Fundamentale Nachricht
15:48 Uhr, 16.12.2021

Nachhaltigkeit ist mehr als nur "grün"

Die Kapitalmarktexperten von Jupiter AM ziehen ein Resümee aus dem vergangenen Corona-Jahr und geben einen Ausblick auf 2022. Rhys Petheram und Jon Wallace sowie Abbie Llewellyn-Waters, Freddie Woolfe & Jenna Zegleman beschäftigen sich mit den wichtigsten Herausforderungen für eine nachhaltige Zukunft.

2022: USA mögen den Ton angeben, aber Umweltlösungen geben das Tempo vor
von Rhys Petheram, Head of Environmental Solutions und Jon Wallace, Fondsmanager, Environmental Solutions bei Jupiter Asset Management

Auch wenn COP26 nicht genug konkrete Beschlüsse hervorgebracht haben mag, hat die jüngste Klimakonferenz den Schwerpunkt im Kampf gegen den Klimawandel neu gesetzt. Umweltlösungen geben das Tempo für politische und regulatorische Initiativen vor. Und die Erwartungen an den nächsten Klimagipfel, die im kommenden Jahr stattfindende COP27, sind hoch. Rhys Petheram und Jon Wallace erläutern, warum der Ausblick für umweltorientierte Anlagestrategien von den USA abhängt, und geben Einblicke in sechs wichtige Themen, die die Zukunft definieren werden.

Dynamik von COP26 muss aufrechterhalten werden

Die jüngste Klimakonferenz COP26 ist als Meilenstein bezeichnet worden. Unserer Ansicht nach ist sie aber trotz einer verschärften Rhetorik in Bezug auf die Klimakrise nicht weit genug gegangen. Umweltauswirkungen sind keine Nebensache mehr, sondern ein vorrangiges Anliegen für Politik und Anleger. Eines der positiven Ergebnisse des jüngsten Klimagipfels war die größere Fokussierung und Dynamik im Kampf gegen den Klimawandel. Mit Blick auf 2022 gilt es, diese Dynamik aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig muss dafür gesorgt werden, dass sich die Lücke zwischen den Bekenntnissen zum Klimaschutz und den tatsächlich umgesetzten Maßnahmen zunehmend schließt. Auch wir als Investoren sind hier gefordert. Die wichtigen Ziele in Bezug auf den Schutz des Klimas und des natürlichen Kapitals wird die Welt nur durch eine bessere Zusammenarbeit und weltweite politische Abstimmung erreichen können.

Wir hoffen, dass die in Glasgow eingesetzte positive Dynamik bis zur COP27-Konferenz, die im nächsten Jahr in Ägypten stattfinden wird, anhält. Regierungen und Unternehmen müssen in die Verantwortung genommen und die Entwicklung der Klimapolitik weiter vorangetrieben werden.

Werden die USA 2022 zum Vorreiter im Klimaschutz?

Unser Ausblick für 2022 hängt in hohem Maße davon ab, was in den nächsten Wochen in den USA passiert. Der US-Kongress hat das ‚Build Back Better‘-Gesetz beschlossen, die Verabschiedung durch den Senat steht jedoch noch aus. Falls das Infrastrukturpaket mit den Schwerpunkten saubere Energie und Klimaschutz den Senat ohne nennenswerte Änderungen passieren sollte, wäre dies für die gesamte Branche von enormer Bedeutung.

Warum? Weil die USA einer der größten Treibhausgasemittenten der Welt sind. Dementsprechend groß sind die Geschäftschancen in Bereichen wie saubere Energie und Dekarbonisierung in diesem Markt. Die Verabschiedung des „Build Back Better“-Gesetzes würde Billionen von Dollar an Investitionen in nachhaltige Infrastruktur nach sich ziehen. Gleichzeitig würde dies dem Rest der Welt signalisieren, dass die Bekämpfung des Klimawandels für eine der größten Volkswirtschaften der Welt und ein Land, das sich im Klimaschutz bislang nicht mit Ruhm bekleckert hat, zur Priorität geworden ist.

Ein weiteres wichtiges Thema des nächsten Jahres wird die Entwicklung des Marktes für Nachhaltigkeitsanleihen sein. Für den „Green Finance“-Bereich war 2021 bereits ein Rekordjahr: Bis zum Jahresende dürften als Nachhaltigkeitsanleihen zertifizierte Bonds (Labelled Sustainability Bonds) mit einem Gesamtvolumen von mehr als 1 Billion US-Dollar an den Markt gekommen sein. Ein Großteil dieser Anleihen wurde im Vorfeld der COP26 emittiert. Um im kommenden Jahr ein ähnliches Emissionsvolumen zu erreichen, wird der Markt daher einen neuen Impuls benötigen. Auch hier werden die USA eine entscheidende Rolle spielen. Während mehr als 50 Prozent der weltweit ausstehenden Unternehmensanleihen von Emittenten mit Sitz in den USA begeben wurden, beträgt der Anteil bei Green-Bond-Emittenten nur 11 Prozent. Wenn die USA hier die Führung übernehmen und verstärkt auf nachhaltige Anleihen setzen, um eine größere Wirkung zu erzielen, würde dies erheblich dazu beitragen, die Klimakapitallücke zu verringern, und neue Chancen in der gesamten Branche eröffnen. Der „Elefant im Raum“ bleibt der US-Staatsanleihenmarkt – wenn hier vermehrt grüne Anleihen emittiert würden, dürfte das auch die Akzeptanz des Instruments insgesamt fördern.

Sechs Themen, die die Zukunft bestimmen werden

Auf Grundlage unserer Sektorexpertise und langjährigen Erfahrung mit erfolgreichen Investitionen in die Unternehmen von morgen haben wir sechs zentrale Anlagethemen identifiziert, von denen wir glauben, dass sie in den kommenden Jahrzehnten wichtige Lösungen zum Schutz des Klimas und des Naturkapitals hervorbringen werden:

- Grüne Mobilität
- Saubere Energie
- Grüne Gebäude & Industrie
- Nachhaltige Landwirtschaft & Landökosysteme
- Kreislaufwirtschaft
- Nachhaltige Ozeane & Süßwassersysteme

Diese übergreifenden Themen decken eine breite Palette von Unterthemen ab, die über die traditionell mit umweltorientierten Anlagestrategien assoziierten Themen hinausgehen und Fragen wie den Verlust der biologischen Vielfalt und weiterreichende Formen der Schädigung unserer natürlichen Umwelt umfassen. Dieser ermutigende Trend sollte sich fortsetzen und Stockpickern attraktive Anlagechancen in Anbietern von Umweltlösungen bieten.

Letztlich betrachten wir Technologie und Innovation als Schlüssel zur Bewältigung der Klima- und Umweltkrise. Anders als früher, als es genau umgekehrt war, geben Umweltlösungen jetzt das Tempo für politische und regulatorische Entwicklungen vor. Für die Umkehr der globalen Erwärmung bedarf es enormer Veränderungen. Aus Anlegersicht eröffnen sich dadurch bedeutende Möglichkeiten, Kapital für Unternehmen bereitzustellen, deren Umweltlösungen einen wichtigen Beitrag zur Realisierung der Nachhaltigkeitsziele leisten. Diese Lösungen gewinnen deutlich an Breite und erfassen auch Sektoren der Weltwirtschaft, die zuvor nicht betroffen waren. Die Einstellungen zu Klimalösungen ändern sich und führen zu einer Erweiterung der Wertschöpfungskette. Dadurch werden sich zahlreiche neue Anlagemöglichkeiten eröffnen. Wir sind gut positioniert, um diese zu identifizieren.

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Klimawandel, soziale Ungleichheit und Biodiversitätsverlust – die großen Herausforderungen für eine nachhaltige Wirtschaft
von Abbie Llewellyn-Waters, Head of Sustainable Investing, Freddie Woolfe, Equities Analyst, Sustainable Investing, und Jenna Zegleman, Investment Director Sustainable Investing bei Jupiter Asset Management

Dieses Jahrzehnt ist entscheidend für die Bewältigung der größten Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte mit Blick auf den Planeten, auf dem wir leben, und die Menschen, mit denen wir zusammenleben. Im Jahr 2021 wurden die Finanzmärkte weitgehend von kurzfristigen Erwägungen bestimmt. Für den langfristigen wirtschaftlichen Wohlstand ist jedoch wichtig, dass wir längerfristig denken und wichtige langfristige Herausforderungen adressieren. Aus diesem Grund legen wir den Fokus auf Unternehmen, die den Weg in eine nachhaltigere Zukunft ebnen. Das erfordert einen Ausblick, der genauso langfristig ist wie die erforderlichen Lösungen für kritische Herausforderungen wie den Klimawandel, die soziale Ungleichheit und den Verlust an biologischer Vielfalt. Verantwortungsvolles, nachhaltiges Investieren ist heute wichtiger denn je.

Klimaschutz: Engere globale Zusammenarbeit für eine kohlenstoffarme Zukunft

COP26, der Klimagipfel, der im November 2021 in Glasgow stattfand, war ein Meilenstein für die Beschleunigung des politischen Wandels, der nötig ist, um die globalen Klimaziele zu erreichen und den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen oder sogar umzukehren. Die Ergebnisse der Konferenz gehen zwar noch nicht weit genug, aber die Richtung ist klar. Wir halten eine globale Zusammenarbeit bei der CO2-Bepreisung seit Langem für notwendig und COP26 hat diesbezüglich eine positive Dynamik in Gang gesetzt. Die Regierungen haben sich dazu verpflichtet, ihre Klimaziele für 2030 zu überprüfen und zu stärken, um sie mit dem Ziel des Pariser Abkommens in Einklang zu bringen, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Wir sind optimistisch, dass die dafür notwendigen Schritte jetzt eingeleitet werden. Nachdem die USA und China ihr gemeinsames Engagement für den Klimaschutz bekräftigt haben, erwarten wir eine engere globale Zusammenarbeit und eine schnelle, aber gerechte Umstellung auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft.

Als Investoren erwarten wir von den Unternehmen eine konsequente und unumkehrbare Dekarbonisierung ihrer Prozesse. Unternehmen, die in der Lage sind, ihre CO2-Emissionen nennenswert zu reduzieren und nicht nur zu kompensieren, werden besser aufgestellt sein, um nachhaltige Renditen zu erzielen. Denn in Zukunft werden Unternehmen die gesellschaftlichen Kosten ihrer klimaschädigenden Aktivitäten zunehmend selbst tragen müssen. Im Jahr 2022 dürften weitere politische Maßnahmen eingeleitet werden, um die derzeitige Fehlbepreisung natürlicher Ressourcen zu adressieren. Sowohl unter Resilienz- als auch Renditeaspekten ist entscheidend, dass die Unternehmen die planetaren Grenzen nicht weiter verletzen und die negativen Umweltauswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit mindern. Das gilt natürlich auch für unser Unternehmen. Jupiter gehört zu den Unterzeichnern der Net Zero Asset Managers Initiative und hat sich dazu verpflichtet, die Treibhausgasemissionen seiner betrieblichen Tätigkeit und Anlageportfolios bis spätestens 2050 auf netto Null zu reduzieren.

Ein gerechter Übergang in eine kohlenstoffarme Zukunft, der dem Klimawandel genauso wie der sozialen Gerechtigkeit Rechnung trägt, ist wichtig. Auf der COP26 war der gerechte Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zum ersten Mal ein zentraler Bestandteil des Abkommens. Damit wird anerkannt, wie wichtig es ist, dass die Lasten der Bekämpfung des Klimawandels gerecht verteilt werden. Erste Gespräche über eine Entschädigung besonders krisenanfälliger Länder für Verluste und Schäden durch den Klimawandel ebnen den Weg für Finanzierungsverpflichtungen der reicheren Länder gegenüber Ländern mit geringerem Einkommen. Die Industrieländer blicken auf mehr als hundert Jahre eines beispiellosen Wirtschaftswachstums zurück, das zu großen Teilen auf Kosten der Umwelt gegangen ist. Damit die weltweiten Klimaschutzmaßnahmen Erfolg haben, muss eine vergleichbare Umweltkrise in den Entwicklungs- und Schwellenländern vermieden werden.

Corona verschärft soziale Ungleichheit

Neben Unternehmen, die Wegbereiter einer nachhaltigeren Zukunft sind, investieren wir auch in Firmen, die einen Beitrag zu einer sozial gerechteren Welt leisten. Corona hat soziale Ungleichheiten verschärft und schonungslos offengelegt. Der wirtschaftliche Schock, der durch die pandemiebedingten Beschränkungen verursacht wurde, hat die schwächsten Bevölkerungsgruppen unverhältnismäßig stark getroffen. In den USA schnellte die Arbeitslosenquote mit Ausbruch der Pandemie in die Höhe, wobei die Jobverluste vor allem Amerikaner ohne High-School-Abschluss trafen. Mit den pandemiebedingten Schulschließungen und der Umstellung auf Homeschooling hingen die Lernerfolge und Bildungsperspektiven von Millionen von Kindern plötzlich vom Zugang zu Technologie ab, was wiederum insbesondere sozial schwächere Familien hart traf.

Gleichzeitig hat Corona unverhältnismäßige Auswirkungen auf Frauen, vor allem in Bezug auf ihre finanzielle Unabhängigkeit, und hat dazu geführt, dass viele Frauen ganz aus dem Arbeitsmarkt ausgeschieden sind. Weltweit ist die Erwerbstätigkeit von Frauen rapide zurückgegangen. Dies hat weitreichende soziale Auswirkungen, da es einen Zusammenhang zwischen der Unterbeschäftigung von Frauen und in Armut lebenden Kindern gibt. Wir achten daher auf eine verbesserte Lohntransparenz und eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen als Indikator für qualitativ hochwertige Unternehmen.

Schutz der Biodiversität: Berichterstattung über naturbezogene Risiken entscheidend

Auf der politischen Agenda rückt die Bekämpfung des Verlusts der biologischen Vielfalt immer weiter nach oben. Die Hälfte des globalen BIP hängt von der Biodiversität ab. Trotzdem verbrauchen wir die natürlichen Ressourcen weiterhin in alarmierendem Tempo. COP15, die Vertragsstaatenkonferenz zur Biodiversität, begann im Oktober 2021 im chinesischen Kunming und soll dort im April 2022 fortgesetzt werden. Wir hoffen, dass die aus dem Klimawandel gezogenen Lehren helfen werden, die dringend notwendigen politischen Weichenstellungen zu tätigen, um den Verlust der biologischen Vielfalt umzukehren. Wie beim Kohlenstoff werden die Auswirkungen der Unternehmen auf die Natur zunehmend als Kosten neu bewertet werden.

Und wie beim Kohlenstoff wird die Internalisierung externer Kosten im Zusammenhang mit der Biodiversität sowohl Chancen als auch Risiken mit sich bringen. Während Unternehmen schon seit Langem Daten zum CO2-Ausstoß vorlegen, steht die Messung ihrer Auswirkungen auf die Natur noch ganz am Anfang. In den nächsten Jahren werden Rahmenwerke für eine einheitlichere Offenlegung dieser Informationen wie das der Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD) in Kraft treten. Diese sind ein Schritt in die richtige Richtung, der jedoch von entschlossenen, wirkungsstarken und unumkehrbaren Maßnahmen auf Unternehmensebene begleitet werden muss. Diese Herausforderungen müssen jetzt adressiert werden – sowohl im Interesse der Gesellschaft als auch im Interesse langfristiger Wertsteigerungen für Investoren. Verantwortungsvolles, nachhaltiges Investieren ist heute wichtiger denn je.

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