Kommentar
17:43 Uhr, 29.06.2021

Historische spekulative Exzesse am Aktienmarkt

An spekulativen Auswüchsen mangelt es am Aktienmarkt nicht. Exzesse kennt der Finanzmarkt. Trotzdem ist der aktuelle ohne Parallelen.

Erwähnte Instrumente

  • Gamestop Corp. - WKN: A0HGDX - ISIN: US36467W1099 - Kurs: 211,350 $ (NYSE)
  • AMC Entertainment Holdings Inc - WKN: A3D7MZ - ISIN: US00165C3025 - Kurs: 58,145 $ (NYSE)

Gerade wurden die neuen Daten zum Short Interest veröffentlicht, also der Anzahl Aktien, die leerverkauft wurden. Mit großer Spannung werden diese Daten verfolgt. Alle zwei Wochen können Anleger ablesen, wie hoch das Short Interest bei Aktien gerade ist. Besonders im Fokus stehen die Hypeaktien von AMC, Gamestop und anderen. Mit den neuen Informationen kann man sagen: Shortseller lassen nicht locker. Bei AMC und Gamestop leihen sich Shortseller seit Wochen zwischen 15 % und 20 % der Aktien aus, um sie dann zu verkaufen. Vor allem der Kurs von AMC will aber einfach nicht in die Knie gehen. Allein bei AMC haben Shortseller Verluste von deutlich mehr als 5 Mrd. eingefahren.


Man könnte meinen, dass die Kurse nicht fallen, weil die Shortseller nicht lockerlassen. Auch in den Reddit Foren versucht man immer wieder Short Squeezes zu erzwingen, also Shortseller dazu zwingen, die Aktien zurückzukaufen. Das Short Interest ist dabei inzwischen moderat. Zu Beginn der Saga, Anfang des Jahres, wurden zeitweise mehr als 100 % von Gamestop-Aktien leerverkauft.

Das ist ein Extremfall, den es eigentlich nicht geben dürfte. Durch Schlupflöcher ist es jedoch möglich, mehr als die vorhandenen Aktien leerzuverkaufen. Dass es da zu einem Short Squeeze kommen kann, ist nicht verwunderlich. Bei 20 % Short Interest wie in diesen Tagen mangelt es jedoch nicht an frei verfügbaren Aktien (Grafik 2). Im Gegenteil sogar, täglich werden mehr als 150 Mio. AMC Aktien gehandelt. An manchen Tagen sind es sogar mehr als 500 Mio. Es kommt also vor, dass das Volumen an einigen Tagen sämtliche ausstehenden Aktien übersteigt (es gibt derzeit 501,78 Mio. AMC Aktien).


Shortseller haben bei so hohem Handelsvolumen kein Problem, Aktien zurückzukaufen, wenn sie wollen. Sie wollen aber nicht. Sie bleiben bei der Ansicht, dass AMC und andere Aktien maßlos überbewertet sind. Persönlich teile ich diese Ansicht. AMC musste in diesem Jahr 2,2 Mrd. an frischem Kapital aufnehmen und das Eigenkapital hat sich lediglich von -3 Mrd. auf -1 Mrd. reduziert. Da das Unternehmen bis mindestens 2023 Verluste schreiben wird, kann man es auch als bankrott bezeichnen.

Vernunft spielt aber keine Rolle. Privatanleger bleiben den Hypeaktien treu. Inzwischen weiß keiner mehr so recht, wieso eigentlich. Hedgefonds kann man durch das Kaufen von AMC-Aktien kaum noch schaden. Short Squeezes sind unwahrscheinlich.

Keiner hat damit gerechnet, dass Privatanleger so lange ausharren. Exzessive Preisblasen fallen für gewöhnlich sehr viel schneller zusammen. Selbst die Tulpenblase im 17. Jahrhundert, die immer noch die Blase schlechthin gilt, war von kürzerer Dauer. Nach drei Monaten der exzessiven Spekulation begannen die Preise zu fallen und hörten danach auch nicht mehr auf zu fallen. Ähnlich verhielt es sich bei der South Sea Company (Südseeblase).

Wenn etwas nichts wert ist, scheint der Preis besonders schnell zu steigen und danach ebenso schnell zu fallen. Dieses Mal ist es anders. Das Haltbarkeitsdatum für das hohe Preisniveau von AMC und Co. ist längst überschritten. Hier wird gerade Geschichte geschrieben.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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