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Kommentar
13:38 Uhr, 09.04.2025

Ist Trumps Zoll-Wahnsinn vielleicht doch kalkuliert?

Natürlich kann niemand in den Kopf von Donald Trump gucken – und vielleicht ist das auch besser so. Was er an handelspolitischem Chaos noch plant und welche Beweggründe ihn dabei wirklich antreiben, weiß letztlich nur er selbst. Nach den Entwicklungen der letzten Tage bin ich mir allerdings nicht mal sicher, ob er es selbst noch weiß.

Eines sollte aber klar sein: Trumps Zölle sind nicht neu, nicht innovativ – und historisch betrachtet schlichtweg zum Scheitern verurteilt. Schon in den 1820ern scheiterte der Protektionismus am wirtschaftlichen Realitätscheck, in den 1920ern beschleunigten Zölle die Große Depression. Die Illusion, dass man im Jahr 2025 mit den gleichen Mitteln plötzlich Erfolg hat, ist naiv – oder kalkuliertes Chaos.

Trotzdem lohnt ein genauer Blick: Könnte es sein, dass hinter dem aktuellen Zoll-Wahnsinn mehr steckt als bloße Impulsivität? Ein paar Entwicklungen deuten zumindest darauf hin, dass das Chaos durchaus auch strategische Nebeneffekte erzeugt – gewollt oder ungewollt.

Der aktuelle Stand in aller Kürze

Seit Trumps Ausrufung des nationalen Notstands und der Ankündigung massiver Importzölle ist der Welthandel in Aufruhr. Der DAX brach ein, erholte sich unter entsprechender Volatilität wieder und der Dow Jones schwankte heftig. Weltweit herrscht wirtschaftliche Nervosität, ob in New York, Frankfurt, Tokio oder Hong Kong. Besonders China und die EU sehen sich im Fadenkreuz der US-Zollpolitik. Vergeltungsmaßnahmen und diplomatische Manöver sind bereits im Gange. Die Märkte bleiben extre volatil – niemand weiß, was als Nächstes kommt.

In diesem Artikel haben wir die aktuellen Informationen zusammengefasst.

Kalkuliertes Chaos? Mögliche strategische Effekte

1. Flucht in Staatsanleihen – Schuldenfinanzierung wird günstiger

  • Die Angst vor einer globalen Rezession und der Absturz an den Aktienmärkten treiben Investoren in den „sicheren Hafen“ US-Staatsanleihen.
  • Die Folge: Die Rendite der 10-jährigen US-Anleihen (US10Y) ist deutlich gesunken.
  • Für die US-Regierung bedeutet das: Die Refinanzierungskosten für Schulden sinken, was angesichts der enormen Defizite ein durchaus willkommener Nebeneffekt ist.
  • Der Schuldendienst ist inzwischen der größte Einzelposten im US-Haushalt – niedrigere Zinsen verschaffen hier spürbar Luft.

Das große Aber

US10Y Entwicklung | Quelle: Investing.com

Bis vergangenen Freitag waren die obigen Aussagen auch korrekt. Wie im Lehrbuch sind die Renditen der Staatsanleihen aufgrund der Nachfrage nach sicheren Assets gefallen. Doch seit Montag sind die Renditen von 3,88 % auf über 4,50 % in der Spitze gestiegen. Welche Gründe das genau hat, weiß aktuell niemand so genau, doch es gibt verschiedene Vermutungen:

  • Verkäufe von US-Staatsanleihen durch China: Als einer der größten ausländischen Gläubiger der USA könnte China als Reaktion auf die jüngsten US-Zölle, die auf bis zu 104 % erhöht wurden, begonnen haben, US-Staatsanleihen zu veräußern. Solche Verkäufe würden die Anleihekurse senken und die Renditen erhöhen.
  • Verlust des Vertrauens in US-Staatsanleihen als sichere Anlage: Die unvorhersehbare Handelspolitik der US-Regierung und die Einführung hoher Zölle haben Bedenken hinsichtlich der Stabilität und Zuverlässigkeit von US-Staatsanleihen geweckt. Investoren könnten befürchten, dass die USA ihre Schuldenverpflichtungen nicht mehr uneingeschränkt erfüllen, was zu einem Rückzug aus diesen Anlagen und einem Anstieg der Renditen führt.
  • Auflösung des “Basis-Trades”: Hedgefonds nutzen häufig den sogenannten Basis-Trade, bei dem sie Preisunterschiede zwischen Kassa-Staatsanleihen und deren Futures ausnutzen. Dieser Handel ist oft stark fremdfinanziert. Marktvolatilität und Liquiditätsengpässe können zu Zwangsliquidationen dieser Positionen führen, was die Anleihekurse drückt und die Renditen steigen lässt.

Egal, welcher Grund es am Ende ist, die USA und Trump könnten massive Probleme bekommen, sollten die Renditen der Staatsanleihen weiter steigen, eine ausgewachsene Finanzkrise wäre die Folge.

2. Ölpreisverfall als wirtschaftlicher Nebeneffekt

  • Die zunehmenden Sorgen vor einer globalen Rezession haben den Ölpreis unter Druck gesetzt – Investoren rechnen mit sinkender Nachfrage.
  • Der daraus resultierende Preisverfall wirkt wie ein Konjunkturprogramm durch die Hintertür: günstigerer Sprit, niedrigere Produktionskosten, vor allem in Industrie, Logistik und Transport, auch wenn der Preisverfall erst aufgrund Konjunktursorgen eintrat.
  • Energieintensive Branchen profitieren – ein indirekter Wachstumsimpuls, der zumindest kurzfristig stabilisierend wirkt.
  • Auch für Verbraucher ist der Effekt spürbar: Weniger Ausgaben an der Zapfsäule bedeuten mehr verfügbares Einkommen – besonders relevant vor den Zwischenwahlen.
  • Dennoch, der fallende Ölpreis kann Vorbote einer Rezession sein. Die positiven Aspekte sind da weniger relevant.
YTD-Chart von WTI (West Texas Intermediate) | Quelle: stock3

3. Ein möglicher „Mar-a-Lago Accord“ – Schwacher Dollar als Ziel

  • Die Idee erinnert an das Plaza-Abkommen von 1985, als die USA gemeinsam mit anderen Wirtschaftsmächten gezielt den Dollar schwächten.
  • Ein erneuter Deal – ein „Mar-a-Lago Accord“ – könnte den Dollar weiter abwerten, um Exporte zu stärken und das Handelsdefizit zu senken.
  • Ein schwächerer Dollar macht US-Produkte im Ausland günstiger, während Importe teurer werden – das hilft der heimischen Industrie.
  • Zugleich entsteht Druck auf ausländische Firmen, in den USA zu produzieren oder stärker zu investieren – was Trump als „Rückverlagerung von Arbeitsplätzen“ verkaufen kann.
YTD-Chart von USD/EUR | Quelle: stock3

Die Kehrseite: Risiken und Nebenwirkungen

So sehr einige dieser Entwicklungen nach „Plan“ aussehen mögen – sie sind weder nachhaltig noch risikofrei. Trumps Zölle sind ein Spiel mit dem Feuer:

  • Wirtschaftliche Isolation: Auch enge Verbündete wie die EU, Kanada oder Japan wenden sich ab. Die USA riskieren, international ins Abseits zu geraten.
  • Rezessionsgefahr: Handelskonflikte bremsen Investitionen, belasten Unternehmen – und könnten die USA selbst in die Rezession stoßen.
  • Reputationsverlust: Die USA gelten zunehmend als unberechenbar. Vertrauen – das wichtigste Kapital in Handelsbeziehungen – wird verspielt.
  • Strukturelle Schäden: Lieferketten reißen, Märkte destabilisieren sich. Das lässt sich nicht kurzfristig wieder flicken.
  • Protektionismus funktioniert nicht: Historische Beispiele zeigen: Zölle als Wirtschaftspolitik führen langfristig zu Stagnation, nicht zu Aufschwung.

Fazit: Chaos mit Methode – aber ohne Zukunft

Trumps Zollpolitik wirkt chaotisch, ist aber nicht völlig ohne Effekte. Günstigere Schuldenfinanzierung, niedrige Ölpreise, Druck auf den Dollar – das kann man als strategische Nebeneffekte lesen. Doch sie sind kurzfristig, volatil und teuer erkauft.

Letztlich bleibt der Zollkurs eine riskante Wette: auf kurzfristige Impulse, auf politische Effekte – und auf das Vergessen der Geschichte. Denn ob in den 1820ern, den 1920ern oder jetzt – Zölle haben noch nie eine Volkswirtschaft dauerhaft stärker gemacht.

Und auch wenn man Trump vieles zutrauen kann – wirtschaftliche Nachhaltigkeit gehört bislang nicht dazu.

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