Kommentar
17:53 Uhr, 31.03.2015

Lockere Geldpolitik: So stark werden Sparer enteignet

Sparen macht im Moment keinen Spaß. Es bringt ja auch nichts. Die Zinsen sind zu niedrig. Die Konsequenz: Milliardenverluste.

Streng genommen werden Sparer nicht enteignet. Für eine Enteignung bekommt man einen Ausgleich. Wenn man keinen Ausgleich bekommt, dann handelt es sich um Konfiskation. Letzteres passiert tagtäglich. Die Geldpolitik sorgt dafür, dass die theoretisch möglichen Gewinne konfisziert werden. Fürs Sparen gibt es einfach nichts mehr. Die Notenbanken und Staaten kommen damit davon, weil es sich um die Konfiszierung zukünftiger Einnahmen handelt. Das merkt keiner sofort und man fühlt sich so auch weniger beraubt, als wenn der Staat einfach Geld vom Konto abbuchen würde.

Überall auf der Welt wird darüber geredet, dass Sparer durch die Geldpolitik benachteiligt werden. Intuitiv stimmt das. Die Geldpolitik ist so außergewöhnlich und manipulativ, dass man die Konsequenzen kaum leugnen kann. Die Frage, die schwieriger zu beantworten ist: wie stark werden wir denn beraubt?

Wenn man wissen will, wie viel Sparern an Zinsen entgeht, dann muss man den fairen Zinssatz kennen. Das ist natürlich nur ein theoretisches Konstrukt. Es gibt letztlich nur die aktuellen Zinssätze, die man beobachten kann. Was ist, das gilt. Alles andere sind Überlegungen, die ihre Berechtigung haben. Sie bleiben allerdings theoretisch. Trotzdem sollte man diese Überlegungen anstellen. Dann wird das ganze Ausmaß der aktuellen Politik offensichtlich.

Zunächst muss man klären, wie hoch der faire Zinssatz eigentlich sein sollte. Der Ökonom John Taylor hat dazu eine Regel aufgestellt. Über diese Regel wird derzeit besonders in den USA heftig debattiert. Es wird wohl nicht soweit kommen, aber es gibt Unterstützung für den Vorschlag, die Leitzinsen an die Taylor Regel zu binden. Die Notenbank müsste dann den Zins so setzen, dass er dem Taylor-Zinssatz entspricht.

Wieso das derzeit heftig debattiert wird, zeigt unten stehende Grafik. Sie stellt die tatsächliche Fed Funds Rate dem theoretischen bzw. Zielzins gegenüber. Dieser berechnet sich aus den langfristigen Realzinsen, der Inflation, der Lücke zum Inflationsziel und dem Output Gap (tatsächliches BIP Wachstum zum möglichen Wachstum).

An der Berechnung des Taylor Zinssatzes sieht man, dass es viele Möglichkeiten gibt, das Ergebnis zu beeinflussen. Ist das Inflationsziel nicht 2%, sondern 5%, dann verändert sich der Zielzinssatz erheblich. Mit den aktuellen Zielen, die die Fed ausgegeben hat, ergibt sich der Zinssatz in der Grafik. Insgesamt war der Verlauf von Taylor Zins und Fed Funds Rate in der Vergangenheit parallel. Erst seit 2010 driften sie stark auseinander.
Unterstellt man, dass die Taylor Regel den fairen Zinssatz bestimmen kann, dann werden Sparer seit Jahren um hohe Zinseinnahmen betrogen. Für die USA lassen sich Werte um 500 Mrd. errechnen. Das ist der entgangene Zins. In Europa sieht es nicht viel anders aus. Sparer, die Geld auf dem Sparbuch haben, sind die offensichtlichen Verlierer. Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch die, die von den niedrigen Zinsen profitieren. All jene, die Schulden haben, werden begünstigt. Niedrige Zinsen transferieren Geld von denen, die (Geld-)Vermögen haben, zu denen, die Schulden haben.

Wenn man behauptet, Sparer würden betrogen oder enteignet, dann stimmt das nur zur Hälfte. Es gibt ja auch genügend Institutionen und Menschen, die profitieren.

Sparern sind in den USA ca. 500 Mrd. an Zinseinnahmen entgangen. Dafür haben Unternehmen, Staat und verschuldete Bürger über eine Billionen USD an Zinsausgaben gespart. Das ist sehr viel mehr als der Zinsentgang. Die Rechnung ist damit aber noch nicht am Ende. Viele Unternehmen haben beträchtliche Vermögen. Dazu zählen insbesondere Versicherungsunternehmen. Diese legen ihre Assets, die letztlich zum großen Teil den Kunden gehören, sicher an. Sicher heißt in diesem Zusammenhang, dass oftmals mehr als 50 oder 60% in Staatsanleihen stecken. In Europa sind Versicherungen (und damit Kunden) über 400 Mrd. entgangen.

Rechnet man die Zahlen zusammen, dann ergibt sich mehr oder minder eine Null. Der Zinsentgang des einen ist die Ersparnis des anderen. Die Kernfrage ist vielmehr, ob der Transfer von Sparern zu Schuldnern (sehr oft der Staat) fair ist. Diese Frage muss man sich vor allem stellen, wenn man bedenkt, dass die Renten und anderen Leistungen des Staates nicht gerade zunehmen. Das bedingt die Notwendigkeit höherer privater Vorsorge, einerseits, weil der Staat weniger leistet, andererseits, weil sich Erspartes weniger verzinst.

Der einzige Ausweg, den Sparer und Anleger haben, ist die Verschiebung ihres Vermögens in risikoreichere Anlageklassen. Das sehen wir in den USA seit Jahren und nun auch in Europa. Dort geht die Rechnung dann wieder auf. Anstatt Geld aufs Sparkonto zu bringen, müsste man Aktien kaufen. Das bringt zumindest mittelfristig einen sehr viel größeren Gewinn als die Zinsen auf dem Sparbuch, egal wie hoch das generelle Zinsumfeld ist. Je nach Zeithorizont sind Gewinne durch Aktien sehr unsicher. Selbst wenn man also in risikoreichere Anlageformen geht, kann am Ende ein dickes Minus stehen.

In den letzten Jahren hatte man fast den Eindruck, die Märkte könnten nur steigen. Wir wissen aber, dass das nicht ewig so sein wird. Nachdem nun aber immer mehr Anleger in risikoreichere Assets gedrängt werden, bedeutet dieser Shift langfristig eine deutlich höhere Volatilität. Diese Volatilität wird sich nicht nur auf dem Depotauszug zeigen, sondern auch in der Wirtschaft. Um heute ein bisschen mehr Stabilität herbeizuführen riskiert man hohe, strukturelle Volatilität in der Zukunft. Wie hoch die Kosten dafür sein werden ist noch ungewiss. Intuitiv kann man vermuten, dass die zukünftigen Kosten höher sind als die heutigen Vorteile.

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19 Kommentare

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  • markuss
    markuss

    ich habe die Umschichtung verstanden und werde in Kürze eine selbstbewohnte Immobilie zu niedrigen Zinsen finanzieren. Mir blieb leider kein anderer Ausweg, auch wenn ich nicht unbedingt kaufen wollte.

    11:09 Uhr, 01.04. 2015
  • Chronos
    Chronos

    An Clemens Schmale. Der Artikel kam zu früh. 1ter April ist heute und das wäre was für´s WE.

    Ein Hoose! ;-)

    10:31 Uhr, 01.04. 2015
  • Arnim
    Arnim

    Mit Sicherheit ein Aspekt. Inwieweit Zinsen ethisch sind, gälte es noch zu thematisieren

    Gibt ja genügend Menschen die aus ethischen oder ökonomischen Gründen den Zins ablehnen.

    Das Hauptproblem sind aber die Zweitrundeneffekte. Ist der Zins null dann explodiert der Immobilienmarkt. Jeder meint eine Immobilie kaufen zu können oder zu müssen. Zu müssen um den horrenden Mietsteigerungen ausweichen zu können, denn der Vermieter muss ja eine vernünftige Verzinsung auf das eingesetzte Kapital erzielen bzw. es wird ihm vorgegaukelt das das möglich wär. Und schon findet eine weitere Verdrängung von den Besitzenden zu den nicht Besitzenden statt. Willst du wohnen und hast du kein Eigentum musst du zahlen und das nicht zu knapp.

    Nachdem nun über Jahre die Unterschicht durch Minilöhnen ausgeplündert wurde geht es nun der nichtbesitzenden unteren Mittelschicht an den Kragen.

    Ich wette darauf dass dieser Prozess hier nicht stoppen wird. Als nächstes ist die besitzende mittlere Mittelschicht mit Zwangsabgaben auf Immobilienbesitz, einem implodierenden Aktienmarkt und Steuern auf Sparguthaben an der Reihe.

    Draghi will ran an die Sparguthaben der Deutschen - rette sich wer kann !

    07:18 Uhr, 01.04. 2015
  • Easytrade
    Easytrade

    "Was aber tun, wenn die EZB trotz ihrer Unabhängigkeit schädlich agiert?"

    Ganz einfach - Anleihen ausgeben und nicht zurückzahlen, wie´s die Griechen beispielhaft vormachen!

    20:01 Uhr, 31.03. 2015
  • whynot
    whynot

    Und der 2. Diebstahl, der dann später folgen wird, ist, wenn aufgrund dieser Geldflut dann die Inflation so richtig anzieht. Und keiner kann der EZB Einhalt gebieten, sie ist ja politisch unabhängig. War mal ein guter Gedanke um politischen Mißbrauch zu verhindern. Was aber tun, wenn die EZB trotz ihrer Unabhängigkeit schädlich agiert?

    19:35 Uhr, 31.03. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • midgard
    midgard

    "Wenn man keinen Ausgleich bekommt, dann handelt es sich um Konfiskation" Dann ist doch Steuern zahlen auch nur eine Konfiskation. Da bekommt man auch nichts als Gegenleistung. Halt, doch!: wir bekommen einen Draghi und eine Merkel. Aber ist das ein Ausgleich?

    19:31 Uhr, 31.03. 2015
    10 Antworten anzeigen
  • bembes
    bembes

    Ein guter Bericht welcher zeigt, dass Super-Draghi ein Dieb ist. Wenn ein Verbrecher eine Bank überfallt und 10.000 €uro als Diebesgut kassiert, wird er von den Justizbehörden verurteilt. Und was darf DRAGHI ?....der darf alles !!!!!

    So ein Schwachsinn und wol bleiben die Super-Politiker !!

    18:54 Uhr, 31.03. 2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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