Kommentar
19:42 Uhr, 15.04.2014

Kursrutsch - Was geht in den Köpfen der Investoren, Nostro- und Arbitage-Händler vor?

250 FDAX Punkte im Laufe des Nachmittages, wobei sich der Abgabedruck zunehmend verstärkte. Und das "nur" wegen der Ukraine? Und warum erholt sich der FDAX am Abend wieder? Was ging in den Köpfen der Akteure vor sich? Heute ein etwas "anderer" Handelsrückblick.

Erwähnte Instrumente

  • DAX
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    Aktueller Kursstand:   (XETRA)

Heute einmal ein etwas "anderer" Handelsrückblick. Der FDAX gab in kurzer Zeit massiv nach, was Fragen im Stream aufwarf. Folglich soll auf diese Fragen kurz eingegangen werden.

Tagesrückblick

Ukraine und nochmals Ukraine. Sorgen vor einem sich entwickelnden Bürgerkrieg prägen heute Nachmittag das Gesamtbild in den Aktienmärkten, wobei Europa und dort Deutschland die rote Laterne ganz vorn mittragen.

Was passiert hier gerade? Händler, Investoren und Fondsmanager können sich aktuell nicht wirklich vorstellen, was in der Ost-Ukraine passiert. Wir wissen nicht, ob es sich um eine Eskalation handelt, welche wieder einzudämmen ist oder ob die Sache ausufert. Bekommen wir wieder Zustände, wie zu Zeiten des Kalten Krieges oder kann die Sache heiß werden? In unserem Ereignishorizont ist ein solches Szenario nicht abgespeichert. Nur eines ist sicher: die relevanten Rahmendaten werden unsicher.

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Folglich reagieren die professionellen Akteure an der Börse unterschiedlich, aber nach einem überschaubaren Ablaufmuster:

Fondsmanager / Investoren / Versicherungen:

Diese Gruppen haben das wohl größte Problem mit der Unsicherheit. Diese Gruppen sind im Markt investiert und halten Aktienbestände, welche sie in „ruhigen“ Zeiten händeln können, die in „hektischen“ Zeiten jedoch zum Problem werden. Stellen Sie sich vor, Sie sind in Größenordnungen im Markt investiert, die Sie nicht in kurzer Zeit schadlos im Markt verkaufen können, ohne den Kurs völlig zu zerstören. Was tun? Man sichert sich ab über den Future, der ist liquide und spiegelt den Gesamtmarkt wieder. Man nennt eine solche Methode „Texas Hedge“. Es werden große Mengen an Futures geshortet, um ein Delta-Äquivalent zur bestehenden Position aufzubauen. Das heißt, es wird eine Situation angestrebt, wo eine Gegenposition die Ursprungsposition im Risiko spiegelt (oder zum Teil spiegelt) und damit zumindest das Verlustrisiko reduziert (natürlich auch Gewinnchancen auf der Gegenseite rausnimmt). Man will also möglichst die Position klein halten, ohne sie abbauen zu müssen. Das ist IMMER die ERSTE MASSNAHME. Die Bestände verkaufen kann man dann später noch immer und dreht diese langsam gegen den Future raus.

Beruhigt sich die Situation wieder, können die Futures auch wieder eingedeckt werden, um den Hedge herunterzufahren (zu verkleinern). Solche Maßnahmen zeichnen sich aus durch stetig fallende Kurse, welche kaum Reaktionen zulassen. Da die Orders heute Nachmittag erst gegeben wurden, ist aggressiv verkauft worden, um die notwendige Futures-Menge auch im Markt unterbringen zu können. Da in Krisenzeiten jedoch „alle“ Investoren das „gleiche Problem“ haben, kommt es mitunter zu Kursabschlägen, die erstaunlich sind und vielleicht nicht wirklich zu dem auslösenden Ereignis passen.

Technische Indikatoren können solche „Sondersituationen“ kaum sinnvoll erfassen, dafür wurden diese nicht konzipiert. Es gibt ohnehin meist nur eine Richtung. Somit sind Extremzustände angezeigt, welche sich erst abbauen, wenn die Order abgebaut ist und der / die Investoren ihr Risiko im gewünschten Maße gestutzt haben. Das geht natürlich zu Lasten ihrer Performance.

Würde sich die Situation wieder rasch entschärfen oder mindestens nicht weiter eskalieren, so dass sie im „Ereignishorizont“ der Investoren ihren „Platz“ findet und „als normal“ eingestuft wird, kann es auch wieder rasch nach oben gehen, wenn die Futures zurückgekauft werden, ohne dass Aktien im Verkauf dagegenstehen.

Warum reagierte der Markt vergleichsweise spät? Einige Hedge-Aktivitäten werden schon im Laufe des frühen Nachmittages begonnen haben, doch schlägt es im Markt meistens erst durch, wenn die Gegenseite (meist die Indexarbitrage oder der Eigenhandel) bemerkt, dass da „mehr Ware“ als üblich kommt, dann ziehen sich diese Marktteilnehmer meist zurück. Damit wird der Markt zunehmend einseitig belastet, was dann weitere Investoren auf die Verkaufsseite zwingt.

Nostro-Händler:

Nostro-Händler „spekulieren“ mit dem Eigenkapital der Bank und stellen Liquidität im Markt. Dabei bewegen diese sich in einem abgesteckten Risikorahmen, der gewisse Parameter umfasst. Dies sind maximale Verlustvorgaben, aber auch Vorgaben zu maximalen Positionsgrößen, zu akzeptierten Marktvolatilitäten, innerhalb derer noch gearbeitet werden kann usw.. Werden solche Parameter erreicht oder Überschritten, sind die Risiken zu reduzieren oder der Handel zeitweilig auszusetzen.

Phasen, in denen z.B. wie heute bestimmte Parameter überstiegen werden, führen entweder dazu, dass Nostro-Händler den Markt verlassen oder ihre Positionsgrößen reduzieren und / oder sich auf die Seite der Herde (Investoren) stellen und damit das Tempo der Impulsrichtung beschleunigen. Auf jeden Fall fallen diese auf der Gegenseite der Investoren meist aus, was die Liquidität und Aufnahmebereitschaft des Marktes ausdünnt. In der Konsequenz verstärkt sich der Abschwung.

Indexarbitrage:

Händler der Indexarbitrage nutzen Schwankungen des Spreads zwischen Kasse und Future aus, um Arbitragegewinne zu realisieren. Verringert sich der Spread unter das theoretische / rechnerische Maß, wird Future gekauft und Kasse gegeben, läuft der Spread auseinander, wird Kasse gekauft und Future gegeben.

In Phasen wie heute, in denen der Markt beschleunigt nachgibt, würde die Indexarbitrage verlieren, wenn sie zeitgleich versucht, Kasse und Future zu handeln, da die Bewegung beider Produkte mitunter zu uneinheitlich läuft, als dass eine sinnvolle Arbitrage möglich wird. Konsequenterweise wird die Indexarbitrage entweder eingestellt oder der Arbitragehändler wird zum „Spekulanten“, wenn er den Future vorwegschickt, in Erwartung, die Kasse deutlich tiefer einzudecken. Oder er gibt die Kasse (was deren Abverkauf beschleunigt) und stellt tiefer größere Future-Kauforder in den Markt, was wir heute zwei / drei Mal in der Abwärtsphase gesehen haben.

Hören die Hedge-Orders auf, weil sie abgearbeitet sind, normalisiert sich das Marktverhältnis wieder. Mitunter kommt dann sogar wieder Nachfrage hinein, weil die Nostro-Händler bzw. jene Akteure, welche sich an die Verkäufe angehangen haben, Teile ihrer short-Positionen wieder einsammeln.

Soweit ein kurzer Einblick in das, was heute geschah.

Wir handelten heute solange mit, bis die Verkaufslawine einsetzte und die 9.300 unterschritt. Wir zogen uns im Anschluss aus zwei Gründen zurück: (1) die Schwankungen nahmen in der Form zu, das wir kein sinnvolles CRV mehr eingehen konnten und (2) hatten wir unser Tages-Ziel erreicht, so dass wir kein weiteres Risiko mehr eingehen wollten.

Unsere heutigen Trading-Ergebnisse lauten wie folgt:

Entry Short mit 9.341,50 / Exit mit 9.334 / 9.334 und 9.340 (+ 7,50 FDAX Punkte)

Entry Short mit 9.303,50 / Exit mit 9.293 / 9.291 und 9.284 (+19,50 FDAX Punkte)

Entry Short mit 9.277 / Exit mit 9.287 (-10 FDAX Punkte)

Entry Long mit 9.285 / Exit 9.295 / 9.299 / 9.335 (+50 FDAX Punkte)

Entry Short mit 9.300 / Exit mit 9.306 / 9.306 / 9.306 (-6 FDAX Punkte)

Entry Long mit 9.327 / Exit mit 9.337 / 9.317 / 9.317) (-10 FDAX Punkte)

Gesamtergebnis: plus 51 FDAX - Punkte

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3 Kommentare

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  • Sehr interessant. Stark auch, dass Sie Ihre Fehltrades eintragen. Es ist ja zutiefst unehrlich, hier nur von den "100 Punkte Gewinnen" zu erzählen, aber die Downside zu verschweigen..

    23:42 Uhr, 15.04. 2014
    1 Antwort anzeigen
  • einervonvielen5
    einervonvielen5

    Herr Wagner,

    Vielen Dank für die wertvollen Informationen.

    Ich ziehe meinen Hut vor ihnen, ihre Arbeit hier bei Godmode ist wirklich außerordentlich.

    Hoffe dass ihr Dienst hier lange bezahlfrei bleibt.

    Wenn überlege ich ihn zu abonnieren ;)

    21:41 Uhr, 15.04. 2014

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Über den Experten

Uwe Wagner
Uwe Wagner
Technischer Analyst und Trader

Uwe Wagner arbeitete bereits während seines Wirtschaftsstudiums als Maklergehilfe an den Börsen in Berlin, Wien und Madrid. 1991 trat er dann in die Deutsche Bank AG ein, wo er eine fundierte Ausbildung im Wertpapier- und Derivatehandel erhielt – in Frankfurt/Main sowie in Chicago im International Trading Institute unter dem bekannten Warenhändler Toni Saliba. Innerhalb der Deutschen Bank AG durchlief Wagner diverse Etappen im Handelsbereich. So betreute er als DTB Market Maker zunächst diverse Werte, verantwortete anschließend den Options- und Future-Handel in der Deutsche Bank S.A. in Madrid und mehrere Jahre die spekulative Verwaltung von Teilen des Eigenkapitals der Bank über DB Advisor. Wagner baute innerhalb der Deutsche Bank AG das damals erste Internet-Tool für Technische Marktanalysen (dbS-Trade) auf und führte den systembasierten Handel in Future-Märkten. Sein Schwerpunkt liegt seit über 20 Jahren auf dem FDAX und dem Bund-Future-Markt, den er täglich analytisch seziert, um daraus Handelsszenarien zu entwickeln und diese dann auch aktiv umzusetzen. Seit 2003 lebt und arbeitet Wagner in Hamburg. Uwe Wagner ist aktiv im FDAX und Bund-Future tätig.

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