Japan: Wieder hohes BIP-Wachstum – nach Außenhandel hilft nun ein Konjunkturprogramm
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- Das Bruttoinlandsprodukt ist im dritten Quartal um 0,9 % gegenüber dem Vorquartal angestiegen. Dies war deutlich stärker als allgemein erwartet wurde.
- Aufgrund von staatlichen Anreizen zum Kauf von energiesparsamen Gebrauchsgütern nahm der private Konsum deutlich gegenüber dem Vorquartal zu. Er stellte praktisch die einzige Wachstumsstütze dar.
- Auch nach sechs Quartalen kann weiterhin nicht von einem gefestigten Konjunkturaufschwung gesprochen werden. Insbesondere die Investitionstätigkeit der Unternehmen lässt zu wünschen übrig.
1. Die japanische Volkswirtschaft hat nach einer kurzen Schwächephase wieder ihren bisherigen starken Expansionskurs aufgenommen. Diesen Eindruck könnte man zumindest gewinnen, wenn man ausschließlich die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts betrachtet. Im dritten Quartal stieg das Bruttoinlandsprodukt um 0,9 % gegenüber dem Vorquartal. Dies war deutlich stärker als allgemein erwartet worden war und auch höher als von uns prognostiziert (Bloomberg-Umfrage: 0,6 %; DekaBank: 0,8 %). Zudem wurde die vergangene Entwicklung, insbesondere das Winterhalbjahr 2009/10, relativ kräftig nach oben revidiert, sodass die von uns erwartete Veränderungsrate gegenüber dem Vorjahresniveau mit 4,2 % deutlich überschritten wurde.
Seit dem Rezessionsende im ersten Quartal 2009 ist das Bruttoinlandsprodukt um über 6 % angestiegen. Kaum ein anderes Industrieland dürfte im jeweiligen Aufschwung stärker gewachsen sein. Zum Vergleich: In Deutschland ist das Bruttoinlandsprodukt seit dem Tiefpunkt um 5 % angestiegen und in den USA um 3,5 %. Allerdings ist Japan vom bisherigen höchsten Stand des Bruttoinlandsprodukts aus dem ersten Quartal 2008 noch gut 3 % entfernt, während die US-Wirtschaft hiervon nur noch knapp 1 % und die deutsche Wirtschaft noch 2 % entfernt sind. Dies zeigt, wie tief die japanische Volkswirtschaft in der Krise gefallen war.
2. Die Betrachtung der Wachstumszusammensetzung lohnt sich im dritten Quartal besonders, weil der Eindruck einer gleichermaßen stark expandierenden Volkswirtschaft trügt. So ging das Wachstum fast ausschließlich auf den privaten Konsum zurück. Hier machte sich ein Sondereffekt bemerkbar. So gab es von staatlicher Seite Anreize, energiesparende Produkte zu kaufen. Dies führte zu einem Anstieg des Konsums von Gebrauchsgütern im dritten Quartal um über 11 % gegenüber dem Vorquartal. Zwar wurde dieses staatliche Konjunkturprogramm bis Ende März 2011 verlängert. Monatliche Statistiken wie beispielsweise die Einzelhandelsumsätze zeigen aber, dass dieser Wachstumsschub spätestens am Ende des Quartals auslief und zu einer entsprechenden Belastung im laufenden vierten Quartal führen wird. Der zu erwartende negative Rückpralleffekt wird vermutlich einer Schrumpfung des privaten Konsums im vierten Quartal sorgen. Einzig die gute Einkommensentwicklung der privaten Haushalte spricht dagegen. So stiegen der Realeinkommen um 0,9 % gegenüber dem Vorquartal sehr kräftig an. Dies ist im Vergleich zu den Arbeitsmarktdaten der vergangenen Monate eine durchaus positive Überraschung gewesen. Zwar scheint das Expansionstempo am Arbeitsmarkt wieder höher zu sein als noch in den Sommermonaten. Von einer anhaltend hohen Einkommensdynamik ist gleichwohl nicht auszugehen.
3. Die Wachstumsbeiträge der weiteren Bereiche sind kaum von Null verschieden. So stellt die Investitionsdynamik der Unternehmen weiterhin eine Enttäuschung dar. Zwar wurden hier die Vorquartale nach oben revidiert, sodass die bisherige Investitionsdynamik etwas freundlich ausschaut. Der Zuwachs der gewerblichen Investitionen um 0,8 % im dritten Quartal ist aber geringer als von uns erwartet. Etwas stärker als von uns prognostiziert sind die Wohnungsbauinvestitionen im dritten Quartal angestiegen. Nach den Auf und Abs der vergangenen Quartale deutet sich hier eine Bodenbildung auf tiefem Niveau an.
4. Die Stärke des bisherigen Aufschwungs kam vom Außenhandel. Zwar ist die Exportquote mit knapp 16 % im internationalen Vergleich eher gering. Entscheidend ist aber, dass von hier nicht nur in den vergangenen Quartalen die wichtigsten Wachstumsimpulse stammen. Im dritten Quartal blieben diese Wachstumsimpulse aus. Zumindest konnten die Exporte gegenüber dem Vorquartal ansteigen. Monatliche Außenhandelsdaten hatten uns eine Stagnation befürchten lassen. Der Vergleich mit den Zuwachsraten in den vergangenen Quartalen zeigt, dass die Exportdynamik spürbar an Schwung verloren hat. Dies dürfte zwei Gründe haben. Erstens hat sich insbesondere in den Sommermonaten das asiatische Wachstumsumfeld für die Japaner abgeschwächt. Die Nachfrage wächst in dieser wichtigen Wirtschaftsregion nicht mehr so dynamisch wie beispielsweise vor einem Jahr. Hinzu kommt, dass der starke Yen für japanische Exporteure einen nicht unwesentlichen Wettbewerbsnachteil darstellen kann. Zuletzt wurden insbesondere aus China Konjunkturindikatoren veröffentlicht, die auf eine wieder höhere Wachstumsdynamik schließen lassen. Die Stärke des Yen hat sich allerdings in den vergangenen Wochen weiter fortgesetzt. Es ist also wahrscheinlich, dass der Außenhandel im laufenden Quartal eine Wachstumsstütze darstellt. Die hohen Zuwächse, die es zu Beginn des Aufschwungs gegeben hat, dürften sich wohl nicht mehr wiederholen. Es sind also zunehmend die inländischen Wachstumskräfte, die die gesamtwirtschaftliche Dynamik bestimmen werden.
5. Eine wenn auch zeitlich befristete Quelle von inländischem Wachstum dürften die Lagerinvestitionen in den kommenden Quartalen darstellen. Zwar schoben die Lagerinvestitionen auch schon im abgelaufenen dritten Quartal. Der Wachstumsbeitrag von 0,1 Prozentpunkten ist aber geringer als von uns erwartet. Das Niveau der Lagerinvestitionen ist weiterhin ungewöhnlich niedrig und ein großer Teil des zu erwartenden Lagerzyklus steht noch aus.
6. Auch nach sechs Quartalen mit zeitweise weit überdurchschnittlichen Wachstumsraten scheint der japanische Konjunkturaufschwung weiterhin nicht wirklich gefestigt zu sein. Insbesondere die schwache Investitionsdynamik gibt zu denken, wenngleich der Arbeitsmarkt sich zuletzt durchaus erfreulich entwickelt hat. Aufgrund der nach oben revidierten Historie nehmen wir unsere BIP-Prognose für dieses Jahr relativ deutlich von gut 3 % auf ca. 3,5 % nach oben. Dieser rückwärtsgewandte Blick sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Wachstumsausblick weiterhin getrübt ist. Aufgrund der zu erwartenden Rückpralleffekte beim privaten Konsum ist es durchaus vorstellbar, dass das Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal wieder schrumpfen könnte. Wir erwarten daher weiterhin für 2011 ein mäßiges Wachstum von 1,5 %. Nach der Aufholjagd zu Beginn des Aufschwungs deutet sich zunehmend eine Entwicklung an, die man mit „durchwurschteln“ am treffendsten bezeichnen kann.
Rudolf Besch - Analyst bei der Deka Bank
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