Fundamentale Nachricht
08:59 Uhr, 18.10.2016

Japans Negativzinspolitik: Europa, hörst du die Signale?

Wie in Japan zeigen auch die Quantitative-Easing-Maßnahmen und die Niedrigzinspolitik der EZB Goldman-Sachs-Experte Andrew Wilson zuzfolge bislang kaum Wirkung.

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  • Dow Jones
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New York (GodmodeTrader.de) - Die Ankündigung der Bank of Japan (BoJ), die Kontrolle über die Zinskurve zu behaupten, erscheint wie ein antiquiertes geldpolitisches Instrument einer Volkswirtschaft, die seit Langem verzweifelt versucht, der Deflation zu entkommen. Beobachter der Notenbanken in Europa – und dieser Tage sollten alle Anleger die Notenbanken beobachten – könnten dies jedoch auch als Hinweis auf die zukünftige Entwicklung deuten, wie Andrew Wilson, CEO für EMEA und Co-Head des Global Fixed Income und Liquidity Management Teams bei Goldman Sachs Asset Management (GSAM), in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

Zunächst einmal die Einzelheiten: Um Konjunkturanreize zu schaffen, habe die japanische Zentralbank den Einlagenzinssatz zuletzt bei minus 0,1 Prozent belassen, statt ihn noch weiter in den negativen Bereich zu senken. Vielmehr habe sich die BoJ auf die Rendite japanischer Staatsanleihen konzentriert, genauer gesagt zehnjähriger Papiere. Sie habe versprochen, Staatsanleihen in der erforderlichen Höhe zu kaufen, um die Renditen auf dem derzeitigen Niveau von nahezu null Prozent zu halten, heißt es.

„Damit will die Bank eine Abflachung der Zinskurve verhindern. Diese tritt ein, wenn Anleger, nur eine geringe oder gar keine Entschädigung für das Halten langfristiger Papiere bekommen. Diese Abflachung ist ein unerwünschter Nebeneffekt der Anleihekäufe der Zentralbanken, der in den letzten Jahren in den großen Volkswirtschaften zu beobachten war. Diese Käufe sollen, ebenso wie niedrige oder negative Zinsen, eigentlich die Kreditvergabe und Unternehmensaktivitäten ankurbeln, indem sie die Kreditkosten senken. Wenn das jedoch zu einer Verflachung der Zinskurve führt, wird genau das Gegenteil erreicht: Banken vergeben weniger Kredite, da sie nicht mehr angemessen entschädigt werden. Das wäre kein Problem, wenn Banken die Kosten negativer, kurzfristiger Zinsen an die Verbraucher weitergeben würden. Davor schrecken sie jedoch zurück, da sie befürchten, dass Sparer ihr Geld aus dem System abziehen könnten“, so Wilson.

Diese Geldpolitik sei das aufschlussreiche Eingeständnis, dass negative kurzfristige Zinsen nur begrenzt wirksam seien. Mit ihrer Weigerung, die Zinsen noch weiter zu senken, verabschiede sich die BoJ implizit von ihrer Hoffnung, die Konjunktur auf diese Weise beleben zu können. Dies sollte bei der EZB in Frankfurt Besorgnis auslösen, denn der Einlagenzins in der Eurozone sei mit minus 0,4 Prozent deutlich niedriger als der japanische, heißt es weiter.

„Natürlich verfolgt die EZB die Politik negativer Zinsen und quantitativer Lockerungsmaßnahmen noch nicht so lange wie Japan sein Abenomics-Programm. Das Problem der Staatsverschuldung und Altersstruktur sind zudem in Europa weniger stark ausgeprägt als in Japan. Manche Probleme ähneln sich allerdings. Wenn Europa sein Wachstum nicht nachhaltig steigern kann, muss die EZB in den nächsten Jahren unter Umständen jene Maßnahmen in Betracht ziehen, die die BoJ derzeit bereits ergreift“, so Wilson.

Es sei nach wie vor möglich, dass negative Zinsen für den Impuls sorgten, den die EU zur Abwehr einer Rezession benötige. Aber welches Instrument stünde der EZB noch zur Verfügung, wenn dies nicht geschehe? Mit ihrem QE-Programm zur Ankurbelung der Kreditvergabe an die Realwirtschaft, das auf immer riskantere Vermögenswerte wie zum Beispiel Unternehmensanleihen ausgedehnt werde, verfolge die EZB schon heute Parallelmaßnahmen zu ihrer Negativzinspolitik. Bislang habe dies jedoch keine spürbare Auswirkung auf die reale oder erwartete Inflation, heißt es weiter.

„In einer traditionellen Wirtschaft wäre der logische nächste Schritt, dass die politischen Entscheidungsträger die Grenzen der Geldpolitik erkennen. Sie müssten akzeptieren, dass haushaltspolitische Lockerungsmaßnahmen erforderlich sind, zum Beispiel durch höhere Infrastrukturausgaben. Deutschland als führende Volkswirtschaft der EU hat dazu sicherlich die nötigen Mittel, sieht aber kaum Anreize für derartige Maßnahmen im Inland. Hier ist die öffentliche Infrastruktur bereits mehr als solide. Gleichzeitig ist die Öffentlichkeit nicht bereit, derartige Programme in anderen Ländern der EU zu finanzieren. Nicht zum ersten Mal erweist sich die einzigartige Struktur der EU mit ihrem einheitlichen Wirtschaftsraum als Hindernis für die Politik. Ohne diese fiskalischen Impulse seitens der Politik bleiben der EZB kaum Alternativen zu ihrem derzeitigen Kurs – und zu der Hoffnung, dass die bereits in die Wege geleiteten Maßnahmen letztendlich doch die gewünschten Impulse liefern. Das Problem ist, dass solche Maßnahmen nicht unbegrenzt fortgeführt werden können“, so Wilson.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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