Kommentar
07:20 Uhr, 04.11.2025

USA: Shutdown und (k)ein Ende

Der Government-Shutdown in den USA scheint kein Ende zu nehmen. Das könnte nun doch bald zum Problem für Wirtschaft und Börsen werden.

Der Government Shutdown in den USA, also der Regierungsstillstand, ist in seinen zweiten Monat gegangen. Und so wie es aussieht, wird er der längste der Geschichte werden. Doch irgendwann muss bzw. wird er enden. Die Frage ist nur, wann.

Eine "ewige" Blockade?

Aus Sicht von US-Präsident Trump und seinen regierenden Republikanern könnte diese Blockade anscheinend noch "ewig" weitergehen – konkrete Schritte, um ihn zu beenden, gab es jedenfalls bisher nicht. So kam z.B. das US-Repräsentantenhaus zuletzt am 19. September zusammen. Seitdem weigert sich der republikanische Vorsitzende der Kammer ("Speaker"), Mike Johnson, die Abgeordneten einzuberufen.

Dafür werden unterschiedliche Gründe genannt, aber Fakt ist, dass ohne eine Abstimmung in den beiden Kammern des US-Kongresses – Senat und Repräsentantenhaus – ein neues Haushaltsgesetz nicht verabschiedet werden und damit der Shutdown nicht beendet werden kann.

Nun haben die Republikaner im Repräsentantenhaus die (knappe) Mehrheit und können ein entsprechendes Gesetz in ihrem Sinn einfach beschließen. (Was sie vor Beginn des Shutdowns auch getan haben.) In der zweiten Kammer des Kongresses, dem Senat, ist aber die Zustimmung von mindestens 60 der 100 Senatoren erforderlich. Zwar haben die Republikaner hier ebenfalls die Mehrheit, aber nur mit 53 der 100 Sitze. Sie sind also auf mindestens sieben Stimmen der demokratischen bzw. unabhängigen Senatoren angewiesen, die diese jedoch bisher verweigern.

Die Märkte lässt der Shutdown weiter kalt

Insofern ist es formal korrekt, wenn Trump bzw. die Republikaner die Demokraten als die "Schuldigen" am Shutdown bezeichnen. Doch da die Rechtslage diesen Ablauf so vorsieht, nützen Lamentieren und Schuldzuweisungen wenig. Am Ende muss es zu einer Einigung kommen. Und wenn die "Präsidentenpartei" – wie aktuell die Republikaner – auch in beiden Kongresskammern die Mehrheit hat, ist die Haushaltsabstimmung oft die einzige Möglichkeit der Opposition, eigene Akzente zu setzen.

Anfang Oktober, zu Beginn des Shutdowns, hatte ich auf eine Aussage der Helaba verwiesen, wonach an den Finanzmärkten nur eine zweiwöchige Dauer des Shutdowns eingepreist wäre (siehe Börse Intern vom 6.10.2025). Ich hatte mich damals schon verwundert darüber gezeigt und eine solch kurze Dauer als "blauäugig" bezeichnet.

Tatsächlich scheinen die Märkte auf die lange Dauer eingestellt gewesen zu sein, denn sie stört sie offenbar nicht, wie die Rally bei Aktien und die Stabilität bei Anleihen seit Oktober zeigen. Das könnte sich unter Umständen ändern. Denn auch andere Effekte sind durch einen anhaltenden Shutdown möglich, die auf die Märkte einwirken und damit uns Anleger betreffen können.

Der Shutdown-Effekt auf die Konjunktur

Letztlich gibt es zwei Effekte, die für Wirtschaft und Märkte relevant sind: Erstens drückt ein längerer Shutdown die US-Wirtschaftsleistung (BIP) und damit potenziell auch Umsätze und Gewinne der Unternehmen. Die betroffenen Angestellten der US-Regierung, die inzwischen seit mehr als einem Monat keine Gehälter bekommen (von rund 750.000 Menschen ist die Rede), konsumieren weniger, insbesondere bei Grundnahrungsmitteln und anderen Waren des täglichen Bedarfs. In den Medien wird nun von einem stärkeren Zulauf bei Lebensmittelhilfen berichtet, der auf den Shutdown zurückgeführt wird.

Die zurückgehaltenen Gehälter werden zwar später nachgezahlt, aber Brötchen, Steaks und anderes, dass jetzt nicht gekauft wurde, wird ja später nicht nachgeholt. Solche Ausgaben fallen also ersatzlos weg, z.B. auch Restaurantbesuche und andere Ausgaben, die leicht zu vermeiden sind.

Das Thanksgiving-Problem

Und damit kommen wir zu einem Ereignis, das bisher wenig mitgedacht wird: Thanksgiving. Dieser Feiertag, der in den USA als der wichtigstes des Jahres gilt, fällt auf den 4. Donnerstag im November, in diesem Jahr also auf den 27. November. Thanksgiving ist aber nicht nur wegen des opulenten Truthahn-Essens bekannt, sondern vor allem als Familienfest, zudem die Familienmitglieder aus allen Teilen der USA zusammenkommen.

Sie reisen also, und Reisen kosten ebenso Geld wie ein großes Familienessen (zumal die Familientreffen sich in der Regel über das folgende Wochenende erstrecken). Man kann sich also leicht ausmalen, wie Stimmung und Treffen bei den Familien ausfallen, die von einem dann zweimonatigen Shutdown betroffen sind.

Diese Familien werden auch kaum an der üblichen Shopping-Orgie teilnehmen, die sich üblicherweise ab Thanksgiving abspielt – Stichwort "Black Friday". Für die Einzelhändler ist dies das wichtigste Verkaufswochenende des Jahres, und der Name "Black Friday" für den Freitag nach Thanksgiving geht bekanntlich auch auf das Gerücht zurück, dass die Händler durch die Verkäufe an diesem Tag endlich auf Jahressicht in die schwarzen Zahlen kommen.

Der Handel dürfte not amused sein

Der Handel – egal, ob stationär oder online – dürfte also not amused sein, wenn das wichtige Thanksgiving-Verkaufswochenende wegen des Shutdowns zumindest teilweise ins Wasser fällt. Zumal die Händler inzwischen seit Jahren dazu übergegangen sind, schon ab Mitte November eine "Black Week" und Ähnliches auszurufen, um möglichst früh von der Shoppinglust zu profitieren. Auch solche Aktionen dürften bei anhaltendem Shutdown wohl ernüchternd ausfallen.

Falls das Weiße Haus und die Republikaner ähnliche Überlegung hinsichtlich Thanksgiving anstellen, sollte es spätestens nächste Woche zu einer Einigung im Kongress und einem Ende des Shutdowns kommen – zumindest einem vorläufigen. Schließlich müssen die Behörden nach dieser langen Pause erst einmal wieder "ans Arbeiten" kommen, sodass es unter Umständen ein paar weitere Tage dauert, bis z.B. alle Regierungsangestellten ihr Geld bekommen.

Der Shutdown-Effekt auf die Geldpolitik

Allerdings könnten die Republikaner auch ein anderes Kalkül haben, nämlich den zweiten möglichen Effekt eines Shutdowns, der geldpolitisch ist. So will Präsident Trump bekanntlich weiter sinkende Zinsen von der Fed. Dies hat Fed-Chef Powell aber nach der jüngsten Zinssenkung im Oktober in Frage gestellt.

Doch Powell und die Fed haben nach Ansicht von Ökonomen nur dann eine Wahl, wenn sie bis zu ihrer nächsten Sitzung im Dezember belastbare Daten insbesondere vom US-Arbeitsmarkt haben. Sie haben aber bestenfalls die Daten von September (die vermutlich weitgehend vollständig vorliegen und Anfang Oktober wegen des Shutdowns nur nicht veröffentlicht wurden). Die Oktober-Daten müssten jedoch spätestens bis Mitte November erhoben werden, um aussagefähig zu sein.

Das wird schon knapp, wenn der Shutdown in dieser Woche endet; falls er weitergeht, wird es illusorisch. Die Fed bliebe dann im Blindflug. Und wegen der beschriebenen potenziellen konjunkturellen Delle durch den Shutdown müsste sie daher wohl prophylaktisch im Dezember erneut die Zinsen senken. Und je länger der Shutdown dauert, umso eher dürfte zumindest die Tauben-Fraktion in der Fed bereit sein, sogar einen "großen" Zinsschritt von 0,5 statt der üblichen 0,25 Prozentpunkte vorzunehmen.

Was die Massen sagen

Und mit diesem Kalkül im Hinterkopf verwundert es auch nicht, dass auf der Wett- und Prognose-Plattform Polymarket das Ende des Shutdowns mit mehr als 50%-iger Wahrscheinlichkeit erst nach dem 16. November erwartet wird. Danach wäre der kalkulierte Endtermin sogar erst Anfang Dezember!

Zur Einordnung: Bei Polymarket setzen die Teilnehmer Geld auf ihre "Wetten" bzw. Prognosen. Trotz einer gewissen mutmaßlichen Zockermentalität darf man also unterstellen, dass die Aussagen die tatsächlichen Meinungen widerspiegeln ("Weisheit der Vielen"). Wodurch oft auch die tatsächlichen Ereignisse korrekt vorausgesagt werden – Polymarket war eine der wenigen Quellen, welche den Ausgang der Präsidentschafts- und Kongresswahlen 2024 in den USA richtig vorhersagte, also Donald Trump als Sieger sah – im Gegensatz zu den meisten klassischen Umfragen.

Allerdings muss man in diesem Fall einschränken, dass beim Shutdown – anders als bei Wahlen – nicht die Meinung der Massen maßgeblich ist, sondern das Handeln der Politiker. Und hier mag es Unterschiede zwischen öffentlicher Einschätzung und politischen Resultaten geben.

Wie reagieren die Märkte?

Wie auch immer – die Frage ist, wie weit insbesondere die Aktienmärkte einen Shutdown auf dem Schirm haben, der bis Ende November oder noch länger dauert bzw. wie sie reagieren werden, wenn es tatsächlich dazu kommt. Gewöhnlich achten die Investoren recht genau auf die Verkaufsergebnisse des Thanksgiving-Wochenendes und zeigen ihre (Un-)Zufriedenheit zumindest mit kurzfristigen Kursausschlägen an.

Es erscheint also ratsam, in den kommenden Tagen und Wochen außer der Quartalsberichtssaison auch die politische Entwicklung in den USA im Auge zu behalten, um den weiteren Verlauf an den Aktienmärkten abschätzen zu können: Ein absehbares baldiges Ende des Shutdowns könnte den Kursen womöglich einen weiteren Schub verleihen, ein Andauern dagegen die Kurse abbröckeln lassen.

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen