Kommentar
08:51 Uhr, 17.09.2013

Bundestagswahl Spezial: Parteien im Anlegercheck

Status Quo oder Regierungswechsel? Worauf sollen Trader und Anleger hoffen? Wir haben die Wahlprogramme der Parteien zur Bundestagswahl auf ihre Börsen- und Anlegerfreundlichkeit hin geprüft und wagen einen Blick auf verschiedene Szenarien und deren mögliche Auswirkungen.

Am 22. September 2013 wird der 18. Deutsche Bundestag gewählt und wieder einmal stellt man sich als Wähler die Frage, wofür welche Partei eigentlich steht. Dank des fleißigen Bäumchen-Wechsel-Dich-Spiels, das in der Politik auf beiden Seiten des Machtäquators nur allzu gerne und häufig gespielt wird, sind die Wahlprogramme in der öffentlichen Wahrnehmung schon meist zu einem Einheitsbrei verkocht. Selten weiter helfen dabei auch die weichgeklopften und nichtssagenden Slogans der Wahlplakate, mit denen die deutschen Städte wie im Wahn zugekleistert werden. Deutliche Unterschiede in den Plänen und starke Kontraste in den grundlegenden Haltungen der Parteien sind oft, wenn überhaupt, nur im Detail zu erkennen. Doch wer macht sich schon die Mühe und liest die zig Seiten langen Wahlprogramme durch, um die für sich wichtigen Punkte herauszufiltern? Mit den Interessen aktiver Anleger und Trader im Hinterkopf haben wir exakt das getan. Wir haben die Bereiche der Parteiprogramme genauer unter die Lupe genommen, die relevant sein können für sofortige und längerfristige Reaktionen der Börsen auf den Wahlausgang in zwei Wochen. Hierfür haben wir nach Unterschieden und Gemeinsamkeiten natürlich in den Bereichen Finanz- und Wirtschaftspolitik gesucht, aber auch Programmpunkte der Energie- und Arbeitspolitik mit eingebunden. Besonderes Augenmerk liegt auch auf den Steuerfragen: Abgeltungsteuer und Finanztransaktionssteuer betreffen Sie als Börsen-Aktive direkt, aber auch Pläne bezüglich Einkommensteuererhöhungen und einer Wiedereinführung einer Vermögenssteuer könnten relevant werden.

Im Blickpunkt stehen die fünf im Bundestag vertretenen Parteien und die sich aus ihnen möglicherweise ergebenden Koalitionsformen. Auch die Auswirkungen von theoretischen Wahlerfolgen der Piraten oder der AfD spielen eine Rolle. Wenngleich aktuelle Umfragen beide Parteien mit drei, beziehungsweise vier Prozent noch unter der Fünf-Prozent-Hürde sehen, ist ein Einzug in den Bundestag für beide alles andere als auszuschließen. Trotz schlechter Umfragewerte der FDP ist eine Wiederauflage der schwarz-gelben Koalition nicht unmöglich, zusammen käme sie derzeit immerhin auf 46 Prozent der Stimmen. Sehr viel unwahrscheinlicher ist hingegen ein klassisch rot-grüner Regierungswechsel – mit aktuell nur 37 Prozent scheint er fast ausgeschlossen. Spielchen wie eine Ampel- (SPD, FDP, Grüne) oder Jamaika-Koalition (Union, FDP, Grüne) sind zwar rechnerisch und farbkompositorisch ganz lustig, faktisch und inhaltlich aber Quatsch. Blieben noch zwei machbare Varianten: Eine große Koalition und eine rot-rot-grüne. Beides schließt die SPD derzeit vehement aus, zumindest in Form ihres Spitzenkandidaten Peer Steinbrück. Etwas anders schwingt da allerdings der Unterton des Vorsitzenden Sigmar Gabriel, der sich insgeheim vielleicht doch noch die Kanzlerschaft innerhalb eines Bundes aus SPD, Grünen und Linkspartei erträumt. Was man jetzt noch als phantasierende Verschwörungstheorie abtun mag, könnte in wenigen Wochen interessant werden – und zwar genau dann, wenn es für keine der klassischen Koalitionsformen reicht. Falls nun aber doch AfD, Piraten oder sogar beide den Einzug in das Parlament schaffen sollten, eröffneten sich ganz neue und wilde Möglichkeiten der Koalitionsbildung. Grund genug also, alle Parteien inhaltlich aufs Korn zu nehmen und auf ihre Anleger- und Börsenfreundlichkeit hin zu prüfen.

Am direktesten spürbar sind für alle Wähler im Allgemeinen und Anleger und Trader im Besonderen mögliche Änderungen in der Steuerpolitik. Während es bei einer Fortsetzung der schwarz-gelben Koalition keine gravierenden Änderungen in der Besteuerung zu erwarten gäbe, fährt die Opposition hier schweres Geschütz auf.

Union und FDP lehnen beide eine Vermögensteuer strikt ab und sehen auch keine Notwendigkeit für Einkommensteuererhöhungen. Beide wollen hingegen die kalte Progression abbauen. Die FDP sieht sogar Spielraum für Steuersenkungen und will den ungeliebten Solidaritätszuschlag bis 2017 loswerden. Steuersenkungspläne sind aber meist mehr Wahlkampftaktik als realpolitische Vorhaben; vor allem, wenn man die Rolle eines Mini-Juniorpartners übernimmt. Die Abgeltungssteuer von 25 Prozent wollen beide Parteien unberührt lassen. Einer Finanztransaktionssteuer in ihrer jetzigen Form stehen die Liberalen skeptisch gegenüber. Nach CDU-Willen solle sie jedoch weltweit eingeführt werden. Aktuell hängt der Entwurf zur Einführung der Steuer in elf EU-Staaten allerdings in Brüssel fest und aus Kreisen hört man, dass es wohl noch etwas dauern wird bis zu ihrer Einführung – wenn sie denn überhaupt noch kommt. Bei einer Wiederwahl der jetzigen Regierung wären also keine einschneidenden Reformen im Steuersystem zu erwarten und auch die Belastung aktiver Trader und Anleger dürfte sich auf absehbare Zeit nicht groß ändern. Anders läge die Sachlage bei einem möglichen Regierungswechsel.

SPD, Grüne und Linke votieren allesamt für Steuererhöhungen auf breiter Front. Forderungen nach einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 49 Prozent (SPD, Grüne) oder gar 53 Prozent (Linke) bei gleichzeitiger Herabsetzung der Einkommensschwellen sind hierbei am lautesten zu vernehmen. Auch das Thema Vermögensteuer treibt die Opposition um. Während die SPD vage von einem „angemessenen Niveau“ spricht, fordern die Grünen eine zeitlich befristete Vermögensabgabe für Nettovermögen größer als eine Million Euro und wünschen danach die Wiedereinführung einer „verfassungskonformen“ Vermögensteuer. Hierbei will die Linkspartei gleich mit fünf Prozent zulangen. Für Börsen-Aktive interessant wird es beim Thema Abgeltungsteuer. Wollen die Sozialdemokraten ihre Anhebung auf 32 Prozent (aktuell 25), fordern Grüne und Linke deren Abschaffung und die Wiedereinführung der Besteuerung mit dem individuellen Steuersatz. Für sehr viele Anleger und Trader stiege die Steuerlast aus Kapitalerträgen somit stark an. Die Finanztransaktionssteuer ist seit jeher ein Kind der Opposition und die Manifestierung der Forderung nach einer „Beteiligung des Finanzsektors“ an der Schuldenmisere. Die SPD will hier alles, also Aktien-, Anleihen-, Derivate- und Devisengeschäfte, mit gleich „niedrigen Steuersätzen“ belegen. Die Grünen treten für eine Differenzierung nach Produktart und Risiko ein, die Linke fordert einen Einheitssatz von 0,1 Prozent auf jegliche Art von Finanzgeschäft. So oder so würde die Steuerlast für Börsen-Aktive unter einer neuen Koalition aus den jetzigen Oppositionsparteien steigen – insbesondere unter einer rot-rot-grünen Regierung wäre mit starken Belastungen zu rechnen.

AfD und Piraten tun sich in ihrem Wahlprogramm nicht gerade als Steuerexperten hervor – das erwartet vermutlich auch niemand von ihnen. Die Euro-Skeptiker-Partei hat das Thema Steuern gar nicht auf der Agenda, während die Piraten das Thema nur unkonkret anschneiden. Es bleibt hier also bei Wundertüten.

Steuer-FAZIT: Die Fortführung der jetzigen Koalition hielte für normale Arbeitnehmer sowie aktive Anleger und Trader aus Steuersicht sicherlich die wenigsten Überraschungen bereit. An den Einkommenssteuersätzen dürfte, wenn überhaupt, nur nach unten herumgedoktert werden – wenngleich man sich von der FDP in dieser Frage keine Wunderdinge in Koalitionsverhandlungen und Umsetzung erwarten sollte. Ebenso bliebe es wohl wie gehabt bei der Abgeltungssteuer von 25 Prozent und auch die Finanztransaktionssteuer dürfte wohl erstmal gut gekühlt in Brüssel auf Eis liegen.

In einer großen Koalition aus Union und SPD dürften sich beide Seiten schwer tun, große Punkte gegen den Willen der jeweils anderen durchzubringen. Am ehesten vorstellbar ist hier noch eine homöopathisch moderate Anhebung der Abgeltungssteuer oder die Anhebung des Spitzensteuersatzes beziehungsweise die Senkung der Einkommensschwelle dafür – alles diente dazu, das Gesicht der Sozialdemokraten vor dem Hintergrund der angekündigten Steuererhöhungen zu wahren. Auch die Finanztransaktionssteuer dürfte leicht mehr (rhetorische) Unterstützung erfahren, wenngleich ein tatkräftig aktives Vorantreiben nicht zu erwarten wäre.

Ganz anders lägen die Dinge bei einer rot-rot-grünen Regierung. Da man sich hier in allen Lagern über Steuererhöhungen einig ist, wären diese quasi vorprogrammiert. Wenngleich eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes um gleich mehrere Prozentpunkte zu erwarten wäre, beträfe sie ebenso wie eine Vermögenssteuer bei weitem nicht alle Anleger und Trader. Kommt das Thema Abgeltungssteuer auf den Tisch, muss man aber hellhörig werden. Hier könnte man zumindest eine deutliche Anhebung erwarten – wenn Kapitalerträge nicht sogar doch, wie von Linkspartei und Grünen gefordert, wieder progressiv besteuert würden. Die meisten Börsianer müssten so oder so einen größeren Teil ihrer Gewinne wieder abgeben. Auch die Finanztransaktionssteuer würde wohl komplett neuen Aufwind erfahren und selbst eine Einführung im Alleingang nach französischem Vorbild wäre nicht auszuschließen. Der Spielraum für Steuererhöhungen auf allen Ebenen wäre unter Einfluss der Linken enorm und kaum frühzeitig vorherzusehen.

Sollte es wider Erwarten doch für eine Koalition aus SPD und Grünen reichen, wären die Grenzen klarer abgesteckt und der Griff in die Tasche der Anleger wohl nicht ganz so groß. Da sich weder AfD noch Piraten eingehend mit der Steuerthematik beschäftigen, wäre ihr Einfluss als möglicher Miniatur-Juniorpartner einer alternativen Regierungsform in diesem Bereich wohl zu vernachlässigen.

Weniger leicht am Papier ablesbar als Steuerpolitik, aber gerade deshalb wohl mindestens genauso interessant für Sie als aktiven Anleger oder Trader, sind etwaige Reaktionen der Börsen auf den Wahlausgang und Auswirkungen der zu erwartenden Politik möglicher Koalitionen auf die Wertpapiermärkte. Am drängendsten für die Börsen europaweit und in Deutschland speziell ist die Frage des weiteren Kurses in der Euro- und Schuldenkrise.

Die Union hält am jetzigen Kurs der Sparpolitik fest und will mit allen Mitteln eine Haftungs-, Schulden- und Transferunion vermeiden – wenngleich, nebenbei bemerkt, die Faktenlage schon längst eine andere Sprache spricht. Eurobonds und ein europäischer Schuldentilgungsfonds werden von den Christdemokraten abgelehnt, harte Auflagen sollen den Sparwillen der Schuldenstaaten sicherstellen. Weitere Rettungspakete wurden jüngst allerdings nicht mehr ausgeschlossen. Die FDP befindet sich in dieser Frage im geistigen Einklang mit ihrem Seniorpartner und versucht sich lediglich als noch entschiedenerer Gegner europäischer Schuldenvergemeinschaftung zu positionieren.

Die SPD hingegen tritt ebenso wie die Grünen für eine gemeinsame Schulterung europäischer Schuldenlasten ein, beide stehen Eurobonds und einem Schuldentilgungsfonds positiv gegenüber. Auch die Linke spricht sich klar dafür aus. SPD und Grüne wollen die europaweite Aufspaltung von Universalbanken in Geschäfts- und Investmentbanken, stehen also für ein Trennbankensystem ein. Die Linke will das Investmentbanking gleich ganz verbieten und private Großbanken verstaatlichen. Sozialdemokraten und Grüne gehen natürlich nicht ganz so weit, wollen dafür aber Eigenkapitalvorschriften drastisch verschärfen und die Haftung für Manager, Aktionäre und Gläubiger von Krisenbanken stark ausweiten. Ebenso wird eine Bankenabgabe für einen europäischen Bankenfonds gefordert. Durchtrennt wird die gemeinsame Haltung der Opposition bei der Frage nach weiteren Schuldenschnitten für Griechenland: Liegt die SPD hier auf Regierungslinie und spricht sich klar dagegen aus, votieren Grüne und Linke dafür. Die Linkspartei nimmt zudem die radikalste Haltung ein in diesem Bereich mit ihrer Forderung nach einer direkten Staatsfinanzierung durch die EZB. Alle drei Oppositionsparteien fordern eine europäische Ratingagentur als Gegengewicht zu der Dominanz der Amerikaner in diesem Gebiet.

Die AfD hat die härteste Einstellung aller Parteien, wenn es um die Zukunft Europas und der gemeinsamen Währung geht. Raus aus dem Euro, zurück zu nationalen Währungen oder kleinen Währungsverbünden, EU-Verträge ändern und zur Not ESM-Kredite blockieren; so lauten die kernigen Forderungen der Euro-Skeptiker-Partei. Auch müsse die EZB ihre Anleihekäufe stoppen. Die EU solle verschlankt werden (was auch immer das bedeuten soll) und eine Transferunion wird abgelehnt. Ein weiterer Schuldenschnitt wird von der AfD aber auch unterstützt. Dafür stimmen auch die Piraten, deren Wahlprogramm zum Thema Finanzkrise und Währungsunion sich überall ein wenig bedient: Eigenkapitalvorschriften für Banken erhöhen, europaweites Trennbankensystem, europäische Ratingagentur, kein Fiskalpakt, eine europäische Bankenaufsicht – aber bitte nicht bei der EZB. Etwas eigenständiger wird ein „Marshall-Plan“ für Europa gefordert und mehr Transparenz in den Handlungen von Rettungsschirmen.

Von gesteigertem Interesse auf nationaler Ebene sind für die Börsen hierzulande die Themenfelder Wirtschaft und Finanzen, Arbeit und Energie. Branchenförderungen und Investitionsklima sind für Unternehmen und damit auch Börsen ebenso von Relevanz, wie das Lohnkostenumfeld oder der Umbau der Energielandschaft in Deutschland.

CDU/CSU setzen ebenso wie die FDP auf den Mittelstand und wollen Existenzgründungen unterstützen. Die Union will gezielt in Zukunftstechnologien wie die Mikroelektronik oder Luft- und Raumfahrt investieren und Investoren von High-Tech-Startups unterstützen. Bei der FDP steht ein starker Bürokratieabbau ganz oben auf der Agenda. Beide stehen zur Schuldenbremse und wollen den Schuldenabbau vorantreiben, die Staatsquote soll hierfür verringert werden. In der Arbeitspolitik lehnt die jetzige Koalition gesetzliche Mindestlöhne geschlossen ab und präferiert hingegen branchenweite Lohnuntergrenzen auf Tarifbasis. Die umstrittene Zeit- und Leiharbeit solle beibehalten werden, allerdings unter stärkerer Reglementierung, um Missbrauch vorzubeugen. Im Zuge der Verringerung des Verwaltungsaufwandes in Deutschland will die FDP sämtliche Sozialleistungen zu einem Bürgergeld zusammenfassen. Im Energiebereich stehen beide Partner für eine weitere steuerliche Entlastung energieintensiver Unternehmen und Rohstoffgewinnung durch das vieldiskutierte Fracking wird zumindest unter starken Einschränkungen in Erwägung gezogen.

Entbürokratisierung haben sich auch SPD und Grüne auf die Fahne beziehungsweise ins Programmheft geschrieben, ebenso wie die Unterstützung von Existenzgründungen. In wichtigen Bereichen der Wirtschaftspolitik sind auch mit der Lupe nur marginale Unterschiede zu den Regierungsparteien zu erkennen. Lediglich in der finanzpolitischen Frage des Schuldenabbaus kommen Differenzen zu Tage. Rot-grün steht für eine Tilgung durch einen nationalen Schuldenfonds. Die Linke setzt sich traditionell für ein stärkeres Auftreten der öffentlichen Hand ein und fordert vermehrte staatliche Investitionen und möchte die Schuldenbremse gleich ganz aus dem Grundgesetz und den Landesverfassungen streichen. Allen drei Oppositionsparteien gemein ist die Forderung nach gesetzlichen Mindestlöhnen. 8,50 Euro fordern SPD und Grüne, zehn Euro sind es gleich bei der Linkspartei. Leiharbeit solle stark eingeschränkt oder nach dem Willen der Linken gleich ganz verboten werden. Spannend wird es bei deren weiteren Forderungen: Hartz IV erstmal rauf auf 500 Euro, um später eine Mindestsicherung von 1050 Euro zu installieren. Garniert wird die Gutmütigkeit dann noch durch den Wunsch nach einer 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Energiepolitisch sind sich SPD, Grüne und Linkspartei einig über den Abbau von Vergünstigungen für bestimmte Branchen, Fracking wird so gut wie ausgeschlossen. Einspeisevergütungen für erneuerbare Energien sollen nach dem Willen der Grünen wie bislang beibehalten werden. Auch im Energiebereich schreit die Linke wieder nach Verstaatlichung; Strom- und Wärmenetze sollen in die öffentliche Hand übergehen.

In Sachen Finanzpolitik tut sich die AfD lediglich hervor durch ihre Forderung nach einer angemessen Berücksichtigung der Haftungsrisiken aus der Rettungspolitik, ansonsten steht auch sie für die Schuldenbremse und Schuldenabbau. Arbeitspolitisch hat sie so gut wie nichts zu sagen und auf Energieebene fordert sie als einzigen Punkt eine Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetz und will entsprechende Subventionen nur noch aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanzieren. Die Piraten fahren in der Wirtschafts- und Arbeitspolitik einen absoluten Schmalspurkurs und reden nur lose von neuen wirtschaftlichen Messgrößen, die sich „am Menschen orientieren sollen“ und wollen einen Mindestlohn in unbestimmter Höhe auf dem Weg zu einer „bedingungslosen Existenzsicherung“. In Energiefragen stehen sie den Grünen durchaus Nahe mit ihren Forderungen nach einer Abkehr von fossilen Brennstoffen und Atomkraft sowie dem Abbau von Steuervergünstigungen. Tatsächliche Anhaltspunkte für eine konkrete Politik gibt weder das Wahlprogramm der Piraten, noch das der AfD her. Auch hier bleibt es also bei Wundertüten.

Börsen-FAZIT: Aus Börsensicht dürfte eine Wiederauflage der schwarz-gelben Regierung am wohltuendsten sein. Zum einen, weil man relative Sicherheit bezüglich des künftigen Euro- und Krisenkurses hätte. Unabhängig von der Richtigkeit oder Wirksamkeit der gefahrenen Politik, welche sich vermutlich erst in Jahren zeigen wird, brauchen die Börsen eine klare Richtung, um Unsicherheiten und Unwägbarkeiten möglichst klein zu halten. Zum anderen bekennen sich beide Parteien zum freien Markt, Subventionsabbau steht im Fokus und Steuererhöhungen dürften zunächst auch kein Thema sein. All dies täte dem Wertpapiermarkt als Manifestierung des Kapitalismus sicher gut. Historisch haben von einem Wahlsieg der Konservativen eher die energieintensiven Branchen, wie Luftfahrt oder Energieerzeugung profitiert. Dank der geplanten Fortführung der Steuererleichterungen für solche Branchen dürfte dies auch diesmal wieder der Fall sein. Allerdings dürfte die Ankündigung, sich vermehrt auf zukunftsweisende Technologien spezialisieren und das Startup-Klima in Deutschland verbessern zu wollen, auch die High-Tech-Industrie zumindest wohlwollend stimmen.

Eine große Koalition würde die Börse wohl auch noch recht locker hinnehmen. Zwar könnte die Finanzbranche bei guter Verhandlung der SPD etwas stärker unter Druck geraten, riesige Neuerungen sind aber nicht zu erwarten. Lediglich das Thema Mindestlohn dürfte einige Branchen mittelfristig intensiver beschäftigen – je nach Übereinkunft einer möglichen Koalitionsvereinbarung. Aber auch hier gilt: Es wird keine Mega-Einschnitte geben.

Das Worst-Case-Szenario aus Anlegersicht ist unumstritten ein Wahlausgang, der auf eine rot-rot-grüne Koalition hindeutet. Unter dem Einfluss der Linken sind dann nämlich markt- und kapitalismusfeindliche Reformen nicht ausgeschlossen. Hohe Mindestlöhne und Teilverstaatlichungen von Banken schwebten dann am Horizont und dürften den Börsianern die gute Laune erst einmal verhageln. Die Finanzbranche insgesamt geriete vermutlich sehr stark unter Druck und auch die energieintensiven Branchen sollten sich dann auf härtere Zeiten gefasst machen – mit entsprechenden sofortigen Reaktionen der Aktienkurse. Auch ein kompletter Kurswechsel in der Euro-Politik wäre im Bereich des Möglichen und damit zunächst einmal Gift für die Börsen. Eurobonds und europäische Schuldenvereinigung wären dann plötzlich wieder brandaktuell.

Ein rot-grüner Wahlsieg dürfte Anleger zwar nicht direkt freuen, die Aussichten wären aber ohne den Einfluss der Linken weniger undurchschaubar und bedrohlich. Dennoch wären die Rahmenbedingungen einer von SPD und Grünen gemachten Politik nicht auf die Börse zugeschnitten – und das würde man dort natürlich antizipieren. Bei einem Einzug der Piraten in den Bundestag stiege die Unsicherheit natürlich an, bei einer (sehr unwahrscheinlichen) Regierungsbeteiligung dürften deren eh schon wenig konkreten Konzepte aber kaum eine Rolle spielen. Anders sähe das bei einem Triumph der AfD aus. Die Unwägbarkeiten mit einer ganz neuen, alternativen Stimme wären enorm. In dem fast ausgeschlossenen Fall einer Regierungsbeteiligung wird es fast unmöglich, einen klaren Kurs vorherzusagen – die alleinige Präsenz der Euro-Gegner im Parlament dürfte schon für starke Unruhe an den Märkten sorgen.

Momentan beschäftigt die Wahl am 22. September die Börsen nur am Rande – zu stark liegt der Fokus derzeit auf Syrien und den Diskussionen um neue Hilfspakete in den Krisenländern. Dennoch wird sich die Aufmerksamkeit auf das Wahlergebnis lenken, spätestens am folgenden Montagmorgen. Natürlich gibt es neben den börsenrelevanten Themen noch viele andere Felder, die Sie als Wähler in Ihrer Entscheidung beeinflussen sollen und werden. An dieser Stelle wurden diese aber bewusst ausgeblendet. Sie als Anleger oder Trader sollten das bei der Antizipation möglicher Kursreaktionen ebenso tun.

Zur Zusammenfassung der Ergebnisse sehen Sie unten eine einfache Grafik, die die Auswirkungen der Politik potentieller Koalitionsformen auf Ihre Steuerbelastung und die mögliche Reaktion der Börsen leicht und anschaulich darstellen sollen.

Mein Tipp: Gehen Sie wählen!

Ihr

Philipp Hagspiel

Bundestagswahl-Spezial-Parteien-im-Anlegercheck-Kommentar-Philipp-Hagspiel-GodmodeTrader.de-1

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