Kommentar
08:16 Uhr, 28.09.2016

Japan: Neue Geldpolitik schon gescheitert?

Bei Experimenten weiß man eigentlich erst nachher, ob es funktioniert hat. Es gibt Ausnahmen zu dieser Regel. Dazu gehört wohl die Geldpolitik der Bank of Japan.

Eines muss man der japanischen Notenbank lassen: Sie ist hartnäckig. Sie ist sogar so hartnäckig, dass sie sich nicht vor immer neuen Experimenten scheut. Andere Notenbanken danken es der BoJ wahrscheinlich. Sie können aus den Erfahrungen, die Japan macht, lernen. Eine solche Lehre wird sich insbesondere aus der Anwendung eines neuen geldpolitischen Instruments ergeben.

Die BoJ hat vergangene Woche gleich zwei Experimente gestartet. Das erste und am meisten diskutierte ist die Zinskontrolle (sie ist nicht ganz neu; die Fed hatte schon einmal eine Zinskontrolle). Die BoJ will die Zinsen durch Anleihekäufe nicht einfach nur irgendwie beeinflussen (senken), sondern gezielt beeinflussen. Das klingt nicht sonderlich aufregend, ist aber nur vordergründig unspektakulär.

Notenbanken können durch die Festsetzung eines Leitzinses die kurzfristigen Zinsen bestimmen. Bei langfristigen geht das nicht. Hier wird kein Zins festgelegt, sondern vom Markt durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Das will die Notenbank so nicht mehr unterstützen, sondern legt ein Zinsziel fest. Dieses Zinsziel liegt für 10-jährige Anleihen bei ungefähr 0 %.

Die Grafik zeigt die japanische Zinskurve kurz vor und nach dem Zinsentscheid. Vor dem Entscheid am Dienstag lagen die Zinsen für 10-jährige Anleihen deutlich tiefer als kurz nach der Ankündigung. Die Zinsen stiegen auf knapp 0 %. Gegen Ende der Woche hatte sich dieser Effekt schon wieder relativiert.

Die BoJ wollte durch das Zinsziel die Zinskurve eigentlich soweit beeinflussen, dass sie steiler wird. Vielleicht gelingt ihr das mittelfristig. Kurzfristig kann man sagen, dass es sich um einen absoluten Fehlschlag handelt. Die Zinsen sind bis zu Laufzeit von 11 Jahren nun etwas höher als vor der Ankündigung, doch die Zinskurve ist für längere Laufzeiten nun niedriger. Die Folge: die Zinskurve wird nicht steiler, sondern flacher. Das ist genau das Gegenteil dessen, was die BoJ erreichen wollte.

Erklären lässt sich der Fehlschlag natürlich auch. Die Notenbank wird durch Modifikation ihrer Anleihekäufe die Zinsen bis zu einer Laufzeit von 10 Jahren kontrollieren. Es gibt, sofern diese Kontrolle überhaupt wirklich umsetzbar ist, für Investoren absolut keine Chance auf höhere Zinsen. Es gibt auch kaum eine Chance auf niedrigere Zinsen. Das ist insofern eine Chance, als dass durch sinkende Zinsen zumindest Kursgewinne eingefahren werden können. Nun gibt es also weder Zinsen, noch Kursgewinne. Das ist für Anleger wohl das schlechteste beider Welten.

Für längere Laufzeiten hat die BoJ noch kein Ziel ausgegeben. Sie will die Zinsen zwar am langen Ende der Kurve höher sehen, doch hat diesbezüglich wenig Möglichkeiten, das auch tatsächlich umzusetzen. Anleger schichten nun von kürzeren in längere Laufzeiten um. Dort können sie noch Zinsen bekommen und auf Kursgewinne hoffen. Es kommt also zum komplett gegenteiligen Effekt.

Ein zweiter Grund für das Scheitern liegt ebenfalls auf der Hand. Die BoJ ist die erste Notenbank, die ihr Inflationsziel als Lockerungsinstrument einsetzt. Sie hat das Inflationsziel nicht angepasst, aber klargemacht, dass sie dieses Ziel nicht nur erreichen, sondern überschießen will.

Indem die Notenbank gezielt höhere Inflation zulassen wird und darauf hinarbeitet, sollten sich der Theorie nach die Inflationserwartungen der Konsumenten und Unternehmen nach oben bewegen. Steigen die Erwartungen an, dann sollte nun mehr investiert und konsumiert werden. Es käme zu einem sich selbst verstärkenden Mechanismus.

Nun sinkt die Zinskurve am langen Ende. Das macht nur Sinn, wenn man nicht daran glaubt, dass die BoJ das Inflationsziel tatsächlich überschießen kann. Glaubt man daran, dann würde man langlaufende Anleihen verkaufen, weil sie im Vergleich zum Inflationsziel zu wenig Rendite abwerfen. Da die Zinsen gesunken sind, scheint niemand daran zu glauben.

Die Inflation anzuheben, indem man das Inflationsziel nach oben anpasst, sollte in der Theorie funktionieren. Praktisch zeigt sich zumindest in einer ersten Reaktion des Marktes, dass das nicht funktionieren wird. Als erstes Urteil kann man sagen: Das Experiment ist gescheitert. Natürlich muss man das in einigen Monaten noch einmal überprüfen, doch mit einer gewissen Zuversicht kann man erahnen, dass sich an der Beurteilung nicht viel ändern wird.

Clemens Schmale

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Über den Experten

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Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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