Kommentar
11:09 Uhr, 24.03.2016

Helikoptergeld ist zu problematisch

„Helicopter Money“ (HM), also das Zusammenspiel der Geld- und Fiskalpolitik, ist das buzzword du jour, aber Miles Kimball, der Vordenker bezüglich negativen Leitzinsen, hält nur wenig davon.

HM ist im Prinzip nichts anderes als die Finanzierung von Steuergeschenken über Bonds, die nach Ausgabe wieder "gelöscht" werden. Der offensichtliche Nachteil ist, dass die Zentralbank sofort insolvent wird, und die Inflation möglicherweise nur dann anspringt, wenn die Bürger zudem vom Bankrott ihres Staates ausgehen. Auf der anderen Seite sind die Steuerungsmöglichkeiten im Gegensatz zur traditionellen Geldpolitik sehr begrenzt. Niemand weiß, ob es machbar ist, die Inflation jemals wieder einzudämmen – ja, man darf es auch gar nicht wissen, denn sonst ist die Sache von vornherein ein Rohrkrepierer.

Die einzige Möglichkeit „sauberes“ HM durchzuführen wäre, wenn die Regierung Bonds ausgibt (die von der Zentralbank gekauft werden und in ihrer Bilanz verbleiben) und die Erlöse sofort unter die Leute bringt. Miles Kimball stellt diesen Vorgang mittels einer einfachen Gleichung dar:

helicopter drop = standard open market operation + tax rebate

Der Vorteil dieser Operation wäre, dass die Bevölkerung Geld in der Tasche hat, ohne dass Zentralbank und Staat langfristig pleite gehen. Auf der anderen Seite handelt sich sich dabei aber um nichts anderes als um konventionelles QE + Steuerrabatt.

Gehen wir einen Schritt weiter: Wenn HM überhaupt nur deswegen im Gespräch ist, weil QE mittlerweile unwirksam geworden ist, dann könnte man theoretisch aus der Kimbalschen Gleichung das QE streichen und den Stimulus auf Steuergeschenke reduzieren – ist es möglicherweise wirklich so einfach?

Meine Meinung: „Helicopter Money“ hört sich gut an, ist aber als Instrument vollkommen unbrauchbar, und nur im absoluten Katastrophenfall anwendbar (wenn man sich entscheiden muss ob Deflationskollaps sofort, oder Hyperinflation ein paar Tage später). Will man wirklich die Potenz der Geldpolitik auf seriöse Weise steigern, sollte man Negativzinsen konsequent weiterdenken - alles andere ist ein kaum kontrollierbares Experiment.

Die andere Alternative wäre natürlich die Rückabwicklung der überbordenden Steuer- und Regulierungwahnsinns (Regulierung = Steuer) und die Rückkehr zu einem „kapitalistischeren“ System. Ist zwar auch Helikoptergeld, aber leider derzeit undenkbar.

PS: Ich verwende den Ausdruck "Steuergeschenk" wohlwissend, dass der Staat dem Bürger überhaupt nichts „schenkt“ nur weil er weniger Steuern einfordert.

PPS: Ich hänge noch einmal einen alten Beitrag bezüglich "Helicopter Money" an, der die Insolvenzproblematik beleuchtet:

Helicopter Money – Pie in the Sky?

Bernanke aka „Helicopter Ben“ wurde oft unterstellt, dass er mittels "Quantitative Easing" Geld vom Himmel regnen lässt, da man seinen Bezug auf Milton Friedman aus dem Jahr 2002 aus dem Zusammenhang riss und dabei übersah, dass es sich bei den Operationen der Fed um einen lupenreinen Asset-Swap handelte.

Bank Underground, der alternative Weblog der Bank of England hat in einem interessanten Beitrag diese, und vor allem noch einige andere wichtige Tatsachen, wie den Unterschied zwischen „Helicopter Money“ (kurz HM) und QE, klargestellt (siehe Link).

Während QE beispielsweise immer temporär ist, da die Zentralbank-Assets irgendwann auslaufen, handelt es sich beim HM um eine dauerhafte und problembehaftete Operation.

Warum? Beim Drucken von wirklichem HM, bringt die Regierung über die Aufnahme von Staatsschulden Geld in Umlauf.

Dieser Vorgang an sich generiert aber kein neues Geld, sondern höchstens Deflation, da die Bürger aufgrund der steigenden Staatsschulden zukünftig höhere Steuern erwarten und ihre Ersparnisse horten - die Notenbank muss diese Schulden also aufkaufen.

Dieser Schritt wurde im Rahmen von QE gegangen, stellt aber immer noch kein Gelddrucken dar, da die von der ZB gekauften Anleihen lediglich gegen Reserven getauscht wurden, aber weiter in ihrer Bilanz verbleiben (dem System als Ganzem wurde weder etwas hinzugefügt, noch etwas entzogen).

Um nun wirklich den befürchteten „Helicopter Drop“ durchzuführen (und Gold in die Stratosphäre knallen zu lassen), müsste die Zentralbank die Staatsschulden in ihrem Portfolio vernichten, um den Menschen, bzw. der Wirtschaft die Angst vor der höheren Steuerlast in der Zukunft zu nehmen.

Das Problem? Die Passivseite der Zentralbank wäre nun größer als die Aktivseite, sprich sie ist insolvent, und (wichtig!) muss es auch auf alle Ewigkeit bleiben. Sobald nämlich eine Rekapitalisierung zu erwarten wäre, würden die dadurch enstandenen, inflationären Signale wieder negiert.

Das viel größere Problem? Die Zentralbank hat damit die Kontrolle über die Inflation verloren!

Zwar könnte die Zentralbank durchaus im dauerhaften Zustand der Insolvenz verbleiben, aber da sie weiterhin Zinsen auf die im Zuge von QE erzeugten Reserven zahlen muss, würde ihr Defizit täglich anwachsen, und damit der Wert von Geld erodieren.

An dieser Stelle kommt jetzt typischerweise der Einwand, dass die Notenbank ja einfach die Zinszahlungen einstellen könnte. Ja, das könnte sie natürlich, aber da der neue Leitzinssatz der USA dem Zins auf Überschussreserven und nicht mehr der Federal Funds Rate entspricht (!), wäre dies ein Bekenntnis dazu, dass die Zinsen NIE WIEDER steigen würden.

„Helicopter Money“ ist aus diesem Grunde absolut keine Option für die Zentralbank. Es sei denn natürlich, sie wollte sich selber auflösen, und den Goldbugs endlich ihre lang erhofften Kursziele für das Edelmetall gönnen.

Negativzinsen here we come!

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Über den Experten

Simon Hauser
Simon Hauser
Redakteur

Simon Hauser hält für Guidants News die Stellung in North Carolina und sendet aus sicherer Entfernung zur Wall Street Echtzeitnachrichten in die Welt. Leider spielen die Kennzahlen der Wirtschaftsteilnehmer oft nur eine untergeordnete Rolle und werden dominiert von einem hysterischen Medienzirkus, punktundkommalosem Zentralbank-Blubber, und mysteriösen Algo-Kreaturen. Simon Hauser hat über die Jahre als aktiver Börsenteilnehmer ein krudes Interesse für diese Dinge, welche in einer perfekten Welt eigentlich keine Rolle spielen sollten entwickelt, und versucht (mit wechselndem Erfolg) zu ergründen was die Kurse wirklich treibt.

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