Kommentar
19:09 Uhr, 03.05.2010

Ist der Computer der bessere Trader

An der Börse gibt es immer wieder wechselnde Moden. Das gilt auch für die Analyse- und Handelsmethoden, mit denen Anleger versuchen, dem Markt Gewinne abzuringen. „Handeln Sie automatisiert“, lautet momentan der Werbespruch einiger Anbieter auch im CFD- und Forex-Bereich. Die Argumentation ist eingängig: Oft sind es die Emotionen, also unsere Ängste, Hoffnungen und unsere Gier, die den Börsenerfolg vereiteln. Was liegt da näher, als einfach einen Computer an die Broker-Plattform anzuschließen, der entsprechend programmiert nach einem festen System kauft und verkauft. So können einem die Emotionen bei der Umsetzung der eigenen Handelsidee nicht mehr dazwischen funken. In der Realität sieht das dann so aus. Man testet irgendwelche Trendfolgeindikatoren, wie gleitende Durchschnitte rückwärts mit den Kursen der Vergangenheit. Irgendwann findet man dann einen Wert, der beispielsweise immer dann, wenn der eine gleitende Durchschnitt den anderen durchbricht, Gewinne produziert hat. Das Handelsprogramm wird dann demensprechend konfiguriert, so dass es zukünftig Kaufs- und Verkaufssignale auf dieser Basis generiert. Die Logik ist einfach. Was in den vergangen Monaten oder gar Jahren funktioniert hat, wird auch in Zukunft funktionieren. Arbeiten war also gestern, ab jetzt arbeitet das eigene Geld und das auch noch von ganz alleine. Denjenigen, denen diese wundersame Geldvermehrung verwehrt ist, weil sie des Programmierens von Handelssystemen nicht mächtig sind, bieten dann in der Peripherie des Brokers angesiedelte Firmen oder korrekter ausgedrückt Websites, Handelssysteme zum Kauf an. Diese haben natürlich eine tolle Performance in der Vergangenheit abgeliefert und sollen dem Käufer zukünftig ganz ohne eigenen Programmieraufwand an diesem tollen Geschäft teilhaben lassen. „Wie der kleine Moritz sich das vorstellt“, hätten die Wiener gesagt. Denn wäre Börse so einfach, dann würde in der Tat niemand mehr arbeiten gehen, sondern sein Handelssystem für sich arbeiten lassen.

Wer sich mit dem Thema automatischer Handel einmal eingehender beschäftigt hat, der weiß, wie komplex dieses Thema ist. Zweifellos gibt es professionelle Anleger wie Hedgefonds, die hier dauerhaft Erfolge erzielt haben. Doch sie alle kennzeichnet, dass sie ihre Systeme permanent anpassen und damit der Mehrheit der anderen Programmierer und der Börse einen Schritt voraus sind. Wobei auch von den Profianlegern längst nicht alle gewinnen. Für Privatanleger, die sich auf die fraglichen Angebote einlassen, die derzeit stark promotet werden, gilt jedoch der Satz, der auch für jeden Besucher eines Spielcasinos gilt: „Gewinnen kann man, verlieren muss man!“ Denn oft ist die scheinbare Systematik historischer Kursverläufe eine reine Aneinanderreihung von Zufällen. Wer beim Roulette 100 Ausspielungen auswertet, würde auch zu dem Schluss kommen, dass eine Farbe – entweder rot oder schwarz – häufiger kommt, als die andere. Das Handelssystem, das in der Theorie hieraus entstünde, würde ebenfalls Traumrenditen prospektieren, das reale Ergebnis aber würde in die Pleite führen.

Es ist richtig, die Emotionen sind oft ein Stolperstein auf dem Weg zum Börsenerfolg, weil sie einem den objektiven Blick vernebeln können. Hier aber liegt eben auch die Chance des Einzelnen. Wer seine Psyche im Griff hat, macht sich zu Nutzen, dass die Mehrheit der Anleger dies nicht beherrscht. Intuition speist sich nach meiner Erfahrung aus einer so großen Menge an Erfahrungen, dass kein Handelssysteme diese Komplexität erfassen könnte. Ich hab in meiner Spekulanten-Karriere intuitiv oft genau gewusst, wann ich hätte einsteigen und vor allem wann ich hätte aussteigen sollen. Doch oft habe ich nicht danach gehandelt, weil die Gier zu groß war, die Position sich im Verlust befand, oder ich schlicht Angst hatte, Gewinne zu verpassen. Doch ich trainiere mich seit Jahren, mein Handeln nicht von diesen Emotionen bestimmen zu lassen und das mit zunehmendem Erfolg. Zum Beispiel gelingt es mir heute, meinen Einstandskurs immer weniger zu beachten, der bei vielen Anlegern immer noch die entscheidende Rolle spielt. Perfekt, also völlig emotionslos wird ein menschlicher Anleger niemals sein, aber es macht den unglaublichen Reiz der Börse aus, sich zu trainieren und eine immer bessere Intuition zu entwickeln und auf diese dann auch zu hören. Kein automatisches Handelssystem kann diese Kombination schlagen.

Die erfolgreichsten Hedgefondsmanager wie beispielsweise George Soros haben ihre Milliarden übrigens ohne automatisierten Handel erzielt. Dafür dürfte es gute Gründe geben.

Stefan Riße, ist Deutschlandchef und Chefstratege von CMC Markets. Bekannt ist er durch seine jahrelange Tätigkeit als Börsenkorrespondent für den Nachrichtensender N-TV. Sein aktuelles Buch „Die Inflation kommt“, ist bereits jetzt ein Bestseller.

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