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Kommentar
11:55 Uhr, 09.11.2025

Porsche, HelloFresh, Zalando & Co. – Schaffen diese Aktien noch den Turnaround?

Erwähnte Instrumente

Der DAX hat in den vergangenen zwei Jahren eine beeindruckende Rallye hingelegt und notiert noch immer nahe historischer Höchststände. Doch hinter dieser starken Bilanz zeigt sich ein geteiltes Bild: Während große Konzerne wie SAP, Siemens oder Allianz die Indexrallye tragen, kämpfen viele andere Unternehmen insbesondere aus MDAX und SDAX mit deutlichen Kursverlusten. Aber auch einige Großkonzerne aus dem DAX konnten an der Rallye des Index nicht partizipieren.

Bei manchen steckt dahinter eine echte Krise, bei anderen lediglich enttäuschte Erwartungen oder eine Neubewertung nach Boomjahren. Wir blicken in dieser Goldesel Topstory auf die auffälligsten Fälle – Aktien, die massiv unter Druck geraten sind und bei denen sich nun die Frage stellt: Gelingt der Turnaround, oder setzt sich der Abwärtstrend fort?

Denn klar ist: Nicht allen dieser Unternehmen geht es operativ schlecht. Viele leiden unter strukturellen Belastungen, die die deutsche Wirtschaft insgesamt bremsen – etwa überbordender Bürokratie, hohen Steuern, teuren Energiekosten oder dem demografischen Wandel. Andere wiederum stehen fundamental stabil da, wurden aber vom Markt abgestraft.

Gründe für Absturz der deutschen Wirtschaft

Um einzuordnen, warum gerade deutsche Unternehmen zuletzt an Wettbewerbsfähigkeit verloren haben, lohnt ein Blick auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Deutschland steckt in einer Phase schwachen Wachstums – und viele der typischen Standortprobleme treffen die Industrie stärker als andere Volkswirtschaften.

Bürokratie, die fesselt

Kaum ein Standort bremst sich selbst so stark wie Deutschland. Laut ifo-Institut kostet die überbordende Bürokratie die Wirtschaft jährlich rund 146 Milliarden EUR – das entspricht knapp 4 % der gesamten Wirtschaftsleistung. Besonders betroffen sind kleine und mittlere Unternehmen, die laut KfW-Bank über 60 Milliarden EUR pro Jahr allein für Melde- und Dokumentationspflichten aufbringen müssen. Zwei Drittel der Belastung entstehen auf Bundesebene.

Im internationalen Vergleich liegt Deutschland bei den Bürokratiekosten an der Spitze Europas – vor Frankreich, den Niederlanden oder Polen. Die Folgen sind lange Genehmigungsverfahren, ein lähmender Verwaltungsapparat und immer mehr abwandernde Investitionen.

Bürokratiekosten im internationalen Vergleich

Land Bürokratiekosten in % des BIP Jährliche Belastung (Mrd. €) Quelle
Deutschland 3,8 % 146 ifo Institut (2024)
Frankreich 2,9 % 90 OECD
Niederlande 2,3 % 35 CPB Netherlands Bureau
Polen 1,8 % 25 EU-Kommission
USA 1,5 % 350 Columbia Business School
Schweiz 1,4 % 10 SECO 2024

Hohe Steuern

Auch steuerlich gilt Deutschland längst nicht mehr als attraktiver Standort. Der kombinierte Unternehmenssteuersatz liegt bei rund 30 % und damit deutlich über dem EU-Durchschnitt von etwa 21 %. Neben der Körperschaftsteuer (15 % plus Solidaritätszuschlag) schlägt vor allem die Gewerbesteuer zu, die je nach Kommune bis zu 16 % erreichen kann.
Eine ZEW-Analyse zeigt: Deutschland liegt im EU-Vergleich der Unternehmenssteuern auf Platz 21 von 27 – während Länder wie Polen, Tschechien oder Ungarn mit deutlich niedrigeren Sätzen punkten. Für kapitalintensive Branchen ist das ein klarer Wettbewerbsnachteil.

Unternehmenssteuern in Europa (2024)

Land Unternehmenssteuer gesamt Effektive Belastung Rang (EU) Quelle
Deutschland 29,9 % 30–33 % 21 / 27 Tax Foundation, ZEW
Frankreich 25,8 % 28 % 18 OECD
Spanien 25 % 26 % 15 EU-Kommission
Italien 24 % 27 % 17 Eurostat
Polen 19 % 19 % 6 Tax Foundation
Tschechien 19 % 20 % 7 Tax Foundation
Ungarn 9 % 10 % 1 EU-Kommission
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Demografischer Wandel als Risiko

Alterspyramiden im Vergleich | Quelle: Demografie Portal

Einer der stärksten strukturellen Bremsklötze für die deutsche Wirtschaft ist die Demografie. Wir stehen am Höhepunkt des Übergangs: Die geburtenstarken „Babyboomer“-Jahrgänge (ca. 1955-1970) treten nun massenhaft in den Ruhestand.

Dieses „Greying Germany“ hat zwei massive ökonomische Konsequenzen:

  1. Arbeitsmarkt: Der offensichtlichste Effekt ist ein akuter Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel, der das Produktionspotenzial der gesamten Volkswirtschaft deckelt.
  2. Sozialsysteme: Gravierender ist die Kostenexplosion in den umlagefinanzierten Systemen. Das Verhältnis von Beitragszahlern zu Leistungsempfängern kippt dramatisch.

Die finanziellen Folgen sind enorm. Der Bundeszuschuss zur Rente – bereits heute der größte Einzelposten im Haushalt (ca. 128 Mrd. EUR für 2025) – „verdrängt“ andere Ausgaben. Da die Gesamtausgaben der Rentenkasse von aktuell 394 Mrd. EUR auf prognostizierte 680 Mrd. EUR bis 2040 klettern, fehlt dieses Geld unweigerlich für Zukunftsinvestitionen in Digitalisierung, Infrastruktur oder Energiewende.

Für Unternehmen bedeutet dies steigende Lohnnebenkosten, die direkt auf die Wettbewerbsfähigkeit drücken. Für die Binnenkonjunktur bedeutet es geringeren privaten Konsum, da die Lasten steigen. Diese strukturelle Schwäche trifft besonders inlandsorientierte Unternehmen (MDax, SDax) oft härter als global aufgestellte DAX-Konzerne.

Energiekosten im Vergleich

Industriestrompreis im H2 2024 | Quelle: statista

Ein weiterer massiver Bremsklotz für die deutsche Industrie sind die Energiekosten. Im internationalen Vergleich, aber auch innerhalb Europas, zahlt die deutsche Wirtschaft Spitzenpreise für Strom.

Wie die Grafik deutlich zeigt, liegt Deutschland im EU-Vergleich im oberen Drittel. Während der EU-Durchschnitt bei etwa 16 ct/kWh liegt, muss die deutsche Industrie rund 20 ct/kWh zahlen. Länder wie Spanien oder das (nicht-EU) Land Norwegen mit seiner massiven Wasserkraft sind dramatisch günstiger und damit wettbewerbsfähiger.

Die Gründe für diesen „deutschen Aufschlag“ sind vielschichtig:

  • Hohe Steuern, Abgaben & Umlagen: Nirgendwo sonst in Europa ist die staatliche Belastung auf Strom so hoch wie in Deutschland (Stromsteuer, Mehrwertsteuer).
  • Hohe Netzentgelte: Der schnelle Ausbau der Erneuerbaren erfordert einen massiven und teuren Netzausbau, dessen Kosten auf die Verbraucher umgelegt werden.
  • Energiewende-Struktur: Der parallele Ausstieg aus Atomkraft und Kohle bei gleichzeitigem Hochlauf der E-Mobilität und Wärmepumpen schafft eine teure Abhängigkeit von Spitzenlastkraftwerken.

Hoffnung auf Grünen Strom

Der massive Ausbau von Wind- und Solarenergie hat das Potenzial, die Preise strukturell zu senken. Der Grund: Sobald die Anlagen einmal stehen, sind ihre laufenden Betriebskosten (Grenzkosten) extrem niedrig – die Sonne und der Wind schicken keine Rechnung. Je höher der Anteil dieser günstigen Energie im Netz ist, desto stärker drückt dies den Börsenstrompreis. Die Herausforderung bleibt, diese Energie effizient zu speichern und zu den Verbrauchern zu transportieren.

8 gefallene deutsche Aktien in der Analyse

HelloFresh

Die Aktie von HelloFresh bleibt ein Paradebeispiel für den Absturz eines einstigen Börsenstars: Seit Jahresbeginn hat sie rund 55 % verloren, auf Fünfjahressicht sogar 88 %. Nach dem Boom in der Pandemie kämpft der Kochboxen-Versender mit sinkender Nachfrage und Problemen im US-Geschäft mit Fertiggerichten („Ready to Eat“/RTE).

Das Management hat die Prognose für 2025 am unteren Ende der bisherigen Spanne konkretisiert: Der Umsatz soll währungsbereinigt um rund 8 % sinken, das operative Ergebnis (EBIT) liegt mit –177 Millionen EUR im Minus. Immerhin verbessert sich der Free Cashflow auf 73 Millionen EUR – ein Ergebnis des 300 Millionen EUR umfassenden Effizienzprogramms „ReFresh“, das Kosten senkt und zugleich in Menüvielfalt und Qualität reinvestiert. Das Programm soll bis Ende 2026 rund 300 Millionen EUR an jährlichen Einsparungen zu realisieren und die operative Marge schrittweise wieder in den positiven Bereich zu führen.

Analysten zeigen sich gespalten: Einige loben Fortschritte bei der Kostendisziplin und eine Stabilisierung im Kerngeschäft mit Kochboxen, andere warnen vor tiefgreifenden strukturellen Problemen im RTE-Segment. Gerade hier liegt die große Unsicherheit: Wenn es gelingt, die Marke „Factor“ zu stärken und operative Fehler zu beheben, besitzt das Geschäft enormes Potenzial – scheitert die Wende, drohen dauerhaft schwächere Margen. Trotz der Herausforderungen stufen einige Analysten die Aktie bereits wieder als chancenreich ein: Die UBS hat HelloFresh im Oktober auf „Buy“ hochgestuft und das Kursziel auf 10,80 EUR angehoben.

Chart

Über HelloFresh gibt es charttechnisch wenig positives zu berichten. Die Aktie befindet sich im Wochenchart in einem deutlichen Abwärtstrend und steuert stark auf die letzte vorhandene Unterstützung zwischen 4,45 – 4,90 EUR zu. Darunter lautet das nächste Ziel wohl Pennystock. Für eine erste wirkliche Erholung im Chart sollte die Aktie zunächst die 8 EUR-Marke zurückerobern.

TeamViewer

TeamViewer ist einer der wenigen international erfolgreichen deutschen Softwarekonzerne. Das Unternehmen aus Göppingen bietet Fernwartungs-, Remote-Support- und IT-Management-Lösungen an, die weltweit in Millionen Firmen genutzt werden. Dennoch hat die Aktie seit Jahresbeginn rund 38 % verloren – weniger wegen schwacher Zahlen als aufgrund einer Reihe von Prognoseanpassungen und der teuren Übernahme des britischen IT-Anbieters 1E, deren Nutzen Anleger lange nicht überzeugte.

Operativ läuft es stabil: Für 2025 erwartet TeamViewer einen Umsatz von rund 765 Millionen EUR, ein operatives Ergebnis (EBIT) von 242 Millionen EUR und einen Free Cashflow von 218 Millionen EUR – eine Cashflow-Rendite von rund 20 %. Mit neuen Produkten wie „DEX Essentials“ und der Plattform „TeamViewer ONE“ will der Konzern den Wandel vom Fernwartungs-Tool hin zur umfassenden IT-Management-Plattform vollziehen. Besonders das Enterprise-Geschäft wächst, unter anderem durch einen Großauftrag eines globalen Automobilherstellers, der die AR-Lösung „Frontline“ nutzt.

Trotz hoher Profitabilität reagierte der Markt sensibel auf die teure Akquisition und eine zeitweise unklare Kommunikation der Strategie. Mit einem KGV von rund 7 und einer Free-Cashflow-Rendite von 20 % ist die Aktie jedoch attraktiv bewertet. Analysten sehen im Schnitt ein Kursziel von 10,95 EUR – ein mögliches Plus von über 80 %. Der operative Turnaround ist geschafft, der an der Börse steht noch aus.

Chart

Bei TeamViewer sieht es nicht weniger düster aus als bei HelloFresh. Der RSI ist hier zwar noch deutlicher überverkauft, aber es gibt keinerlei charttechnische Unterstützungszonen mehr, auf die die Aktie hoffen könnte. Das letzte Allzeittief aus Oktober 2022 dürfte nun bei einer bislang aussichtslosen Erholung zu einem Widerstand werden. Eine kurzfristige Gegenbewegung ist bei dem aktuell sehr überverkauften Zustand natürlich möglich.

Zalando

Von über 105 EUR im Sommer 2021 auf zuletzt rund 22,50 EUR – die Zalando-Aktie hat in vier Jahren mehr als 80 % an Wert verloren. Dabei läuft das operative Geschäft stabiler, als der Kurs vermuten lässt. Nach einem soliden dritten Quartal 2025 bestätigte das Management die Jahresprognose und erwartet ein starkes Weihnachtsgeschäft.

Für 2025 rechnet Zalando mit einem Umsatz von rund 12,19 Milliarden EUR, einem operativen Ergebnis (EBIT) von 443 Millionen EUR und einem Free Cashflow von 427 Millionen EUR, was einer Rendite von etwa 7 % entspricht. Die Integration des übernommenen Konkurrenten About You erweitert die Kundenbasis auf über 60 Millionen, belastet aber kurzfristig die Marge – das bereinigte EBIT lag zuletzt bei 3,2 %.

Strategisch baut Zalando sein Ökosystem weiter aus: Neben dem klassischen Modehandel wächst das margenstarke B2B-Segment (ZEOS & SCAYLE) mit über 15 % jährlich und gewinnt Großkunden wie Marks & Spencer oder Deichmann. Auch die neue Partnerschaft mit dem Deutschen Fußball-Bund stärkt die Positionierung im Sport- und Lifestyle-Bereich.

Mit einem KUV von 0,54 und einem KGV um 22 ist Zalando moderat bewertet. Analysten sehen das durchschnittliche Kursziel bei 36,85 EUR, was einem theoretischen Potenzial von über 60 % entspricht. Der Kursverfall spiegelt daher weniger eine operative Krise als die Skepsis wider, ob Zalando Wachstum und Profitabilität langfristig in Einklang bringen kann.

Chart

Der Kursverlauf bei Zalando ist insbesondere in den letzten Tagen ein Trauerspiel. Die Aktie konnte nach Veröffentlichung der zuletzt besseren Zahlen deutlich zulegen, wurde allerdings extrem hart am Widerstand zwischen 24,60 und 25,20 EUR abgeschmettert und handelt nun sogar wieder tiefer als vor Veröffentlichung der Zahlen. Eine schnelle Rückeroberung der Zone zwischen 22,50 und 23 EUR könnte allerdings eine Einstiegsgelegenheit darstellen. Fällt die Aktie unter 22 EUR, dürfte es zeitnah in Richtung 20-21 EUR gehen. Hier könnte man ebenfalls nach einem Einstieg suchen.

Porsche

Der Porsche AG gelang Ende 2022 ein Blockbuster-IPO, doch die Aktie fiel schnell deutlich unter den Ausgabepreis von 82,50 EUR und notiert aktuell bei knapp 45 EUR. Der Absturz spiegelt die allgemeine Schwäche deutscher Auto-Aktien wider, die von einer akuten Absatzdelle im Kernmarkt China getroffen wurden. Hinzu kamen hausgemachte Probleme, wie die durch das Software-Chaos im VW-Konzern massiv verzögerte Einführung wichtiger E-Modelle (E-Macan), die für Unsicherheit sorgten.

Als Konsequenz auf die global abkühlende E-Auto-Nachfrage vollzieht das Management nun einen spürbaren Kurswechsel. Statt auf ‚E-only‘ zu setzen, wird die Flexibilität betont: Hochprofitable Verbrenner-Modelle, allen voran der 911, sollen (auch als Hybrid) länger im Programm bleiben, um die für Porsche essenziellen Margen zu sichern.

Immer noch hohe Bewertung

Trotz des massiven Kursrückgangs ist die Porsche-Aktie aber alles andere als ein Schnäppchen. Ein Blick auf die Bewertungskennzahlen zeigt ein KGV von knapp 19 und ein KUV von ca. 1. Stellt man dies in den Kontext der Peer-Group, wirkt Porsche enorm teuer: Volkswagen wird beispielsweise mit einem KGV von unter 5 und einem KUV von rund 0,15 bewertet. Zwar rechtfertigt die Exklusivität und hohe Marge der Stuttgarter einen klaren Premium-Aufschlag, doch angesichts der aktuellen Wachstumsdelle und der E-Strategie-Unsicherheit ist die Frage berechtigt, ob dieser Aufpreis noch gerechtfertigt ist.

Chart

Auf Porsche blicken wir im Tageschart. Die Aktie handelt seit April 2025 in einer Range zwischen 39,50 und 49,35 EUR. Es zeichnet sich eine Bodenbildung ab, wobei die Aktie zuletzt wieder an der 200-Tagelinie abgewiesen wurde. Ein Ausbruch über 50 EUR könnte der Aktie zu einem echten Turnaround verhelfen. Vorher sollte man sich hier zurückhalten, da bei knapp unter 50 EUR noch ein Gap vom 26. März zu schließen ist.

Long über 50 EUR mit Stop zwischen 47 und 48 EUR – erste Zielzone zwischen 55,30 und 57,50 EUR. Das vorgestellte Szenario könnte auch mit einem K.O.-Zertifikat der HSBC, WKN: HT3Z8L (2,85er Hebel) umgesetzt werden.

Carl Zeiss Meditec

Die Carl Zeiss Meditec AG ist ein weltweit führender Medizintechnik-Anbieter, spezialisiert auf High-Tech-Lösungen für die Augenheilkunde und die Mikrochirurgie. Das Unternehmen wird dabei strategisch stark von der Muttergesellschaft, der Zeiss Gruppe (einer Stiftung), kontrolliert, die die Mehrheit der Anteile hält.

Der Hauptgrund für die jüngste Kursschwäche ist die hohe Abhängigkeit vom Absatzmarkt China, der lange ein Garant für starkes Wachstum war. Dieser Markt schließt sich jedoch zusehends: Neue staatliche Regularien und eine klare politische Bevorzugung heimischer Medizintechnik-Hersteller treffen das Geschäft hart und sorgen für Unsicherheit.

Stärke durch Innovationskraft

Die Hoffnung basiert auf der enormen Innovationskraft: Carl Zeiss Meditec hält starke Patente und profitiert im globalen High-End-Segment vom exzellenten Ruf des „Made in Germany“. In der hochsensiblen Medizintechnik sind Präzision und Verlässlichkeit oft wichtiger als der reine Preis, was dem Unternehmen einen Vorteil gegenüber neuer Konkurrenz verschaffen sollte.

Die Gewinnentwicklung steht aktuell stark unter Druck. Wie die Grafik (siehe Bild) deutlich zeigt, ist das Betriebsergebnis (EBIT) nach Spitzenjahren 2021/2022 im Jahr 2024 massiv eingebrochen. Diese Margenschwäche ist eine direkte Folge aus hohen, zukunftsorientierten F&E-Kosten sowie strategisch erhöhten Vertriebsaufwendungen, um in den umkämpften Märkten zu bestehen. Diese Kostenblöcke belasten das Ergebnis kurzfristig erheblich.

Chart

Die Aktie von Carl Zeiss ähnelt dem Chartbild von Porsche, allerdings wurde der Titel zuletzt deutlich stärker von einem ersten Turnaround-Versuch zurückgewiesen. Der Ausbruch über 46,30 EUR wurde zwischen 47,60 und 48,80 EUR abgewiesen und die Aktie ist bis auf die Unterstützung zwischen 40,50 und 41,75 EUR zurückgelaufen. Die erste Reaktion an dieser Zone war positiv zu werten. Über 43,10 könnte der nächste Erholungsversuch der Aktie starten. Bei einem Ausbruch über 44,30 EUR wäre auch die 50-Tagelinie genommen. Der mittelfristige Turnaround nimmt allerdings erst Formen an, wenn die Aktie sich über 48,80 EUR etablieren kann.

Steico

Steico ist ein wichtiger europäischer Player für Holzfaser-Dämmstoffe und gilt als „Pure-Play“ auf den Trend des ökologischen Bauens und der energetischen Sanierung. Das Unternehmen stellt also Schlüsselkomponenten für den modernen, nachhaltigen Hausbau her.

Der Absturz der Aktie von ihren Hype-Höhen ist die direkte Folge des Kollapses der Baubranche. Die Zinswende der EZB hat die Finanzierungskosten für den Neubau explodieren lassen, was zu massiven Stornierungen und einem Einbruch der Nachfrage führte. Als direkter Zulieferer wurde Steico von diesem Nachfrage-Schock voll getroffen.

Umsatzschwäche durch Absatzprobleme

Durch die Zinswende brach der Absatz und damit auch der Umsatz 2023 massiv ein, nachdem er 2021/2022 noch Spitzenwerte erreicht hatte. Die Erholung in der Branche läuft seitdem extrem schleppend. Obwohl die Prognosen für 2025/2026 wieder leichtes Wachstum andeuten, ist dieses Niveau weit von der alten Dynamik entfernt und zeigt, wie tief der Nachfrage-Einbruch durch die gestiegenen Zinsen und die hohe Verunsicherung im Sektor noch immer wiegt.

Mittelfristig kann Steico allerdings sehr interessant werden, da Wohnraum dringend gebraucht wird, und sich Steico als nachhaltiger Player stark positioniert hat, um von dem Trend zu profitieren. Dafür müssen allerdings stabile politische Rahmenbedingungen für die Baubranche her.

Chart

Das ganze Ausmaß des Verfalls bei Steico wird wieder nur im Wochenchart deutlich. Von über 125 EUR auf unter 20 EUR innerhalb von rund 4 Jahren ist eine Ansage. Das Corona-Tief bei rund 17,50 EUR wurde Anfang 2025 nur knapp unterschritten. Von hier konnte sich die Aktie zaghaft erholen. Eine positive Reaktion in diesem Bereich könnte den nächsten Turnaround-Versuch einleiten, sofern die Baukonjunktur in Deutschland anziehen sollte. Positionieren sollte man sich hier frühestens wieder über der 50-Wochenlinie und über 22,50 EUR oder bei einer sehr sauberen Reaktion aus der Unterstützungszone zwischen 17,50 und 19,20 EUR heraus.

BASF

Von über 90 EUR auf aktuell rund 43 EUR – die Aktie des weltgrößten Chemiekonzerns BASF hat in den vergangenen Jahren mehr als die Hälfte ihres Wertes verloren und gehört damit zu den größten Enttäuschungen im DAX. Auf Zehnjahressicht liegt die Performance bei minus 12 %, während der DAX im gleichen Zeitraum deutlich zulegte.

Standortnachteile drücken die Margen

Der Absturz hat System: BASF kämpft an allen Fronten mit den strukturellen Schwächen des Standorts Deutschland. Hohe Energiekosten, die zu den teuersten in Europa zählen, treffen den energieintensiven Chemiekonzern mit voller Wucht. Dazu kommt eine chronisch niedrige Kapazitätsauslastung von nur 75 % – weit unter der Rentabilitätsschwelle. Das Stammwerk in Ludwigshafen schreibt Verluste. Seit 2022 läuft ein umfassendes Sparprogramm: Tausende Stellen werden abgebaut, Produktionsanlagen geschlossen. Bis Ende 2026 sollen jährlich 2,1 Milliarden EUR an Kosten eingespart werden – aktuell sind davon bereits 800 Millionen EUR erreicht.

Die Zahlen für das dritte Quartal 2025 fielen durchwachsen aus: Der Umsatz ging um 3 % auf 14,3 Milliarden EUR zurück, das EBITDA vor Sondereinflüssen lag mit 1,4 Milliarden EUR leicht unter dem Vorjahresniveau. Das Kaufverhalten der Kunden bleibt in nahezu allen Branchen und Regionen zurückhaltend. Für das Gesamtjahr hat BASF die Prognose auf 6,7 bis 7,1 Milliarden EUR EBITDA angepasst – das untere Ende der ursprünglichen Erwartungen. Positiv: Im November startete BASF vorzeitig ein Aktienrückkaufprogramm über 1,5 Milliarden EUR bis Juni 2026, insgesamt sollen bis 2028 vier Milliarden EUR in den Rückkauf fließen.

Globale Aufstellung als einziger Lichtblick

Der einzige Lichtblick: BASF verfügt über eine globale Aufstellung mit Produktionsstandorten in allen wichtigen Regionen. Rund 90 % der Umsätze in Europa und Nordamerika stammen aus lokaler Produktion, was den Konzern widerstandsfähiger gegen Zölle macht. Doch ohne eine nachhaltige Erholung der Chemieindustrie und strukturelle Verbesserungen am Standort Deutschland bleibt BASF eine schwierige Wette. Mit einem KGV um 19 und einer Dividendenrendite von über 5 % ist die Bewertung zwar nicht mehr teuer – aber die operative Schwäche wiegt schwer.

Chart

BASF ist seit Beginn des Jahres 2022 in einer Seitwärtsphase zwischen 38 und 55 EUR gefangen. Zuletzt wird die Aktie von der 50- und 200-Wochenlinie zusätzlich gedeckelt. Die Zone zwischen 38 und 40,25 EUR hat in den letzten Jahren allerdings mehrfach gehalten. Ein Einstieg drängt sich allerdings aufgrund des sehr hohen Volumens über dem Kurs und dem weiteren Widerstand durch die gleitenden Durchschnitte nicht auf. Von einem wirklichen Turnaround könnte man erst jenseits von 55 EUR sprechen.

Vonovia

Von über 50 EUR auf zwischenzeitlich unter 18 EUR – die Aktie von Deutschlands größtem Wohnungskonzern Vonovia gehört zu den spektakulärsten Abstürzen der vergangenen Jahre. Seit dem Höhepunkt 2021 hat die Aktie mehr als 60 % an Wert verloren und notiert aktuell bei rund 25 EUR. Dass selbst solide Quartalszahlen den Kurs kaum bewegen, zeigt: Die Skepsis der Anleger sitzt tief.

Zinswende traf das Geschäftsmodell hart

Der Grund für den Absturz ist bekannt: Die drastischen Zinserhöhungen der EZB seit 2022 trafen die hoch verschuldete Immobilienbranche mit voller Härte. Steigende Finanzierungskosten, ein einbrechendes Transaktionsvolumen und massive Bewertungsverluste im Portfolio brachten das Geschäftsmodell ins Wanken. 2023 musste Vonovia einen Rekordverlust von 6,76 Milliarden EUR ausweisen – hauptsächlich bedingt durch Abschreibungen. Der Konzern reagierte mit einem rigorosen Verkaufsprogramm und stellte Neubauprojekte auf Eis. Die Phase der Konsolidierung dauerte zwei Jahre.

Doch die Wende ist geschafft: In den ersten neun Monaten 2025 steigerte Vonovia das bereinigte EBITDA um 6,4 % auf 2,12 Milliarden EUR, das bereinigte EBT kletterte um 6,8 % auf 1,46 Milliarden EUR. Noch beeindruckender: Der operative Free Cashflow schoss um 27,4 % auf 1,48 Milliarden EUR nach oben. Unter dem Strich steht ein Gewinn von 3,4 Milliarden EUR – nach einem Verlust von 592 Millionen EUR im Vorjahr. Das Kerngeschäft läuft stabil: Die Leerstandsquote liegt bei niedrigen 2,2 %, das organische Mietwachstum bei 4,2 %. Die Nachfrage nach Wohnraum in Ballungsgebieten bleibt hoch, die Mieten steigen kontinuierlich. Auch der Immobilienmarkt erholt sich: Nach der Stabilisierung im Sommer 2024 stiegen die Preise im ersten Quartal 2025 bundesweit um 3,6 %, in Metropolen wie München und Berlin sogar um über 4,5 %.

Wachstum kehrt zurück

Für 2025 bestätigt Vonovia die Prognose: EBITDA bei rund 2,8 Milliarden EUR. Für 2026 peilt der Konzern weiteres Wachstum an – das EBITDA soll auf 2,95 bis 3,05 Milliarden EUR steigen. Das Neubauprogramm mit 3.000 Wohnungen läuft wieder an, die Investitionen werden auf 1,2 Milliarden EUR hochgefahren. Mit einem aktuellen Kurs um 25 EUR und einem durchschnittlichen Analystenkursziel von rund 34 EUR könnte Vonovia ein interessanter Turnaround-Kandidat sein – vorausgesetzt, die Zinsen sinken weiter und der Immobilienmarkt stabilisiert sich nachhaltig.

Chart

Vom Höhepunkt der Flaute am deutschen Immobilienmarkt konnte sich die Aktie von Vonovia deutlich erholen. Der Aufwärtstrend der Aktie wurde mittlerweile allerdings abgewürgt und die 200-Wochenlinie deckelt den Kurs nach Norden. Sollte die Aktie nun unter die Unterstützung zwischen 23,70 und 24,35 EUR fallen, droht die Aktie wieder in Richtung der Tiefs aus 2023 durchzurutschen. Auf der Long-Seite wird die Aktie frühestens wieder über 31 EUR interessant – über 34 EUR würde sich das Chartbild weiter aufhellen.

Turnaround-Check: Die 8 Aktien im Überblick

Aktie Turnaround möglich? Einschätzung
HelloFresh Aktuell schwierig RTE-Geschäft belastet massiv, strukturelle Probleme nach Pandemie-Boom, Effizienzprogramm läuft – aber Erfolg ungewiss. Charttechnisch im Niemandsland.
TeamViewer Unter Vorbehalt Operativ stark mit 20% FCF-Rendite und KGV von 7, aber charttechnisch überverkauft und ohne konkretes Setup – Markt honoriert Transformation bisher nicht
Zalando Ja, gute Chancen Solides operatives Geschäft, About You-Integration läuft, B2B-Segment wächst 15 %+, moderate Bewertung, charttechnisch noch attraktiv
Porsche Unter Vorbehalt China-Schwäche belastet, E-Strategie-Unsicherheit, trotz Kursrückgang im Peer-Vergleich teuer, Einstieg nach charttechnischem Ausbruch über 55 EUR
Carl Zeiss Meditec Aktuell schwierig China-Markt durch Regularien verloren, hohe Abhängigkeit schwer zu kompensieren, trotz starker Innovationskraft unter Druck
Steico Möglicherweise aussichtsreich Vollständig von Bauerholung abhängig, Zinswende traf Kerngeschäft hart, Erholung noch nicht absehbar trotz Nachhaltigkeits-Trend. Wichtig, dass die aktuelle Unterstützungszone hält.
BASF Unter Vorbehalt Strukturelle Standortnachteile belasten, Sparprogramm läuft, globale Aufstellung hilft – aber Chemiemarkt schwach. Charttechnisch in Seitwärtsphase gefangen
Vonovia Ja, gute Chancen Starke Q3-Zahlen, Cashflow +27 %, Immobilienmarkt erholt sich, Kerngeschäft stabil, attraktive Bewertung aber Chart angeschlagen

Fazit

Der Blick auf diese acht gefallenen Aktien zeigt: Ein Kursabsturz allein macht noch kein Investment-Case. Entscheidend ist, ob die Probleme hausgemacht und lösbar sind – oder ob externe Faktoren das Geschäftsmodell fundamental unter Druck setzen.

Das große Problem: Standort Deutschland

Viele der betroffenen Unternehmen leiden unter denselben Strukturschwächen:

  • Bürokratie: 146 Mrd. EUR jährliche Kosten – Spitze in Europa
  • Steuern: 30% Unternehmenssteuern vs. 21% EU-Durchschnitt
  • Energie: Zu den teuersten Strompreisen weltweit

Solange sich hier nichts ändert, bleiben inlandsfokussierte MDAX- und SDAX-Werte systematisch benachteiligt. Global aufgestellte DAX-Konzerne können diese Nachteile besser kompensieren.

Die Anleger-Strategie: Nicht jede günstige Bewertung ist eine Kaufgelegenheit. Der Fokus sollte auf Unternehmen mit robusten Geschäftsmodellen liegen, bei denen die operative Stärke intakt ist und der Markt überreagiert hat. Bei strukturell angeschlagenen Namen braucht es oft Jahre und externe Katalysatoren für eine nachhaltige Wende – hier ist Geduld gefragt oder besser gleich Finger weg.

Unsere Favoriten: Unter den vorgestellten Aktien sehen wir Vonovia und Zalando bereit für einen Turnaround – Steico könnte ebenfalls noch spannend werden. Die operative Entwicklung zeigt insbesondere bei Zalando und Vonovia wieder nach Norden und bei Steico bleibt die Hoffnung auf bessere Zeiten der Immobilienbranche. Charttechnisch befinden sich diese drei Aktien noch in spannenden Bereichen oder haben zumindest noch Unterstützungszonen unter sich, an denen ein Einstieg denkbar wäre – im Gegensatz hierzu wären Einstiege bei HelloFresh oder TeamViewer eher der Griff ins berühmte fallende Messer.

Offenlegung wegen möglicher Interessenkonflikte

Der Autor ist im besprochenen Wertpapier bzw. Basiswert zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Analyse investiert (Steico). Transparenzhinweis. Der Artikel dient nur Informationszwecken und stellt keinen Aufruf zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren da.

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