Kommentar
10:07 Uhr, 30.03.2012

John Law – es werde Geld!

Wer heute in seinen Geldbeutel schaut und darin lauter blaue, braune oder sogar grüne Scheine findet, der freut sich – er freut sich über sein Geld. Wir alle messen dem bunten Papier wie selbstverständlich einen Wert bei, obwohl den meisten wohl intuitiv klar ist, dass die Scheinchen im eigentlichen Sinne wertlos sind. Heutzutage kann man seine Banknoten bei der Zentralbank ja noch nicht einmal mehr in Gold umtauschen lassen, so wie das früher der Fall war. Einzig und allein das Vertrauen darauf, dass Staat und Zentralbank ihre Zahlungsfunktion dauerhaft aufrechterhalten, gibt den bemalten Baumwollscheinen ihren Wert. Das mag töricht klingen, ist aber im Grunde die einzige Basis des Fiatgeld-Systems – ein Konzept, bei dem Geld weder einen innewohnenden materiellen Wert besitzt, noch mit Einlöseverpflichtungen (z.B. in Gold) seitens des Emittenten, sprich Notenbank, verknüpft ist. Die Akzeptanz des Geldes beruht lediglich auf dem Glauben der Leute an die Akzeptanz anderer Leute, die wieder an die Akzeptanz der Leute glauben, die an die Akzeptanz… Klingt komisch, funktioniert aber!

Warum aber bezahlen wir heute eigentlich mit diesen auf Vertrauen beruhenden Papierscheinen und nicht mehr mit Gold- oder Silbermünzen, wie das ganze Zivilisationen von uns taten? Die Idee von ungedecktem Papiergeld geht auf einen Mann zurück, der nicht nur als Ökonom und Geschäftsmann, sondern auch als Frauenheld und Spieler bekannt war und sogar als flüchtiger Mörder gesucht wurde. Der 1671 in Schottland geborene John Law hat im frühen 18. Jahrhundert das französische Finanz- und Wirtschaftssystem revolutioniert, saniert und schließlich doch ruiniert. Als Lebemann und begabter Mathematiker gab sich der junge Law dem Glücksspiel hin und verkehrte in der High Society. Gemäß damaliger Tradition duellierte er sich – angeblich um die Zuneigung einer Frau – mit einem Widersacher. Das Degenduell gewann er zwar, seine Freiheit verlor er hingegen – als Mörder wurde er zum Tode verurteilt. Dem Schotten gelang die Flucht und nach einigen Zwischenstationen in halb Kontinentaleuropa landete er schließlich in Paris, wo er sich Kontakt zu Regierungskreisen aufbauen konnte und schließlich sein Konzept des ungedeckten Papiergeldes in die Tat umsetzte.

Als Sohn eines Goldschmieds und Geldverleihers kam John Law bereits als Jugendlicher mit wirtschaftlicher Aktivität in Berührung. Diese Erfahrungen und seine Vorliebe für Glücksspiel und Mathematik sind wohl ursächlich für sein frühes Interesse am Geld. Standardmäßig wurde zu damaliger Zeit mit Goldmünzen bezahlt – ein Umstand, der Law zu denken gab. Wenn die Begrenztheit des Rohstoffes Gold dazu führt, dass der Staat weniger Münzen prägen kann und die im Umlauf befindlichen Münzen dadurch immer mehr an Wert gewinnen, dann gibt sie keiner mehr aus – morgen wären sie ja noch mehr wert. Die Argumentation ist gleichbedeutend mit heutigen Auseinandersetzungen zum Thema Deflation. Weiter sinnierte Law, dass so kein reger Handel zustande kommen könne, es fehle schlicht am Geld. Seine Lösung des Problems war seinerzeit ebenso kühn wie revolutionär: Kaufleute sollten anstatt von Goldstücken nur noch Papiergeld von der Bank bekommen, welches sie in unbegrenztem Umfang herstellen kann. Dafür gründete Law mit königlicher Erlaubnis 1716 die Banque Générale, die heutige Zentralbank Frankreichs.

Anders als heutzutage hatte man damals zunächst kein solch großes Vertrauen in die Werthaftigkeit von bedruckten Zetteln, also musste man das Papier an zwei Versprechen knüpfen. Zum einen unterlag dem Papiergeld die Zusage, dass der Staat dieses als Zahlungsmittel, vor allem zur Steuertilgung, akzeptieren würde. Zweitens versicherte die Bank, dass man es jederzeit zu einem festen Kurs in Edelmetalle umtauschen kann; ganz ähnlich dem Goldstandard also. Obwohl zunächst nur einige wenige ihr Gold zur Bank brachten um es in von der Bank ausgegebene Aktien zu tauschen, ging der Plan des Schotten auf. Mit simpler Wahrscheinlichkeitsrechnung kam er zu dem Schluss, dass es quasi ausgeschlossen sei, dass alle Inhaber der Banknoten gleichzeitig ihr Recht auf Umtausch wahrnehmen wollten. Deshalb ließ er trotz der geringen Goldreserven Unmengen von Geldscheinen drucken. Dieses an das Mindestreservesystem erinnernde Konstrukt funktionierte zunächst prächtig – das ungedeckte Papiergeld war geboren. Es schien, als hätte Law den richtigen Ansatz gefunden um die brachliegende Wirtschaft Frankreichs wiederzubeleben: Der Handel blühte wieder auf, Werkstätten bekamen Aufträge und mehr Menschen wieder Arbeit – kurzum, man befand sich im Aufschwung.

Das mittlerweile als königliche Bank mit mehr Machtbefugnissen ausgestattete Institut eröffnete neue Filialen im ganzen Land; das Papiergeld gewann immer mehr an Bedeutung und John Law an Einfluss. Im Sommer 1717 setzte der Schotte einen weiteren Einfall in die Tat um und gründete die Mississippi Kompanie. Das Unternehmen sollte die in Louisiana, im französischen Teil Nordamerikas, vermuteten Edelmetallvorkommen ausbeuten – zur Finanzierung des Vorhabens wurde wieder das Volk beteiligt. Mit frischgedruckten Papiergeld kauften alle, vom Zimmermädchen, über den Kutscher, bis zur feinen Dame, die neuen Anteilsscheine. Der Kurs explodierte schnell auf das 20-fache des Ausgabepreises und plötzlich konnten sich alle alles leisten und soziale Grenzen verwischten. Parallel pumpte Laws Bank immer mehr ungedecktes Papiergeld in den Markt – eine schiere Liquiditätsflut setzte ein. Immobilien, Grundstücke und Schmuck wurden gekauft, alle wollten dabei sein, die Preise schossen in die Höhe.

An dieser Stelle denkt der ein oder andere sicher an ein Wort, das mittlerweile zum festen Bestandteil des Finanz- und Wirtschaftsjargons gehört: Blase. Und wie uns unser aller Erfahrung der letzten Jahre gelehrt hat: eine Blase platzt – früher oder später.

Als die erhofften Erfolgsmeldungen der Mississippi Kompanie ausblieben, keimten in der Bevölkerung erste Zweifel – durchaus berechtigt, sollte es sich doch herausstellen, dass es in Louisiana gar keine Edelmetallvorkommen gab. Law, mittlerweile reichster Mann Europas, druckte noch mehr Papiergeld und kaufte damit selbst Aktien, um den Kurs seines Unternehmens zu stützen. Doch der nun einsetzende Vertrauensverlust der Bevölkerung war nicht mehr auszugleichen. Entgegen aller vorher kalkulierten Wahrscheinlichkeiten wollte nun doch eine ganze Masse von Leuten ihre bedruckten Papierzettel bei der Bank in Gold umtauschen – was dieser nicht möglich war. Das Versprechen war gebrochen, die Geldscheine nichts mehr Wert und der Aufstand der Bevölkerung nicht mehr einzudämmen. Der einst mächtigste Mann Europas war nun Feind des Volkes, fürchtete um sein Leben und floh nach Venedig, wo er wieder als Glücksspieler „arbeitete“ und bald darauf starb.

Die Geschichte des John Law muss zwar ohne Happy End auskommen, seine Idee aber lebt Jahrhunderte später wieder auf. Mit billigem, ungedeckten Geld und niedrigsten Zinsen sorgte der damalige Notenbankpräsident Alan Greenspan in den 1990er Jahren für die wirtschaftliche Wiederauferstehung der USA. Der Immobilienmarkt boomte und auch einkommensschwache Menschen konnten sich ein Heim leisten, welches ihnen stetigen Wertzuwachs zu garantieren schien. Nun wissen wir: Auch diese Blase platzt Jahre später. Ungedecktes Geld gibt es allerdings immer noch – in Gold können Sie ihre Euro, Dollar oder Yen zumindest nicht tauschen.

Heute werfen die Notenbanken wieder die Druckerpresse an und pumpen hunderte Milliarden von Euro in den Markt. Hoffen wir, dass die Herren des Geldes aus den Fehlern John Laws gelernt haben. Und es besser machen.

Wer mehr über die Geschichte John Laws und des ungedeckten Papiergeldes erfahren möchte sollte am Samstagabend erst später aus dem Haus gehen:

„John Law – Der Mann der Papier zu Geld machte“ am 31.03.2012 um 21.05 auf ARTE.

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