zu legen, spricht dafür, dass es sich bei dem Ausbruchsversuch vom April 2013 um ein Fehlsignal handelt, das in den kommenden Monaten nach unten aufgelöst werden wird.
Bestätigt wird diese Prognose durch die fundamentale Analyse:
Mitunter hört man derzeit den Einwand, die Bewertungen der Aktienmärkte seien historisch betrachtet nicht außergewöhnlich hoch. Daher sei aus fundamentaler Sicht noch reichlich Platz für steigende Kurse. Die folgende Abbildung bestätigt das auch – zumindest auf den ersten Blick:
Von den astronomischen Bewertungen der Jahrtausendwende mit einem Shiller-KGV oberhalb von 40 Punkten sind wir derzeit tatsächlich noch ein ganzes Stück entfernt. Auch gegen Ende der „Roaring Twenties“, der wilden 1920er Jahre, wurden Bewertungen in der Gegend von 35 Punkten registriert, und waren somit weitaus höher als heute. Achten Sie auf die beiden roten Markierungen in der folgenden Abbildung.
Doch hierzu ist noch mehr zu sagen. Einmal zeigt die Grafik sehr eindrucksvoll, dass es nach spekulativen Exzessen wie etwa Ende der 1920er Jahre mehrere Jahrzehnte (!) dauert, bis sich ähnliche Zustände erneut bilden: Bis zur spekulativen Blase bei den Technologiewerten mussten anschließend rund 70 Jahre vergehen. Aus massenpsychologischer Sicht macht das Sinn: Erst wenn die Anlegergenerationen, die eine extreme Übertreibung erlebt haben, vollständig verstorben sind, und in der Folge das große Vergessen um sich greift, können sich vergleichbare Exzesse erneut bilden.
Man kann daher auch schlussfolgern: Nach den spekulativen Erfahrungen der heute lebenden Generationen, die das Platzen der Internet- und Technologieblase nach dem Jahr 2000 erlebt haben, wird es mit größter Wahrscheinlichkeit für viele Jahrzehnte keine vergleichbare fundamentale Übertreibung mehr geben. Eher ist zu erwarten, dass wir jetzt am oberen Rand der Bewertungen angekommen sind, die gerade noch toleriert werden.
Mindestens so bedeutend ist aber ein anderer Punkt:
Allen Jubelprognosen zum Trotz ist das Wachstum der Wirtschaft in den USA derzeit alles andere als dynamisch. Der aktuelle „Erholungszyklus“, sofern man davon überhaupt sprechen kann, ist der schwächste seit 1948. Trotz rekordtiefer Zinsen wohlgemerkt. Die folgende Abbildung zeigt das:
Märchen 2: „Die Wirtschaft in den USA erholt sich sehr dynamisch“...
An dieser Stelle muss man sich klar machen, dass dies langfristig keinesfalls zusammengehen kann: Hohe Bewertungen und ein anämisches Wirtschaftswachstum schließen sich gegenseitig aus. Es gibt nur zwei Wege, das Dilemma aufzulösen:
1. das Wirtschaftswachstum nimmt stark an Fahrt auf und holt so den „Bewertungsvorsprung“ der Aktienmärkte wieder auf;
2. oder aber, die Bewertungen gehen deutlich zurück, das heißt die Aktienkurse fallen.
Da die Erholung der Wirtschaft in den USA selbst durch eine historisch beispiellose Geldflut seit mehr als vier Jahren nicht entscheidend angeschoben werden konnte, kann man die erste Alternative ausschließen. Denn woher sollte ein dynamischer Aufschwung kommen, wenn selbst Nullzinsen so gut wie nichts bewirken? Wir sehen in den USA gerade ein Phänomen, das sich wie ein Lauffeuer rund um den Globus ausbreitet: Immer mehr Geld erzielt immer weniger Wirkung. Die Entwicklung ist systembedingt und führt dazu, dass nur die zweite Möglichkeit bleibt: Fallende Aktienkurse...
Dass der US-amerikanische Transportindex vor wenigen Tagen ein „hübsches“ Crashsignal geliefert hat, das genau in diese Richtung weist, das hatten wir vor einer Woche an dieser Stelle thematisiert:
http://www.godmode-trader.de/nachricht/crashsignal,a3213484.html
Es passt ins Bild dass es derzeit auch in Asien alles andere als rund läuft, ganz im Gegenteil. Wer etwas genauer hinsieht, der erkennt den Finanzcrash, der sich dort am Horizont abzeichnet. Der ehemalige Lehman-Banker Patrick McDonald erklärte dazu kürzlich in der Zeitung Finanz und Wirtschaft:
„Die gleichen Entwicklungen, die wir 2007 in den Vereinigten Staaten beobachtet haben, zeichnen sich gegenwärtig in Asien ab. Alle Warnsignale, die damals beim Lehman-Crash aufgeleuchtet sind, deuten darauf hin, dass in China bereits in den kommenden sechs Monaten die nächste Bombe hochgehen wird. (...) Die Kreditklemme wird in China beginnen und sich dann über Indonesien und Japan auf die gesamte Region ausbreiten. (...) Das gegenseitige Vertrauen unter den Banken ist in Asien am Zusammenbrechen. Gut beobachten lässt sich das beispielsweise an den Repo-Märkten, am Handel mit Geldmarktpapieren oder am Interbankenzins Sibor. Alle diese Indikatoren weisen ein ähnliches Muster auf, wie es sich Ende 2007 und Anfang 2008 in den USA zeigte. (...) Sorgen mache ich mir um die Finanzinstitute in Südeuropa – vor allem in Spanien und Italien sind die Banken noch immer auf lebenserhaltende Maßnahmen angewiesen.“
http://www.fuw.ch/article/der-nachste-lehman-crash-droht-in-asien/
Das Gefasel von der neuen Hausse, die da angeblich gerade beginnt, können Sie daher getrost vergessen.
Nicht vergessen sollten Sie dagegen den Wahltermin am Sonntag: An diesem Wochenende werden auf politischer Ebene die Weichen für die kommenden vier Jahre gestellt. Meiner persönlichen Einschätzung nach ist es die wichtigste Bundestagswahl seit 1945. Also gehen Sie wählen!
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Zum Autor:
Andreas Hoose ist Chefredakteur des Antizyklischen Börsenbriefs, einem Service der BörseGo AG, und Geschäftsführer des Antizyklischen Aktienclubs. Börsenbrief und Aktienclub, das komplette Servicepaket für die Freunde antizyklischer Anlagestrategien! Informationen finden Sie unter www.antizyklischer-boersenbrief.de und www.antizyklischer-aktienclub.de
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