Kommentar
07:24 Uhr, 11.08.2016

Mini-Inflation: So löst sich das Problem von alleine

Die Geldpolitik konnte bisher keine Inflation erzeugen. Das wird sie auch nicht mehr. Dafür kann etwas ganz anderes zu einem Inflationsschub führen.

Die Erhöhung der Geldmenge alleine erhöht die Inflationsrate nicht

Viele warten seit Jahren darauf, dass die Geldpolitik zu einem Anstieg der Inflation führt. Nicht nur Notenbanken warten darauf, sondern auch viele Anleger. Gold als Schutz vor einem Inflationsanstieg ist nach wie vor beliebt, wobei Edelmetalle inzwischen auch als Schutz vor Negativzinsen gesehen wird.

Was die Geldpolitik in den letzten Jahren nicht geschafft hat – nämlich Inflation zu erzeugen – wird sie auch nicht mehr schaffen. Es kommt nicht auf die Menge an Geld an, sondern auf das, was damit geschieht. Liegt Geld einfach nur herum, wie es derzeit der Fall ist, beeinflusst es die Nachfrage nicht. Erst, wenn Haushalte und Unternehmen von dem billigen Geld Gebrauch machen und z.B. Kredit aufnehmen, um es zu investieren, kommt es zu einem Nachfrageanstieg und zu Inflation.

Die Notenbanken drucken zwar Unmengen an Geld, doch sie investieren es nicht in Güter, sondern in Finanzanlagen, vor allem Anleihen. Die Preise von Anleihen steigen (=die Rendite sinkt). Solange die Notenbanken aber keine Autos oder sonstige Güter kaufen und neue Fabrikhallen bauen, bleibt die Teuerungsrate für Güter von der Geldmenge absolut unberührt.

Zentralbanken wollen Investitionen attraktiver machen

Nach der Finanzkrise ging es Notenbanken mit ihrer Geldpolitik um zwei Dinge: erstens sollten die Zinsen sinken, um Investitionen attraktiver zu machen; zweitens sollten die niedrigen Zinsen einen Schuldenkollaps verhindern. Letzteres ist bisher gelungen, ersteres noch nicht.

Trotz extrem niedriger Zinsen wird nicht investiert. Keiner kann die Gründe dafür genau erklären, denn wenn sich ein Unternehmen um 4 % Geld leihen kann, dann zahlen sich auch Investitionen mit einer erwarteten Rendite von 6-8 % aus. Da nicht investiert wird, gibt es entweder nicht ausreichend renditeträchtige Projekte, die 6 % oder 8 % abwerfen oder Unternehmen haben zu hohe Renditeerwartungen.

In den USA wurde in dieser Woche eine Studie veröffentlich, in der davon berichtet wird, dass Unternehmen Renditen von durchschnittlich 14 % für Investitionen erwarten. Je nachdem, welche Bonität ein Unternehmen hat, kann es sich jedoch derzeit Geld für 2-10 % besorgen. Für Unternehmen, deren Kosten bei 7 % oder weniger liegen, hätten eigentlich einen exzellenten Return on Investment. Das reicht anscheinend nicht.

Man kann nur vermuten, woran das liegt. Es liegt wahrscheinlich daran, dass Unternehmen einen besonders hohen Return erwarten, um eine hohe Sicherheitsmarge zu haben. Die Marge wird gebraucht, um eine Fehlkalkulation bei der Rendite aufzufangen.

Produktivitätsrückgang durch niedrige Investitionen

Die geringen Investitionen in den vergangenen Jahren führen bereits jetzt zu einem Rückgang der Produktivität. Darüber hatte ich bereits berichtet. Lesen Sie dazu auch: Produktivität sinkt - Lebensstandard steigt!

Ein Rückgang der Produktivität führt letztlich zu einer höheren Inflation. Dahinter steht eine einfache Logik: gesundet die Wirtschaft wieder – das ist in den meisten Ländern der Fall – kommt es sinkender Arbeitslosigkeit. Das ist von den USA über Spanien und sogar bis hin zu Italien zu beobachten.

Arbeiten mehr Menschen und steigt damit das Gesamteinkommen in einer Volkswirtschaft, steigt auch die Nachfrage. Da in den vergangenen Jahren nicht investiert wurde, kann die steigende Nachfrage nicht durch Produktivitätssteigerungen bedient werden. Es werden mittelfristig mehr Menschen eingestellt, um die Nachfrage zu befriedigen.

Reallöhne wachsen

Früher oder später führt dies zu einem Reallohnwachstum. In Ländern, in denen die Erholung schon länger anhält (z.B. USA und Deutschland), ist dieser Trend gut zu beobachten. Vereinfacht kann man dann sagen: steigen die Löhne um 2 %, die Produktivität bleibt jedoch stabil, dann beträgt die Inflation 2 %.

Steigt die Inflation in einem Währungsraum schneller als in einem anderen, dann wertet die Währung, in der die Inflation schneller steigt, ab. Eine Abwertung der Währung wiederum übt weiteren Preisdruck aus. Produktivität und Inflation stehen in einem engen Zusammenhang. Besonders schön sieht man dies anhand des Produktivitätswachstums in den USA und dem Dollarindex (Grafik 1).

Der Dollar Index bewegt sich in großen Zyklen mit der Produktivität. Um noch genauer zu sein: der Wechselkurs bewegt sich wie das Produktivitätsdifferential zwischen zwei Ländern. Ein Beispiel ist in Grafik 2 abgebildet. Hier sieht man den Dollar-Pfund Kurs und den Unterschied des Produktivitätswachstums. Wuchs die Produktivität in Großbritannien langsamer als in den USA (negativer Wert der orangenen Linie), dann wertete das Pfund ab.

Lesen Sie dazu auch: Wie weit wird das britische Pfund abstürzen?

Die mangelnden Investitionen werden langfristig für erheblichen Inflationsdruck sorgen. Das gilt allerdings nur für Länder, die tatsächlich wachsen. In Japan gilt das nicht. Die Nachfrage in Japan schrumpft mit der Bevölkerung. Langsames Produktivitätswachstum bzw. ein Rückgang der Produktivität wird im Prinzip gebraucht, um die sinkende Nachfrage auszugleichen. Würde die Produktivität in Japan rasch steigen, dann käme es zu einem Deflationsschub (es wird mehr Output bei gleichzeitig sinkender Nachfrage produziert).

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Bei einer anhaltenden Normalisierung wie wir sie in den USA sehen, wird es zu höherer Inflation kommen. In der Eurozone kann man davon nicht automatisch ausgehen. Einige Länder halten die Inflation zurück (z.B. Italien), während die wirtschaftliche Dynamik in anderen Ländern (z.B. Deutschland) positiv für die Inflation ist.

Die Geldpolitik ist für die Inflation derzeit ziemlich irrelevant. Relevant ist der Unterschied zwischen Nachfrage- und Produktivitätswachstum. Dieser spielt der Inflation in die Hände. Es wird deswegen nicht gleich morgen zu einem Inflationsschub kommen. Er baut sich langsam auf. In den USA könnte es bald soweit sein. Das wäre dann mehr als 8 Jahre nach Beginn der Finanzkrise. Es ist also kein schneller Prozess.

Man muss den Unternehmen schon fast dankbar dafür sein, dass sie so wenig investiert haben. Hätten sie aus dem Vollen geschöpft, dann würde die Wirtschaft weitaus länger unter Überkapazitäten leiden.

Clemens Schmale

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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