Kommentar
16:18 Uhr, 22.04.2010

Markt testet Griechenhilfe

Finanzmärkte haben die Neigung politische Bekenntnisse auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. Nun gibt es natürlich keine organisierte Bewegung der unzähligen Marktteilnehmer. Was sich hier ausdrückt, ist das schlichte Misstrauen gegenüber der Ernsthaftigkeit politischer Absichten. So wie die Bürger trauen auch die Finanzmärkte der Politik nicht mehr, in diesem Fall ablesbar an den weiter steigenden Renditen für griechische Staatsanleihen. Die laufende Verzinsung für Papiere mit zehnjähriger Laufzeit stieg gestern auf über acht Prozent und zieht aktuell weiter an. Der Markt will quasi sehen, dass die EU-Regierungschefs und der IWF es ernst meinen. Einfach ausgedrückt: Sie wollen die Hilfen in Form von Geldflüssen sehen, bevor sie es glauben.

Die fortgesetzten Spekulationen auf eine Pleite Griechenlands und Parallel dazu die ebenfalls anziehenden Renditen für Portugal setzen den Euro wieder unter Druck, wobei auffällt, dass er nur noch unterproportional verliert, denn die neuen Höchststände bei den Renditen und Kreditversicherungen (CDS) für Helenen-Bonds werden bisher nicht begleitet von neuen Jahrestiefständen im Euro. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Bewegung an Dynamik verliert und vielleicht doch ihrem Ende entgegen geht. Endgültig eingeleitet könnte dies durch ein klares Handeln von Euroland und IWF werden. Durch das nach oben Treiben der Zinskosten für die Schuldenaufnahme Griechenlands zwingt der Finanzmarkt beide Institutionen quasi zu einem klaren Bekenntnis. Denn entweder lässt man Griechenland fallen und dann wahrscheinlich auch aus dem Euro ausscheiden, oder man greift nun beherzt ein. Denn wenn sich die Eurozone schon dazu entschließt zu helfen, dann muss sie es nun so entscheiden tun, damit der Spekulation der Boden entzogen wird. Ansonsten geht ein Großteil der Hilfen für Griechenland für Zinszahlungen drauf, was die Kosten am Ende erheblich erhöhen würde. Hieran kann niemand der Beteiligten ein Interesse haben.

Ich glaube, dass es zu diesem Bekenntnis in Bälde kommen wird, spätestens nach den Wahlen in NRW am 9. Mai. Noch ist die Eurozone nicht so weit, Mitglieder fallen zu lassen, und dank Deutschland auch reich genug, diese Hilfen zu schultern. Auch wenn ich erneute Jahrestiefstkurse für die Gemeinschaftswährung nicht ausschließen will, aktuell fehlen hierzu nur noch rund 50 Cent, ein deutlichen Rutsch halte ich aus technischer und fundamentaler Sicht eher für unwahrscheinlich. Einen echten Wendepunkt würden tatsächliche Hilfen für Griechenland darstellen. Dies wäre dann auch ein positives Signal für Gold und für Aktien, wenn der Gleichlauf sich fortsetzt wie bisher.

Stefan Riße, ist Deutschlandchef und Chefstratege von CMC Markets. Bekannt ist er durch seine jahrelange Tätigkeit als Börsenkorrespondent für den Nachrichtensender N-TV. Sein aktuelles Buch „Die Inflation kommt“, ist bereits jetzt ein Bestseller.

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