Kommentar
11:07 Uhr, 10.09.2018

Lassen verrücktspielende Computer den Markt abstürzen?

Immer mehr Hedgefonds wollen mit künstlicher Intelligenz Geld an den Finanzmärkten verdienen. Doch im laufenden Jahr haben die KI-Fonds nicht etwa Geld verdient, sondern Geld verbrannt. Die Krise der computergesteuerten Hedgefonds könnte auch etwas mit den jüngsten Turbulenzen an den Märkten zu tun haben.

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Künstliche Intelligenz ist derzeit der letzte Schrei an den Finanzmärkten. Vor allem Hedgefonds setzen auf die selbstlernenden Computer, um Geld an den Märkten zu verdienen. Im Gegensatz zu „normalen“ Handelsalgorithmen“, bei denen Menschen vorgeben, unter welchen Bedingungen ein bestimmtes Wertpapier gekauft oder verkauft wird, sind die KI-Anleger darauf ausgelegt, selbständig nach Chancen zu suchen und mit entsprechenden Positionen auf bestimmte Kursentwicklungen zu wetten.

Die Computer können dabei oft riesige Datenmengen in hoher Geschwindigkeit auswerten. Die Entscheidungskriterien der Maschinen sind dann häufig so komplex, dass selbst die menschlichen Programmierer oft nicht verstehen, aus welchem Grund die KI nun eine bestimmte Kauf- oder Verkaufsentscheidung trifft.

Doch die selbstlernenden Computer sind keineswegs Gelddruckmaschinen. Das zeigt sich in diesem Jahr immer deutlicher. Unter dem Strich haben die KI-Fonds in diesem Jahr nicht etwa Geld verdient, sondern Geld verloren. Das zeigt der Eurekahedge AI Hedge Fund Index, der die Performance von insgesamt 13 Hedgefonds abbildet, die bei ihren Anlageentscheidungen künstliche Intelligenz und selbst lernende Computer einsetzen. Nachdem der Index in den vergangenen Jahren immer zulegen konnte, geht es seit Anfang 2018 abwärts. Seit Jahresbeginn hat der Index rund 0,71 Prozent eingebüßt.

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Doch einzelne der KI-Hedgefonds hat es offenbar noch deutlich schlimmer erwischt. Wie Bloomberg berichtet, wird ein erste KI-Hedgefonds, der mit großen Ambitionen erst vor zwei Jahren gestartet war, nun liquidiert. Dies teilte Sentient Investment Management seinen Anlegern mit. Der KI-Hedgefonds setzte insgesamt zwei Millionen Computer-Prozessoren und mehr als 5.000 Grafikkarten an weltweit 4.000 Orten ein, um Kursbewegungen vorherzusagen. Die riesige Rechenmenge erzeugte dabei mehrere Billionen an virtuellen Tradingprogrammen. Nach einem Verfahren, dass der biologischen Evolution nachempfunden ist, wurden dabei immer die erfolgreichsten Tradingprogramme am Leben gelassen und konnten dabei sogar „Nachkommen“ erzeugen, die ähnlich handelten wie ihre Eltern. Die erfolglosen Tradingprogramme wurden hingegen gelöscht. Insgesamt verfolgte der Hedgefonds, der weniger als 100 Millionen Dollar schwer war, eine marktneutrale Aktienstrategie, bei der immer sowohl auf steigende als auch auf fallende Kurse bei verschiedenen Einzelwerten gesetzt wird.

Doch trotz des komplexen Ansatzes verdiente der KI-Hedgefonds kaum Geld. Nach einer mageren Rendite von vier Prozent im Jahr 2017 konnte 2018 laut Bloomberg überhaupt kein Geld mehr verdient werden. Ob der Hedgefonds insgeheim vielleicht sogar viel Geld verloren hat, ist nicht genau bekannt.

Die Krise der KI-Anleger zeigt ein typisches Problem von Hedgefonds. Oft setzen diese Anlagevehikel auf winzige Ineffizienzen am Markt. Um diese kleinen Ineffizienzen profitabel handeln zu können, müssen die Hedgefonds sehr hohe Hebel (hohe Leverage) einsetzen, sich also hoch verschulden, um neben dem Eigenkapital auch noch riesige Mengen an Fremdkapital für ihre Wetten einsetzen zu können. Solange die identifizierten Ineffizienzen erhalten bleiben, erzielen Hedgefonds mitunter hohe Renditen. Doch ändert sich plötzlich die Verhaltensweise der Marktes, zum Beispiel weil Korrelationen aus der Vergangenheit plötzlich nicht mehr gelten, dann reichen wegen des hohen Hebels oft geringe Kursverluste aus, um das Überleben des Hedgefonds zu gefährden. Dabei macht es kaum einen Unterschied, ob die Anlageentscheidungen von menschlichen Hedgefondsmanagern oder von Computern getroffen werden.

Die Erfolglosigkeit der KI-Anleger seit Jahresbeginn könnte auch etwas mit den Turbulenzen des Gesamtmarktes zu tun haben. Diese Vermutung äußerte die US-Investmentbank J.P. Morgan bereits im März. Denn der Markteinbruch ab Ende Januar fiel zeitlich zusammen mit der schwachen Performance der KI-Anleger, die im Februar 2018 mit einem Minus von mehr als sieben Prozent den schlechtesten Monat ihrer Geschichte verbuchten.

Für private Anleger haben die Probleme der KI-Fonds allerdings auch etwas Tröstliches. Wenn professionelle Anleger mit zwei Millionen Computerprozessoren offenkundig keine sinnvollen Anlageentscheidungen treffen können, dann sind Gewinne, die mit deutlich weniger Aufwand dem Markt abgerungen wurden, umso höher zu bewerten. Während die KI-Fonds seit Jahresbeginn Geld verbrannt haben, konnte der breite US-Aktienindex S&P 500 in der gleichen Zeit um mehr als sieben Prozent zulegen.


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10 Kommentare

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  • Johnny Depp
    Johnny Depp

    "Die Erfolglosigkeit der KI-Anleger seit Jahresbeginn könnte auch etwas mit den Turbulenzen des Gesamtmarktes zu tun haben. Diese Vermutung äußerte die US-Investmentbank J.P. Morgan bereits im März. Denn der Markteinbruch ab Ende Januar fiel zeitlich zusammen mit der schwachen Performance der KI-Anleger, die im Februar 2018 mit einem Minus von mehr als sieben Prozent den schlechtesten Monat ihrer Geschichte verbuchten."

    Glauben sie nicht alles, was an so genannten Analysen von den Investmentbanken kommt. Also die KIs erzielten nach der schwachen Performance in 2017 auch im Februar 2018 eine schwache Performance. Nach JP-Morgan Angaben minus 7%. Die schwache Performance der KIs in 2017 war also nicht ursächlich für die starke Performance der Aktienmärkte in 2017. Aber die schwache Performance der KIs im Februar 2018 dann haben etwas mit den Turbulenzen des Gesamtmarktes zu tun? Oh Mann, die schreiben einen bullshit. Mich würde interessieren, ob die bei JP Morgen auch zwei Millionen Prozessoren eingesetzt haben, um zu diesem Ergebnis zu kommen. Mir scheint fast, als wären da noch mehr Prozessoren beteiligt gewesen.

    15:50 Uhr, 10.09.2018
  • While E. Coyote
    While E. Coyote

    Danke für das fortlaufende Beobachten der Situation.Das Ergebnis ist für mich nicht verwunderlich.

    14:22 Uhr, 10.09.2018
  • gruetzi
    gruetzi

    Irgendwann.muss.es.doch.crashen!!!

    In der Tat muss man nicht immer alles rosarot sehen. Aber wie kommt man denn nur dazu, alles jahrelang so rabenschwarz zu sehen, wie es in Ihren Artikeln dargestellt wird?

    aus: https://www.godmode-trader.de/...

    US-Märkte vor dem Crash? (2015) https://www.godmode-trader.de/...

    Die größte Blase aller Zeiten (2016) https://www.godmode-trader.de/...

    Wann kommt der Crash? (2017) https://www.godmode-trader.de/...

    Crash-Warnung: Warum der Dow-Jones um 69% fallen dürfte (2018) https://www.godmode-trader.de/...

    Crash oder Boom: Dieser Indikator verrät es (2018) https://www.godmode-trader.de/...

    Crash Signal: US-Markt muss um mindestens 50% fallen. (2018) https://www.godmode-trader.de/...

    Achso seit 2015 liegt der DOW übrigens ca. 50% vorne. :)

    13:51 Uhr, 10.09.2018
    1 Antwort anzeigen
  • maykaefer
    maykaefer

    Wie sagte Kostolany: GARBAGE IN GARBAGE OUT !!!

    13:31 Uhr, 10.09.2018
  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Das ernüchternde Abschneiden der KI-Computer im Börsengeschäft erinnert an das bekannte Zitat des Mathematikers und Physikers Isaac Newton:

    Ich kann zwar die Bahn der Gestirne auf Zentimeter und Sekunde berechnen, aber nicht, wohin eine verrückte Menge einen Börsenkurs treiben kann.

    12:28 Uhr, 10.09.2018
  • Shiller
    Shiller

    Wer investiert verdient, wer tradet verliert (auch KI).

    11:32 Uhr, 10.09.2018
  • Trendtracker
    Trendtracker

    Wäre dann nicht ein passenderer Titel gewesen, dass KI- Hedgefonds kein Geld verdienen? Ich kann in dem Artikel keine Indikation finden, dass dadurch die Märkte abstürzen? Was sowieso absurd wäre, weil 'traditionelle' Fonds Dutzende von Billionen USD bewegen, während dieses Nischensegment im Vergleich dazu mit Kleingeld hantiert.

    11:21 Uhr, 10.09.2018
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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