Kommentar
06:30 Uhr, 31.07.2025

Bedeutung des Handelsdeals für Wirtschaft und Kurse

Die deutsche Wirtschaft ist im zweiten Quartal 2025 geschrumpft. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank zum Vorquartal um -0,1 %, so eine erste Schätzung des Statistischen Bundesamtes.

Damit wurden die durchschnittlichen Markterwartungen erfüllt. Denn Experten hatten vor dem Hintergrund der US-Handels- und Zoll-Politik ein schwaches Abschneiden befürchtet. Im ersten Quartal führten Trumps Zolldrohungen noch zu (positiven) Vorzieheffekten. Diese bewirkten im zweiten Quartal eine Nachfrage- und Produktionsdelle, zumal in den vergangenen Wochen tendenziell abgewartet wurde, wie sich die außenwirtschaftlichen Bedingungen entwickeln.

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Ähnlich erging es der gesamten Wirtschaft in der Euro-Zone, die aber immerhin leicht zulegen konnte. Das BIP des Währungsraums stieg laut einer ersten Schätzung von Eurostat zum Vorquartal nur um +0,1 %.

Hier hatten Ökonomen allerdings sogar nur eine Stagnation auf dem Zettel, nachdem es im 1. Quartal noch ein überraschend hohes Wachstum von +0,6 % gegeben hatte.

Grundlage für Einordnung des Handelsdeals

Für die Börsen sind diese Daten meist vollkommen uninteressant, vor allem, weil sie sich auf die Vergangenheit beziehen. Warum berichte ich dennoch darüber? Weil sie dabei helfen, sich einen Eindruck zu verschaffen, wie der Handelsdeal zwischen den USA und der EU vom vergangenen Sonntag einzuordnen ist.

Grundsätzlich kann man sagen, dass eine Abweichung der tatsächlichen Daten von den Erwartungen um 0,1 Prozentpunkt im völlig normalen Bereich liegt. Danach kräht kein Hahn. Zumal Wachstumserwartungen ebenso wie die tatsächlichen Wirtschaftsdaten regelmäßig um etwas höhere Werte nach oben oder unten revidiert werden.

Mögliche Auswirkungen des Handelsdeals

Schauen wir vor diesem Hintergrund nun auf die möglichen Auswirkungen des aktuellen Handelsabkommens:

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat im vergangenen Monat bereits prognostiziert, dass ein Zollsatz von 15 % ein Wirtschaftswachstum für die Eurozone von +0,5 bis +0,9 % im laufenden Jahr bedeuten würde – verglichen mit gut +1 % ohne neue Handelshemmnisse. Die Belastung liegt also zwischen 0,1 und 0,5 Prozentpunkten.

Die VP BANK ist da etwas optimistischer. Sie erwartet für die EU eine jährliche BIP-Schmälerung von nur 0,1 %. Das deutsche BIP könnte jährlich um knapp 0,2 % belastet werden. Vor allem diese Werte sind also kaum der Rede wert – sie entsprechen völlig normalen Abweichungen, die auch ohne den Zollstreit denkbar wären.

Deutsche Wirtschaft kommt nur schwer in Gang

Sowieso wird längst angenommen, dass die Konjunkturdynamik in Deutschland auch im zweiten Halbjahr gering bleiben wird. Darauf deuten auch Frühindikatoren wie der Ifo-Geschäftsklimaindex hin. Zwar ist das vielbeachtete Konjunkturbarometer im Juli den fünften Monat in Folge gestiegen, es befindet sich damit aber immer noch auf einem relativ niedrigen Niveau.

"Der Aufschwung der deutschen Wirtschaft bleibt blutleer", sagte daher auch das ifo-Institut zu seinen Umfrageergebnissen. Für das laufende Jahr prognostizieren die ifo-Forscher ein Wachstum von insgesamt nur +0,3 %. Zu dieser mauen Aussicht dürfte der aktuelle Handelsdeal beitragen – allerdings in einem überschaubaren Maße. Vertraut man den Daten der VP Bank, hätte das Wachstum in Deutschland ohne die höheren US-Zölle bei +0,5 % landen können.

Flexible und dynamische Wirtschaft

Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass dieser Zuwachs am Ende trotzdem erreicht wird. Denn mit dem Deal hat die Wirtschaft nun vorerst mehr Planungssicherheit (zumindest bis Trump das Abkommen wieder aufschnürt, was definitiv nicht auszuschließen ist). Die Unternehmen können sich daher nun (vorerst) darauf einstellen, die Ärmel hochkrempeln und mit den Tatsachen umgehen.

Die Wirtschaft ist dynamisch und die Unternehmen sind sehr flexibel. Sie werden Wege finden, das Wachstum auch mit den Zöllen zu maximieren, womöglich auch, indem sie die Zölle durch eine Anpassung der Produktionsstandorte oder der Lieferketten umgehen.

Sicherlich, jüngst hat es zahlreiche Gewinnwarnungen gegeben – jeweils mit Bezug auf die Zölle. Es ist allerdings denkbar, dass die Gelegenheit genutzt wurde, um den Zöllen die Schuld auch für andere Probleme in die Schuhe zu schieben. So können die Unternehmenslenker wunderbar ihre Hände in Unschuld waschen. Wann, wenn nicht jetzt, wäre der beste Zeitpunkt, um alles Negative in die Geschäftsberichte und Prognosen zu packen, um dann in Zukunft wieder bessere Zahlen zu liefern, nach dem Motto: Seht her, wie toll wir mit den Zöllen letztlich umgegangen sind?!

Fazit

Es herrscht derzeit viel Schwarzmalerei. Unternehmen, Verbände und Politik – von überall kommen Klagen. Aber: Klappern gehört zu Handwerk. Und nicht ohne Grund haben die Aktienmärkte zuletzt nur noch sehr eingeschränkt auf Meldungen zum Handelsstreit reagiert. Die Welt wird an den Zöllen definitiv nicht zu Grunde gehen. Im Gegenteil: Die Belastungen sind überschaubar und beherrschbar.

Wenn es in den kommenden Tagen oder Wochen zu einer Korrektur an den Aktienmärkten kommt, bin ich sehr gespannt darauf, ob diese mit den Zöllen begründet wird. Ich glaube allerdings, dass diese dann einfach der Saisonalität geschuldet ist. Zumal die Aktienmärkte bekanntlich massiv überkauft sind und daher eine Korrektur längst fällig ist.

Übrigens: Fällt Dir auf, dass die US-Börsen in dieser Woche ab Beginn des offiziellen Handels an der Wall Street nicht mehr jedes Mal Kursgewinne erzielen konnten, wie in den Tagen und Wochen zuvor? Wechselt hier etwa gerade das Anlegerverhalten? Das solltest Du genau im Auge behalten!

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