Keine Änderung der EZB-Zinssätze in Sicht
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San Mateo (GodmodeTrader.de) - Die jüngsten optimistischen Äußerungen Mario Draghis, des Präsidenten der Europäischen Zentralbank, lösten an den weltweiten Finanzmärkten, die scheinbar erste Signale für eine Kursänderung der Notenbanker wahrzunehmen schienen, eine unmittelbare Reaktion aus. Matthias Hoppe, Senior Vice President und Portfolio Manager, Franklin Templeton Multi-Asset Solutions, warnt jedoch davor, zu viel in die Worte Draghis hineinzuinterpretieren und legt den Anlegern nahe, einen nuancierteren Ansatz zu verfolgen.
Die Finanzmärkte in Europa und anderen Teilen der Welt schienen die optimistischen Äußerungen Mario Draghis, des Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), im letzten Monat als Beleg dafür angesehen zu haben, dass das Ende der lockeren Geldpolitik in der Region in Sicht sei, heißt es in einem aktuellen Marktkommentar. „Wir sehen dies kritischer und gehen davon aus, dass die Reaktion auf Draghis Äußerungen voreilig sein könnte. Auch wenn die EZB das Volumen ihrer Anleihenkäufe bei der Überprüfung dieser Maßnahmen Ende 2017 verringern könnte, rechnen wir insbesondere nicht mit einer bevorstehenden Änderung der Zinssätze, und auch nicht mit einer formalen ‚Drosselung‘, die die Festlegung auf einen Endpunkt für das Anleihenkaufprogramm in Höhe von monatlich 60 Milliarden Euro impliziert“, so Hoppe.
Draghis Äußerungen vom 27. Juni in seiner Eröffnungsrede auf dem EZB-Forum zum Zentralbankwesen in Sintra, Portugal, schienen ein zu optimistisches Bild der Wirtschaft der Eurozone zu zeichnen. Die Märkte hätten seine positive Beurteilung wörtlich genommen und auf einen möglichen Schritt hin zur Drosselung durch die EZB spekuliert oder auf die Festlegung eines Zeitplans für den Ausstieg aus ihrem Wertpapierkaufprogramm bis Anfang 2018. In den vier Tagen unmittelbar nach der Rede habe sich der Euro gegenüber dem US-Dollar um mehr als zwei Prozent verteuert. Angeführt von französischen Staatsanleihen sei es bei den Renditen auf Anleihen aus der Eurozone zu einer deutlichen Korrektur und dem stärksten Anstieg seit fast sieben Monaten gekommen. In Deutschland habe die Rendite auf zweijährige Bundesanleihen zugelegt, und die Rendite auf zehnjährige Anleihen sogar noch mehr. Dies habe zu einer Versteilerung der Renditekurve geführt, heißt es weiter.
„Nach unserer Auffassung könnte die Reaktion des Marktes auf die Äußerungen Draghis die Zuversicht des EZB-Präsidenten überspitzt haben. Zwar waren die jüngsten Konjunkturdaten weitgehend positiv, und die politischen Risiken wurden nach den Wahlen in Frankreich und Deutschland zerstreut, doch wir halten die jüngsten Inflationszahlen sowohl in der Eurozone als auch den USA für enttäuschend. Überdies dämpfte der Markt die Inflationserwartungen weiter, unter anderem durch die Verringerung der mittelfristigen Breakeven-Sätze in den vergangenen Wochen. Daher dürften jegliche Maßnahmen der EZB schrittweise und behutsam erfolgen. Und in der Tat wird bei Betrachtung von Draghis Rede deutlich, dass er hinsichtlich der Inflation weit weniger optimistisch klang, als mancher Beobachter vermutete“, so Hoppe.
Draghi habe festgestellt, dass der Mechanismus der Übertragung von höherer Nachfrage auf steigende Inflation im Vergleich zu vergangenen Zyklen eingeschränkt sei. Drei Gründe seien von Draghi hierfür genannt worden: externe Preisschocks, die Größe der Produktionslücke und ihre Auswirkung auf die Inflation und das Ausmaß, in dem die aktuelle Inflation in die Preis- und Lohnbildung einfließe. Während die Deflationsgefahr zurückgegangen sein dürfte, hätten sich laut Draghi die Öl- und Rohstoffpreise noch nicht vollständig vom Einbruch in den Jahren 2014 und 2015 erholt und wirkten sich nach wie vor negativ auf die Inflation aus. Weiterhin fehle ein deutlicher Aufwärtstrend bei den Preisen, heißt es weiter.
„Der zweite Aspekt, der auf der Inflation laste, sei die unklare Beziehung zwischen der Größe der Produktionslücke (Abweichung zwischen der tatsächlichen Produktion einer Volkswirtschaft und ihrem Produktionspotenzial) und ihrer Auswirkung auf die Inflation. Eine höhere Beschäftigungsquote einerseits und die Abfederung der Produktionskosten durch die Unternehmen mithilfe niedrigerer Margen andererseits könnten dies teilweise erklären. Überdies fließe, so Draghi, eine fortgesetzte Phase niedriger Inflation auf hartnäckigere Weise in den Prozess der Preis- und Lohnbildung ein. Er nennt Italien als Beispiel für die von ihm so genannte ‚rückwärtsgewandte Lohnindexierung‘, die sich mittlerweile auf rund ein Drittel der Beschäftigten des dortigen Privatsektors erstreckt“, so Hoppe.
Vor diesem Hintergrund habe Draghi in seiner Rede betont, dass die EZB „beharrlich sein muss“ und gewährleisten müsse, dass die allgemeinen Finanzierungsbedingungen den Reflationsprozess weiterhin fördern, bis die Bedingungen „nachhaltiger und selbsttragend“ seien. Diese Botschaft habe im Einklang mit der Pressekonferenz gestanden, die von Draghi nach der Juni-Sitzung des EZB-Rates abgehalten worden sei, heißt es weiter. „Daher halten wir die Reaktion des Marktes für überzogen. Auch wenn wir durchaus mit einer Aufwertung des Euro rechnen, wenn das Zinsgefälle zwischen US-Schatzanleihen und deutschen Bundesanleihen geringer wird, erscheint uns der jüngste Schritt zu schnell gewesen zu sein“, so Hoppe.
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