Kommentar
17:53 Uhr, 17.07.2014

Makroprudentielle Maßnahmen - so löchrig wie die französische Verteidigung

Die Maginot-Linie galt als eine von genialen Planern erschaffene, unüberwindbare Verteidigungsanlage, die Frankreich vor der zunehmend drückenden Übermacht Deutschlands schützen sollte und das Land in trügerischer Sicherheit wog, welche dann 1940 brutal enttäuscht wurde

Für mindestens ebenso trügerisch hält Richard Fisher, Chef der Dallas Fed, die Hoffnung, dass es möglich sei, über ein Regulierungsbollwerk die systemischen Risiken aus dem Bankensektor zu eliminieren, wie er gestern in einer gewohnt unterhaltsamen Rede zum Ausdruck brachte:

Macroprudential supervision is something of a Maginot Line: It can be circumvented. Relying upon it to prevent financial instability provides an artificial sense of confidence.“

Es ist bemerkenswert, wie sich Fisher damit diametral zu Janet Yellen positioniert, die sich - um ihre ultralockere Geldpolitik nicht aufgeben zu müssen - eben auf genau jene makroprudentielle Aufsicht verlassen will, um zukünftigen Krisen zu begegnen.

Wie können die umfassenden Regulierungen umgangen werden?

Die Maginot-Linie erwies sich als sehr personalintensiv und war, um die Offensivfähigkeiten der französischen Armee nicht zu gefährden im Norden - ähnlich wie der "fedsche Firewall" - nicht vollständig ausgebaut. Fisher:

„The Federal Reserve and the banking supervisory authorities used to oversee the majority of the credit system by regulating depository institutions; now, depository institutions account for no more than 20 percent of the credit markets.

Wenn also Yellen den Willen bekundet, das Finanzsystem durch Regulierungen des Bankensektors vor unliebsamen Überraschungen schützen zu wollen, dann nimmt sie damit laut Fisher eine offene Flanke in der Größenordnung von 80 % des Kreditmarktes in Kauf. Im Vergleich dazu wirkt selbst das damals löchrige Verteidigungssystem der Franzosen ziemlich wasserdicht.

Der Texaner hält es deshalb nur für eine Frage der Zeit, bis die Märkte in ihrem Hunger nach Rendite die Lücke finden werden, welche den regulatorische Komplex der Fed ad absurdum führen wird:

„Markets discount risk liberally if they are under the spell of a presumed central bank “put” that will diminish the risk of loss. They will continually seek a financial Belgium or some other venue to bypass the protective wall that macro-financial supervision and oversight bodies such as the FSOC are believed to represent, however fortified.“

Fighting the last war

Ein konzeptionell grundlegender Fehler der Maginot-Linie war im Übrigen, dass die falschen Lehren aus der erfolgreichen Verteidigung Frankreichs am Festungsring von Verdun gezogen wurden. Mit dem Bau wappnete man sich ironischerweise gegen einen längst vergangenen (und erfolgreich beendeten) Krieg und übersah dabei die Möglichkeit eines massiven Panzerangriffes nahezu komplett.

Ähnliches wirft Fisher indirekt Yellen vor, indem er ihr unterstellt, eine Schlacht gegen mittlerweile längst nicht mehr vorhandene Deflationsbedrohungen zu führen und dabei den Samen für unkalkulierbare Risiken in der Zukunft zu säen:

„We did a good job in staving off the deflationary and depression risks that were present in the aftermath of the 2007–09 financial crisis. We now risk falling into the trap of fighting the last war rather than the present challenge.

Charles De Gaulle

Richard Fisher rechnet in seiner Rede gnadenlos, wenn auch eloquent, mit der Fed ab, und fast scheint es, als wolle sich hier ein Mitverantwortlicher vor dem bösen Tag X die Hände in Unschuld waschen.

Der Rundumschlag wird aber wohl leider eher nicht über den Status einer Randnotiz hinauswachsen, denn der Notenbanker aus Dallas ist ein einsamer Mann. Weder im FOMC, noch unter Ökonomen oder in der Presse besitzt er substanziellen Rückhalt und gilt als tendenziell nicht ernstzunehmender Außenseiter und Ewiggestriger unter den Fed-Chefs - quasi ein amerikanischer Jens Weidmann (unser Bundesbankpräsident).

In dieser Rolle gleicht er übrigens auch – um bei der Analogie zu bleiben – dem berühmten Charles de Gaulle, der von Anfang an ein Gegner der Maginot-Linie war, aber damit auf französischer Seite (die Deutschen lauschten sehr genau) nur auf taube Ohren stieß. Bleibt zu hoffen, dass die Vergleiche hiermit ausgereizt sind, und Richard Fisher das bleibt, was er ist - ein charmanter, harmloser Querkopf mit etwas übertriebenen Befürchtungen.

6 Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • Investor
    Investor

    Ich halte die Befürchtung von Fisher für sehr begründet. Ich würde die Regularien "überwiegend" abschaffen und dafür eine private Haftung mit dem privaten Vermögen der ersten 3 Führungsunternehmen jeder Bank einführen. Ausserdem müssten die Führungskräfte noch eine Ausfallversicherung über x% des Bankrisikos abschliessen. Danach würden die Aktionäre und die Gläubiger in die Haftung kommen.

    Das Problem ist die "Monokultur" beim Risikomanagement bedingt durch Basel und die Aufsichtsbehörden. Dadurch erhöhen sich die systematischen Risiken im System.

    Gleichzeitig würde ich ein Insolvenzrecht bei Banken einführen, bei der die Positionen zwischen zwei Banken genettet werden. Dadurch können die Banken Risiken verteilen und bei einer Insolvenz sind die effektiven Haftungssummen werden kleiner und verkraftbar. Dazu analog wie in der Realwirtschaft, würde ich auch ein Haftungsrisiko bei Krediten an Hedgefonds einführen.

    Durch diese Maßnahmen kämen soviel Kontrollen ins System, daß das System einzelne Bankinsolvenzen verkraften könnte.

    15:07 Uhr, 17.07. 2014
    1 Antwort anzeigen
  • Löwe30
    Löwe30

    Sehr geehrter Herr Hauser,

    Ihre Einschätzung: "Bleibt zu hoffen, dass die Vergleiche hiermit ausgereizt sind, und Richard Fisher das bleibt, was er ist - ein charmanter, harmloser Querkopf mit etwas übertriebenen Befürchtungen." teile ich nicht, denn die Befürchtungen von Richard Fischer halte ich für sehr begründet. Ich kann auch nicht verstehen, dass man nun von Seiten der FED durch die makroprudentiellen Maßnahmen ledig versucht fehlgeschlagene Regulierungen wie die Senkung der Zinsen, die den Marktteilnehmern falsche Signale gegeben haben und zu Fehlallokarionen führten, nun durch noch mehr Regulierung Herr werden will.

    Zu diesem Thema empfehle ich Interessenten den Artikel von Thorsten Polleit hier: http://www.misesde.org/?p=8032

    Zitat: "Die makroprudentielle Überwachung wird alle wichtigen betriebswirtschaftlichen Entscheidungen der Banken durch staatliches Regulierungswerk ersetzen. Sie läuft damit auf eine Verstaatlichung des Banken- und Finanzsystems hinaus – die Verstaatlichung des Kredits, wie es bereits Karl Marx in seinem Kommunistischen Manifest im Jahr 1848 gefordert hat."

    Wozu brauchen wir dann eigentlich noch private Banken? Dann kann doch die Zentralbank gleich die Kredite an den Staat geben, wie Gregor Gysi und andere Linke es fordern und wozu bei der Kreditvergabe an Private den Umweg über Geschäftsbanken?

    Passend dazu auch die Maßnahmen der EZB:

    Zur Rettung der Wirtschaft in der Euro Zone will die EZB nun Asset-Backed-Securities (ABS) von Banken übernehmen. Aktuell liebäugelt die EZB mit ABS-Käufen in Höhe von 1 Billion Euro. In diese ABS sollen Banken dieses mal keine Hypothekenkredite verpacken, wie einst die US-Banken es taten, sondern Kredite, die sie an Unternehmen vergeben, womit die Banken ihr Risiko an die EZB weiterreichen und die EZB dafür den Banken Geld gibt, welches die sie aus dem Nichts geschöpft hat. Nun sollte sich inzwischen ja auch bis zur EZB herumgesprochen haben, was die Spatzen von den Dächern pfeifen, nämlich dass ABS jene Massenvernichtungswaffe war, die zur Immobilienkrise in den USA führte und die Welt an den Abgrund brachte. Das Ergebnis ist vorhersehbar: Ein Wirtschaftsboom in Europa, der den Keim für eine noch größerer Krise in sich trägt, als die, welche wir bisher hatten.

    14:13 Uhr, 17.07. 2014
    1 Antwort anzeigen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Simon Hauser
Simon Hauser
Redakteur

Simon Hauser hält für Guidants News die Stellung in North Carolina und sendet aus sicherer Entfernung zur Wall Street Echtzeitnachrichten in die Welt. Leider spielen die Kennzahlen der Wirtschaftsteilnehmer oft nur eine untergeordnete Rolle und werden dominiert von einem hysterischen Medienzirkus, punktundkommalosem Zentralbank-Blubber, und mysteriösen Algo-Kreaturen. Simon Hauser hat über die Jahre als aktiver Börsenteilnehmer ein krudes Interesse für diese Dinge, welche in einer perfekten Welt eigentlich keine Rolle spielen sollten entwickelt, und versucht (mit wechselndem Erfolg) zu ergründen was die Kurse wirklich treibt.

Mehr Experten