Fundamentale Nachricht
17:03 Uhr, 18.05.2021

IEA erwartet Ende des Ölzeitalters - drastischer Preisrückgang in Sicht

Die Energieexperten der IEA fordern, keine weiteren Öl- und Gasfelder mehr zu erschließen. Und sie machen eine drastische Vorhersage für die Ölnotierungen.

Paris (Godmode-Trader.de) - Die Welt hat aus Sicht der Internationalen Energieagentur (IEA), nur die eine Wahl: Entweder sie stoppt unmittelbar die Erschließung neuer Öl-, Gas- und Kohlevorkommen, oder sie muss mit einem gefährlichen Anstieg der globalen Temperaturen rechnen.

Das ist die „kühne Einschätzung der IEA“, der Organisation, die sich seit vier Jahrzehnten für die Sicherung der Ölversorgung der Industrienationen einsetzt, wie es die Finanzagentur Bloomberg formuliert. Doch in der Tat ist diese Empfehlung für eine der Ölbranche durchaus nahestehende Organisation bemerkenswert. Noch vor wenigen Jahren haben die IEA-Fachleute auf höhere Investitionen in neue Öl- und Gasfelder gedrungen, weil ansonsten Versorgungsengpässe drohten.

In ihrem neuen Fahrplan beschreibt die IEA, wie die Welt bis zur Mitte des Jahrhunderts die Emissionen an klimaschädlichem CO2 netto auf Null senken könnte. Dabei legt die IEA in drastischen Worten dar, was die Welt tun muss, um den Klimawandel mit all seinen schädlichen Auswirkungen zu vermeiden - und wie weit das von der derzeitigen Realität entfernt ist. Das Papier dient als Vorbereitung auf die Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen im November im schottischen Glasgow.

Die Eindämmung des Temperaturanstiegs auf der Erde sei „die vielleicht größte Herausforderung, der die Menschheit jemals gegenüberstand“, sagt IEA-Generaldirektor Fatih Birol laut Bericht. Es gebe einen „tragfähigen Pfad“ hin zu einem klimaneutralen globalen Energiesektor. Allerdings sei dieser „schmal“ und er erfordere „eine noch nie dagewesene Transformation“. Statt in neue Öl- und Gasfelder müsse die Welt viel mehr Geld in erneuerbare Energien und Innovationen für den Klimaschutz investieren.

Die jährliche Steigerung der Energieeffizienz muss in den nächsten zehn Jahren demnach um das Dreifache zulegen. Die Neu-Installationen von Photovoltaik-Anlagen müssten mit der Größe des aktuell größten Solarparks der Welt konkurrieren - allerdings jeden einzelnen Tag bis 2030. Innerhalb von drei Jahrzehnten müsste sich die Rolle der fossilen Brennstoffe komplett umkehren -- von heute 80 Prozent des globalen Energiebedarfs auf nur noch ein Fünftel bis Mitte des Jahrhunderts. „Unsere Roadmap zeigt die vorrangigen Maßnahmen, die heute notwendig sind, um sicherzustellen, dass die Chance auf Netto-Null-Emissionen bis 2050 nicht verloren geht", sagte Birol.

Der Verkauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotoren müsse bis 2035 eingestellt werden, wobei der Marktanteil von Elektrofahrzeugen von heute 5 Prozent der globalen Flotte bis 2030 auf 60 Prozent ansteigen müsste, fordert die IEA weiter. Die Ölnachfrage sollte auf 24 Mio. Barrel pro Tag im Jahr 2050 sinken und nie wieder das Niveau von fast 100 Mio. Barrel von vor zwei Jahren überschreiten.

Die IEA-Fachleute erwarten, dass die rückläufige Nachfrage zu einem drastischen Rückgang der Ölpreise führt. Bis 2030 sei mit einem Preis von nur noch 35 Dollar je Barrel zu rechnen. „Der Rückgang der Öl- und Gasnachfrage wird weitreichende Folgen für alle Länder und Unternehmen haben, die diese Brennstoffe liefern“, so die IEA. Viele Anlagen zur Förderung von Öl und Gas dürften sich als Fehlinvestitionen erweisen und für die Geldgeber zum Verlustgeschäft werden. Bereits 2020 hätten führende Ölkonzerne wie Shell und BP milliardenschwere Wertberichtigungen auf Öl- und Gasfelder vorgenommen.

Die Reduzierung der Emissionen auf Netto-Null - also die Schwelle, an der die Treibhausgase so schnell aus der Atmosphäre entfernt werden, wie neue hinzukommen - wird als entscheidend angesehen, um den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf nicht mehr als 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.

2 Kommentare

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  • Vakzini
    Vakzini

    „Der Rückgang der Öl- und Gasnachfrage wird weitreichende Folgen für alle Länder und Unternehmen haben, die diese Brennstoffe liefern“, so die IEA.

    Weitreichende Folgen ist eine Untertreibung. Wovon sollen die Staaten des Nahen Ostens aber auch Nigeria, Venezuela, Kasachstan usw. leben? Sagt die Studie dazu etwas?

    Die Antwort können wir uns auch selbst geben. Da müssen wir eben "Ausgleichszahlungen" an diese Staaten leisten, natürlich nur temporär, wird dann eben immer wieder verlängert. Nachhaltig investiert wird dort sicher nichts, also holen wir sie an den Tropf.

    An einen geordneten Rückzug des Ölpreises glaube ich ebenfalls nicht. Bei fallender Nachfrage werden zahlreiche Förderer verzweifelt versuchen ihren Marktanteil zu halten oder auszubauen, trotz Ausgleichszahlungen.

    21:32 Uhr, 18.05.2021
  • Red Queen Runner
    Red Queen Runner

    Die kleine Eiszeit wurde wahrscheinlich durch einen geringen Rückgang des atmosphärischen CO2 um 7-10 ppm ausgelöst. Siehe Zitat unten. D.h., die derzeitige Warmzeit wurde u.U. durch die Industrialisierung gerettet/verlängert und das Ende der Nutzung fossiler Energieträger könnte die sich ohnehin dem Ende zuneigende Warmzeit beenden.

    Lewis & Maslin (2015), Defining the Anthropocene, Nature. doi:10.1038/nature14258

    “The arrival of Europeans in the Americas led to a catastrophic decline in human numbers, with about 50 million deaths between 1492 and 1650 … The accompanying near-cessation of farming and reduction in fire use resulted in the regeneration of over 50 million hectares of forest, woody savanna and grassland with a carbon uptake by vegetation and soils estimated at 5–40 Pg within around 100 years. The approximate magnitude and timing of carbon sequestration suggest that this event significantly contributed to the observed decline in atmospheric CO2 of 7–10 p.p.m (1 p.p.m. CO2 = 2.1 Pg of carbon) between 1570 and 1620 documented in two high-resolution Antarctic ice core records. …. studies noting changes coincident with 1600 and the coolest part of the Little Ice Age (1594–1677), a relatively synchronous global event noted in geologic deposits worldwide.”

    18:54 Uhr, 18.05.2021

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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