Kommentar
21:17 Uhr, 10.06.2022

Hohe Benzinpreise: Sind Ölkonzerne wirklich die Schuldigen?

Politiker wollen die „Übergewinne“ der Ölkonzerne abschöpfen. Aber sind diese überhaupt die richtigen Sündenböcke?

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  • WTI Öl
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  • WTI Öl - WKN: 792451 - ISIN: XC0007924514 - Kurs: 120,837 $ (JFD Brokers)

Hohe Benzinpreise haben bisher noch jeden Politiker zum Populisten gemacht. Das ist in diesen Tagen nicht anders als früher und kein Land unterscheidet sich von anderen in dieser Hinsicht. Großbritannien ist vorgeprescht und alle Dämme sind gebrochen. Überall auf der Welt werden Sondersteuern für Ölkonzerne diskutiert.

Die Bevölkerung, ob in Europa, den USA oder Brasilien leidet unter hohen Benzinpreisen. Viele haben nicht die Wahl, auf das Auto zu verzichten. Wenn der Preis von einem Gut steigt, auf das man nicht verzichten kann, ist der Ärger groß. Für manche ist es sogar eine Existenzfrage.

Es liegt in der Natur der Politik, dass sie Themen wie hohe Benzinpreise aufnimmt und daraus Kapital zu schlagen versucht. Ölkonzerne, die ohnehin nicht den besten Ruf haben, eignen sich hervorragend als Ziele. Es hilft allerdings wenig, wenn man Sündenböcke identifiziert. Das allein senkt die Preise nicht.

In vielen Ländern werden daher entweder Direktzahlungen an Haushalte getätigt oder die Abgaben werden gesenkt. Beides muss finanziert werden und man nimmt es von denen, denen man die Schuld geben kann. Dass Benzin ohne die exorbitante Steuerlast zu Schnäppchenpreisen zu haben wäre, wird verschwiegen.

Trotzdem ist die moralische Frage interessant. Sollten höhere Gewinne durch einen Krieg Unternehmen zufließen oder gehören diese der Allgemeinheit? Die Frage lasse ich bewusst unbeantwortet. Stattdessen lohnt sich der nüchterne Blick auf die Wertschöpfungskette der Ölproduktion und Verarbeitung.

Der Ölpreis steht heute ungefähr 20 % höher als vor Kriegsbeginn. Der Benzinpreis hingegen steht 50 % höher (Grafik 1). Es ist nicht das erste Mal, dass der Benzinpreis dem Ölpreis davonläuft. Die Schere ist aktuell jedoch besonders groß.


Der Preisunterschied entspricht in etwa dem "Crack Spread". Der Crack Spread ist die Differenz zwischen dem Preis, zu dem Raffinerien Öl einkaufen und Ölprodukte weiterverkaufen. Der Crack Spread erreichte zuletzt ein Rekordhoch und im Gegensatz zum Ölpreis, der das Hoch zu Kriegsbeginn nicht wieder erreicht hat, steigt der Crack Spread munter weiter (Grafik 2).

Raffinerien schöpfen derzeit unglaubliche Margen ab. Im Gegensatz zu Ölkonzernen, deren Marge ungefähr um 20 % gestiegen ist, hat sich die Dollarmarge von Raffinerien mehr als verdoppelt. Im Vergleich zum Jahresende 2021 liegt eine Verdreifachung vor.

Raffinerien können diese Margen abschöpfen, weil die Lager leer sind. In den USA ist der Lagerbestand von Treibstoffen auf dem niedrigsten Stand seit mindestens 2008. Das Problem ist derzeit weniger eine Ölknappheit, sondern eine Treibstoffknappheit.


Im freien Markt würden Angebot und Nachfrage früher oder später über den Preis zueinanderfinden. Da viele auf das Auto angewiesen sind, ist das politisch nur schwer durchzuhalten. So bleibt es dabei, dass eine Senkung des Benzinpreises und die Finanzierung durch Sondersteuern einerseits gut nachvollziehbar ist. Die wenigsten Autofahrer dürften sich über eine Preissenkung beklagen.

Andererseits ist es ein enormer staatlicher Eingriff und letztendlich werden Steuern auf Öl und Benzin von Verbrauchern zu Unternehmen verschoben. Solche Eingriffe werden in normalen Zeiten von unseren Regierungen in Emerging Markets gerne kritisiert, obwohl die Kaufkraft in diesen Ländern niedriger ist, der Ölpreis aber ein globaler Preis ist. Die extreme Interventionspolitik, auf deren Geschmack man in der Pandemie gekommen ist, wird jedenfalls munter weitergeführt. Unter anderem diese Interventionspolitik ist für die hohen Preise verantwortlich. Mehr von der gleichen Politik wirkt der Inflation kaum effektiv entgegen.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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