Kommentar
16:07 Uhr, 03.08.2012

5 ToDo's für Facebooks Turnaround

An dieser Stelle hatte ich Mitte April vor dem Facebook Hype gewarnt und meine persönliche, eher negative Einschätzung zum damals noch bevorstehenden IPO geliefert. Nachdem die Kalifornier nun seit gut zweieinhalb Monaten auf dem für sie bis dato zu glatten Börsenparkett schlingern, ist es Zeit für eine Neueinschätzung: 5 ToDo\\'s für Facebooks Turnaround.

1. Fokussierung auf mobile Endgeräte

Mehr als die Hälfte aller Nutzer greift auf sein digitales Leben auch per Smartphone oder Tablet zu, über zehn Prozent verwalten ihre Accounts sogar ausschließlich über iPhone & Co. – Tendenz stark steigend! Facebook hat es noch nicht geschafft, für die verhältnismäßig kleinen Bildschirme der mobilen Endgeräte überzeugende Werbelösungen zu präsentieren. Immer wieder predigen Analysten, dass hier Facebooks Todesurteil lauern könnte. Soweit möchte ich bei weitem nicht gehen: Es ist für mich kaum vorstellbar, dass die hochintelligenten (und hochbezahlten) Nerds im Silicon Valley nicht doch bald eine Lösung präsentieren, an die unsereins vielleicht gar nicht zu denken im Stande ist. Denn stupide Anzeigenflächen im Miniformat einzublenden ist sicher nicht das Non-Plus-Ultra aller Marketingmaßnahmen – standortbezogene, interaktive Werbung sei hier nur mal eben eingeworfen. Auch wäre es nicht das erste Mal, dass Facebook eine überraschende Neuentwicklung aus dem Hut zaubert. Aber die Marschroute muss klar sein: Volle Konzentration auf den Wandel zur mobilen Welt!

2. Datenschutz ernster nehmen

Gleich vorweg: Ich gehöre nicht zu den Dauernörglern, die in jeder Neueinführung auf Facebook eine potentielle Bedrohung unserer Freiheit sehen oder sich chronisch ihrer Privatsphäre beraubt fühlen. Lieber suche ich erst nach Vorteilen für mich und denke mir sogar: Sollen sie ruhig wissen, dass ich regelmäßig in die Wäscherei um die Ecke gehe oder gerne im Nike Online-Shop einkaufe. Wenn ich dafür den nächsten Anzug um fünf Euro günstiger gereinigt bekomme oder meine neuen Fußballschuhe zehn Prozent weniger kosten, umso besser! Mir persönlich geht in diesem Zusammenhang auch das endlos durchgekaute Verbraucherschutzargument auf die Nerven, denn wer so etwas nicht möchte, der soll sich einfach abmelden oder Facebook nicht mehr nutzen! Problematisch wird es allerdings, wenn die Nutzer gar nicht wissen können oder absichtlich darüber im Unklaren gelassen werden, welche Daten aufgezeichnet und wofür sie verwendet werden. Das angebliche Verfolgen von bereist ausgeloggten Nutzern bei Ihrer Internetreise zähle ich hierzu. Auch Facebook muss erkennen, dass es nicht einfach seine eigenen Regeln aufstellen kann sondern sich an bestehende Gesetze halten muss. Die teilweise recht heftigen Auseinandersetzungen mit nationalen Regulierungsbehörden, nicht zuletzt v.a. in Deutschland, zeugen von der spannungsgeladenen Atmosphäre zwischen Facebook und Regierungen. So groß und mächtig die Kalifornier auch sind – am längeren Hebel sitzen sie trotzdem nicht. Vorsicht walten zu lassen wäre daher sicherlich nicht unklug.

3. Konkurrenz beachten und beobachten

Klar ist: Facebook ist der König der Social Media, der Kaiser der sozialen Vernetzung, der Cäsar des digitalen Lebens… Und dennoch: Es gibt zahlreiche Unternehmen, die den Kaliforniern direkt oder indirekt Konkurrenz machen oder das zumindest versuchen. Google+ ist hier natürlich an erster Stelle zu nennen, auch wenn das Netzwerk des Suchmaschinen-Primus noch ein Schattendasein fristet. Einen Giganten mit solcher Innovationskraft zu vernachlässigen wäre jedoch töricht! Auf dem Smartphone Markt wurde einst Nokia von Apples iOS und v.a. Googles Android überrollt – Mahnung genug! Auch aus Nischenbereichen kommt Konkurrenz für Facebook – oder zumindest Anregung: LinkedIn hat es als soziales Netzwerk für Berufskontakte vorgemacht wie es gehen kann: Deutlich übertroffene Erwartungen bei Umsatzwachstum und eine angehobene Jahresprognose sollten Facebook zumindest hellhörig werden lassen. Vielleicht kann sich der große ja beim kleinen Bruder noch etwas abschauen. Das Karriereportal hat mit Premiumdiensten, Stellenanzeigen und Werbung ein diversifizierteres Einkommensmodell und sollte zumindest Inspiration liefern können. Auch regional sieht sich Facebook teils starker Konkurrenz ausgesetzt, in China ist man sogar noch überhaupt nicht vertreten. RenRen gibt hier den Ton an. Bei fast einer Milliarde Nutzern ist das Wachstumspotential bei Neuanmeldungen irgendwann erschöpft, das Ziel eines Einstiegs in einen Riesenmarkt wie den in China somit selbsterklärend. Es gibt also auch für Facebook noch steile Hürden zu nehmen; neue Konkurrenzkämpfe gehören wohl dazu.

4. Erwachsen werden

Eine Zeit lang wirkte es zugegeben ganz lässig, wenn Mark Zuckerberg mit Kapuzenpulli und Birkenstock auf großer Bühne Facebooks Neurungenvorstellte. Es hatte etwas unbeschwertes, frisches und zugleich glaubwürdiges: Hier ging es einfach nur um die Weiterentwicklung des Web 2.0 – dafür muss man sich nicht in Schale schmeißen! Nun aber, da die Kalifornier um Milliarden von internationalen Investoren bitten und sich dadurch vor immer mehr Geldgebern rechtfertigen müssen, muss man sich der Welt, in der man sich nun bewegt, vielleicht ein wenig anpassen. Ich hatte das Glück, diesen Sommer einige Wochen in New York City im Umfeld von einigen potentiellen und tatsächlichen Facebook Investoren verbringen zu dürfen und habe dort einen eindeutigen Tenor vernommen: Dieser Junge weiß nicht wie er sich uns gegenüber zu verhalten hat und tritt teilweise respektlos auf! So oder so ähnlich war das auch hier bei uns schon dargestellt worden – das aber so direkt zu hören hat mich doch ein bisschen überrascht. Einige wirkten sogar verärgert über das zu jugendliche Verhalten des Facebook CEO und es würde mich nicht wundern, wenn Mark Zuckerbergs fehlende Professionalität zur sehr enttäuschenden Entwicklung entscheidend beigetragen hat. Niemand kann die Genialität des ehemaligen Harvard Studenten bestreiten – sich erwachsen zu verhalten im Umfeld von milliardenschweren Größen der Wall Street, auf die er nun angewiesen ist, erfordert aber mehr als das.

5. Nutzernutzen bewahren

Ein Aspekt, der bei der ganzen Diskussion über Facebooks Zukunftsstrategie meiner Meinung nach überraschenderweise viel zu kurz kommt, ist der des Nutzernutzens, also welchen Vorteil ziehen die Nutzer aus der Interaktion im Netzwerk und wie wird dieser von künftigen Änderungen beeinflusst? Das Potential Facebooks steckt in dessen Kenntnissen über das Profil seiner User; deren Alter, Geschlecht, Bildungsstand, Vorlieben, Gewohnheiten und Verhaltensmuster. Kein Unternehmen verfügt wohl über solch eine Goldgrube an interessanten Daten seiner Kunden. Richtig, Kunden – nicht nur Nutzer! Wir bezahlen bei Facebook mit unseren persönlichen Daten und stehen daher in einer Art Kundenverhältnis zu den Kaliforniern. Weil das aber keiner so wirklich merkt, stört das auch erst einmal nicht. Das bisschen Werbung, das ich seitlich eingeblendet bekomme kann ich ignorieren oder durch Werbeblocker deaktivieren. Ansonsten kann man sich gefühlt kostenlos im Netzwerk austauschen und bewegen. Die dadurch gesammelten Daten sind jedoch der einzige Grund, dass Facebook ein (noch immer) sehr hoher Wert beigemessen wird. In ihnen steckt die Erwartung, bald das Mega-Geschäft machen zu können. Die effizientesten Wege diese Daten zu Geld zu machen werden gerade erkundet. Ich bin davon überzeugt, dass Firmen bald bereit sein werden, Milliarden für unser aller Privatinformationen zu zahlen – wenn Facebook ihnen eine attraktive Verwendungsweise bieten kann. Woran ich aber stark zweifle ist, dass ich davon dann nichts merke. Was, wenn mein Newsfeed plötzlich wirkt, als sei er von jemandem gesponsert? Was, wenn mir Firmen, die mir „gefallen“ plötzlich Werbemails schicken? Was, wenn ich nur noch Statusmeldungen von großen Unternehmen sehe, weil diese kostenpflichtig hervorgehoben werden? Facebook muss seine gesammelten Daten unausweichlich zu Geld machen, das erwartet Jeder. Der Netzwerkgigant begibt sich damit aber auf einen schmalen Grat zwischen der gewinnbringenden Verwendung und der einfachen Sammlung dieser Daten. Denn ob jeder Nutzer auch in Zukunft noch so bereitwillig Auskunft über alles gibt, wenn das so wichtige kostenlos-Gefühl wegfällt, ist mehr als fraglich. Die Dynamik, die uns alle zu Facebook getrieben hat und uns momentan auch gerne noch dort hält, kann sich auch schnell drehen. Man erinnere sich an Myspace, Yahoo und AOL.

Trotz allem: I like Facebook.

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