Analyse
12:12 Uhr, 18.10.2017

IT-SMALLCAP im Fokus - Hochgejubelt, tief gefallen

Von der Euphorie zum Jahreswechsel ist bei diesem ehemaligen Liebling der Smallcap-Szene derzeit nichts mehr zu spüren. Technisch steht die Aktie vor weiteren Verkaufssignale. Fundamental muss das Management erst wieder Vertrauen schaffen.

Erwähnte Instrumente

  • SNP Schnei.Neureith.&Partn.SE - WKN: 720370 - ISIN: DE0007203705 - Kurs: 30,975 € (XETRA)

Meine Stammleser werden wahrscheinlich schon ahnen, worum es jetzt geht. Im Fokus soll heute die Aktie von SNP Schneider-Neureither stehen. Das Unternehmen hatte ich Ihnen bereits im Juni 2016 an dieser Stelle vorgestellt und analytisch mit einer Genauigkeit von 0,02 EUR ein Mehrmonatstief erwischt. In der Folge legte der Smallcap binnen weniger Monate 90 % an Wert zu. Etwas Glück gehört eben auch immer dazu.

Noch zum Jahreswechsel waren Börsenforen- und gazetten voll des Lobes für den Titel, ja überschlugen sich regelrecht mit Superlativen. SNP Schneider-Neureither würde den Markt für Datentransformationssoftware revolutionieren, den neuen Goldstandard setzen. Wohlgemerkt ein Unternehmen, das zuvor kaum jemand kannte. Aber egal, das Management strafte die Kritiker durchaus Lügen, konnte sogar die US-Riesen Dow Chemical und DuPont als Kunden gewinnen. Kurzum: Es hätte nicht besser laufen können.

Eine Übernahme nach der anderen

Von der Euphorie ist inzwischen aber nichts mehr zu spüren, die Aktie von SNP befindet sich seit März im freien Fall. Der rasante Wachstumskurs des Managements, das vorrangig durch Übernahmen wachsen möchte, rief immer mehr Kritiker auf den Plan. Die Kritik nahm auch merklich zu, als im Sommer dieses Jahres nach einer positiven Meldungen noch am selben Tag eine Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre und mit einem gehörigen Abschlag zum damaligen Kurs vorgenommen wurde. Das brachte das Fass sozusagen zum Überlaufen. Man kann die Aktionäre auch verstehen. Das Gebahren erinnert an die Logistikbranche zu Zeiten des Neuen Marktes. Eine D.Logistics (inzwischen Deufol) übernahm damals im Mehrmonatstakt Unternehmen, um ein starkes Wachstum ausweisen zu können. Organisch wuchs man dagegen kaum. Man verlor vielmehr irgendwann den Überblick. Schlussendlich hatte sich das Management schlichtweg übernommen, der Aktienkurs ging in den freien Fall über. Kurzum: Wachstum über massive Kapitalerhöhungen oder die Aufnahme von Fremdkapital ist nun wirklich keine Kunst. Das ist zum Beispiel auch das, was ich an Tesla und Elon Musk kritisiere. Mit 1,5 Mrd. EUR Mittelzufluss an Geldern alle halbe Jahr, sei es durch Kapitalerhöhungen, Anleihen oder Kredite, lang kann man einiges erreichen. Aber lassen wir das.

Anbei ein Überblick über die "Geldbeschaffungsmaßnahmen" von SNP in den vergangenen Jahren:

  • Juli 2017: Kapitalerhöhung über 18,74 Mio. EUR
  • Februar 2017: Schuldscheindarlehen über 40 Mio. EUR
  • Juni 2016: Kapitalerhöhung über 31 Mio. EUR
  • März 2015: Anleihe über 20 Mio. EUR
  • Dezember 2012: Kaptialerhöhung über 5,1 Mio. EUR

Im Juli 2017 wurde es richtig skurril. Hauck & Aufhäuser veröffentlichte wenige Tage nach Abschluss einer Kapitalerhöhung von SNP eine Studie mit dem Rating "Sell" und einem Kursziel von 28 EUR für das Papier von SNP. Zum damaligen Zeitpunkt notierte die Aktie noch um die 38 EUR. Dieses Rating kam insofern überraschend, als dass Hauck & Aufhäuser in der Vergangenheit Kapitalmaßnahmen von SNP durchgeführt hatte, in der Studie das Management plötzlich aber scharf kritisierte. Der Vorstand sah sich in der Folge sogar genötigt, eine Gegendarstellung zu veröffentlichen. In Smallcapkreisen wird gemutmaßt, Hauck & Aufhäuser war wohl sauer, weil man die Kapitalerhöhung im Juli nicht durchführen durfte und hätte daher die Studie sozusagen als Racheakt veröffentlicht. Wie dem auch sei, das Rating sorgte erst Recht für schlechte Stimmung, der Abwärtstrend der Aktie beschleunigte sich.

Wie sieht es aktuell aus?

Technisch vor wichtigen Unterstützungen

Die technische Lage ist mehr als kritisch. Neue Jahrestiefs unter 30,57 EUR bei der Aktie dürften nur mehr eine Frage der Zeit sein. Doch gibt es auch Hoffnung für die Aktionäre: Eine alte Langfristunterstützung (Ausbruchsniveau 2016) kann man zwischen 29,10 und 25,80 EUR anberaumen. Solange dieser Support verteidigt wird, könnte der Smallcap wieder den Weg in die richtige Spur zurückfinden. Unter 25,80 EUR drohen dagegen Verluste auf 20,00 EUR.

SNP Schneider-Neureither-Aktie (Monatschart)
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Fundamental starkes (eingekauftes) Wachstum

Fundamental lautet das Credo weiter "Alles auf Wachstum". Im ersten Halbjahr stieg der Umsatz von SNP natürlich vorrangig getrieben durch Übernahmen um 26,7 % auf 48 Mio. EUR. Im Gesamtjahr will das Management 110 Mio. EUR umsetzen. Die EBIT-Marge soll zwischen 7 und 12 % eintreffen. Die aktuellen Analystenschätzungen finden Sie in nachfolgender Tabelle:

Jahr 2016  2017e* 2018e*
Umsatz in Mio. EUR 80,70  112,00  150,40 
Ergebnis je Aktie in EUR 0,95  0,68  1,10 
Gewinnwachstum -28,42 % 61,76 %
KGV 33  46  28 
KUV 2,1  1,5  1,1 
PEG negativ 0,5 
*e = erwartet

Der Gewinn dürfte in diesem Jahr unter den Übernahme- und Integrationskosten leiden. 2018 soll das Ergebnis je Aktie deutlich auf 1,10 EUR zulegen, womit sich auf Basis des aktuellen Kurses ein KGV von 28 errechnet. Ein Schnäppchen ist der Wert also trotz des stark gefallenen Kurses nicht. Die derzeitige Marktkapitalisierung des Unternehmens beträgt 170 Mio. EUR.

Fazit: Zwar hat das Management mit Aktienkäufen, auch nahe des Allzeithochs, gezeigt, dass man an die Story glaubt. Die Vertrauensbasis, sei es bei den eigenen Aktionären, aber auch bei Analysten wie Hauck & Aufhäuser, scheint aber zunächst zerstört. Gefühlt würde ich den Verantwortlichen raten, zwei Gänge herunterzuschalten, auf Kapitalerhöhungen zu inakzeptablen Konditionen für bestehende Aktionäre in Zukunft zu verzichten und aufzuzeigen, dass man auch organisch stark wachsen kann.

Technisch darf sich die Aktie keine große Schwäche mehr erlauben. Solange keine Trendumkehrsignale vorliegen, bleibe ich daher skeptisch. Die nächsten Quartalszahlen wird SNP am 27. Oktober veröffentlichen. Ich halte Sie auf dem Laufenden.

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Über den Experten

Bastian Galuschka
Bastian Galuschka
Chefredakteur

Bastian Galuschka ist seit über 20 Jahren an der Börse aktiv. Er entdeckte bereits zu Schulzeiten seine Leidenschaft für die Börse. Über fünf Jahre lang war der Diplom-Volkswirt als Redakteur bei einem bekannten Anlegermagazin tätig und verantwortete dort den Bereich Charttechnik. Seit März 2013 verstärkt er die Redaktion der stock3 AG. Bastian Galuschka kombiniert bei seinen Analysen gerne Fundamentaldaten mit charttechnischen Aspekten. Gerade im Smallcapbereich hat sich der Analyst über viele Jahre ein fundiertes Wissen aufgebaut. Seit Juni 2023 ist Galuschka Chefredakteur von stock3.

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