Kommentar
10:15 Uhr, 07.09.2024

Grüner Wasserstoff braucht grüne Energie und…

Wasserstoff wird "grün" genannt, wenn er mit grüner, also erneuerbarer Energie – z.B. Sonnen- und Windenergie oder Wasserkraft – produziert wird. Aber wie der Name schon sagt, wird vor allem auch Wasser gebraucht. Und das ist ein weiteres Problem.

Wasserstoff soll die Lösung all unserer Energieprobleme werden. Aber zur Produktion von Wasserstoff wird zunächst einmal ebenfalls viel Energie benötigt. Und je nach Verwendung des Wasserstoffs kann die Energiebilanz der Wasserstoffproduktion sehr ernüchternd sein.

Für Wasserstoff wird vor allem Wasser gebraucht

Ein anderer Punkt, der in fast allen Diskussionen jedoch bisher überhaupt nicht angesprochen wird, ist die zweite Dimension des Wasserstoffs. Für seine Herstellung wird nicht nur Energie benötigt, sondern vor allem Wasser – und das nicht zu knapp: Für 1 Kilogramm Wasserstoff werden zunächst 9 kg Wasser benötigt (= 9 Liter). Das Wasser geht nicht verloren, denn bei der Nutzung des Wasserstoffs entsteht in der Regel am Ende wieder Wasser.


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Fossile Energieträger kann man in großen Mengen mit vergleichsweise wenig Energieeinsatz gewinnen. Zudem ist die nötige Infrastruktur relativ überschaubar und kann fast überall aufgebaut werden – egal, ob in Wüsten, im Regenwald oder auf dem offenen Meer. Wasserstoff kann nur da gewonnen werden, wo genügend Wasserressourcen vorhanden sind. Und an diesem Standort müssen zudem nahezu ideale Bedingungen für die Gewinnung erneuerbarer Energien herrschen.

Wasserarme Gebiete, wie im Nahen Osten oder Nordafrika (die oft von Wasserstoff-Enthusiasten als "ideal" gepriesen werden und die z.B. Wasserstoff nach Deutschland exportieren sollen), scheiden damit aus. Aber auch viele windreiche Gebiete, z.B. in den großen Ebenen Asiens und Amerikas, erscheinen ungeeignet. Dort sind die Wasserressourcen ebenfalls begrenzt, z.B. im Süden Chiles, wo Porsche und Siemens eine Pilotanlage für "E-Fuels" betreiben.

Wasser, eine knappe Ressource

Man könnte meinen, es besteht gar kein "Rohstoffproblem" für Wasserstoff. Schließlich ist die Erde zu 97 % mit Wasser bedeckt. Doch um auch beim Wasser nachhaltig zu wirtschaften, kommt als "Rohstoff" nur die sogenannte erneuerbare Wasserressource infrage. Das ist das Wasser, dass durch Niederschläge und andere Zuflüsse jedes Jahr wieder aufgefüllt wird. Wenn wir die Wasserkörper darüber hinaus belasten, leben wir von der Substanz, trinken also, salopp gesagt, unsere Seen und Flüsse leer.

Von dieser Menge müssen wir noch das abziehen, was wir bisher ohnehin für den persönlichen Gebrauch, aber auch für Landwirtschaft und Industrie verwenden. Was übrigbleibt, macht weniger als 0,004 % der Gesamtwassermenge weltweit aus. Konkret sind es mehr als 50.000 Mrd. Kubikmeter. Das klingt unvorstellbar viel, aber es sind "nur" gut 50.000 Kubikkilometer. Und das ergibt einen relativ überschaubaren Würfel mit rund 37 km Kantenlänge.

Wasser von Land…

Aber selbst diese Menge täuscht darüber hinweg, dass man Wasser nicht überall beliebig entnehmen kann. Denn das Verhältnis von erneuerbaren Wasserressourcen und Frischwasserentnahme ist regional sehr unterschiedlich. Dazu die folgende Grafik:

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Quelle: FAO

Sie stellt diese Werte für alle Länder dar. Die gestrichelte Linie gibt an, dass dort dieses Verhältnis eins beträgt. Dort wird also genauso viel Wasser entnommen, wie hinzuströmt.

Das ist ein höchst kritisches Verhältnis, denn durch Dürren kann dieses Verhältnis schnell noch schlechter werden. Das ist bei den roten Punkten generell der Fall. Sie gehören zu Ländern in sehr trockenen Gebieten, insbesondere dem Nahen Osten, aber auch Nordafrika und Zentralasien. Aber auch viele Inselstaaten und manche Länder Afrikas liegen im kritischen Bereich. Je weiter die Punkte unter der gestrichelten Linie liegen, desto entspannter ist (theoretisch) die Wasserlage. Doch selbst in Ländern wie Deutschland, wo es eigentlich ein ausreichendes Wasserangebot gibt, kann es nach mehreren trockenen Jahren kritisch werden, wie wir schon erlebt haben.

Wenn dann auch noch die (Wasserstoff-)Wirtschaft zusätzliches Wasser abzieht, um unser Leben am Laufen zu halten, wären größere Konflikte programmiert. Ideale Wasser(stoff)-Lieferländer sind die rechts (und möglichst unten) in der Grafik, die mehrheitlich in Äquatornähe liegen und meist üppige Regenwälder haben. Doch bis auf wenige Ausnahmen kommen sie vorerst aus anderen Gründen kaum infrage, z.B. wegen der Entfernung, der fehlenden Infrastruktur oder den eingeschränkten Möglichkeiten, dort erneuerbare Energien zu gewinnen.

… oder aus dem Meer?

Aber kann man nicht einfach Meerwasser nutzen? Das gibt es schließlich in Hülle und Fülle! Ja, die Möglichkeit besteht, denn auch Süßwasser muss erst gereinigt werden, um daraus Wasserstoff zu gewinnen. Und Meerwasserentsalzung ist eine etablierte Technologie, mit der z.B. im Nahen Osten Süßwasser gewonnen und die Wasserknappheit bekämpft wird. Sonst würde es Großstädte wie Dubai, Abu Dhabi oder Doha gar nicht geben. Und tatsächlich erwarten Energieanalysten, dass bis zu 85 % des grünen Wasserstoffs aus Meerwasser mit vorgeschalteter Entsalzung gewonnen wird.

Das Problem ist nur: Schon jetzt gibt es so viel Salz aus Meerwasserentsalzungsanlagen, dass es nicht mehr sinnvoll verwendet werden kann. (Teilweise werden Rohstoffe, Streu- und Speisesalz daraus gewonnen, aber Rückstände bleiben immer.) Der Überschuss wird wieder ins Meer gekippt, wo sich – je nach Strömung – eine lokal höhere Salzkonzentration bildet, welche die Umwelt schädigt.

Hinzu kommt: Meerwasserentsalzung benötigt ebenfalls Energie. Die verbreitetsten Verfahren nutzen dafür derzeit Öl oder Gas – logisch, davon gibt es z.B. im Nahen Osten ja genug. Mit genügend Energie läuft der Prozess relativ effizient, so dass pro Liter entsalztes Wasser "nur" 1,5 Liter konzentrierte Salzlauge anfallen. Für die Wasserstoffherstellung fasst man aus energetischen Gründen bisher ein alternatives Verfahren ins Auge, das ein Drittel mehr Lauge produziert.

Damit würden also für 1 kg Wasserstoff 27 kg Meerwasser benötigt, wovon 18 kg als konzentrierte Salzlauge zurückbleiben. Und da viel mehr Meerwasser für Wasserstoff entsalzt werden müsste als heute für die Trinkwassergewinnung, würde insgesamt erheblich mehr anfallen als heute. Laut Schätzungen würde sich die Menge an Salzlauge wohl mehr als ver-40fachen…

Szenarien für den Wasserstoffmarkt der Zukunft

Womit wir bei dem weltweiten Bedarf an Wasserstoff wären. Dazu gibt es bisher nur zurückhaltende Prognosen. Die Internationale Energieagentur IEA beziffert den Bedarf für 2030 auf gut 210 Megatonnen (Mt); siehe Grafik.

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Quelle: IEA

Das entspricht einem nahezu gleichbleibenden Wachstum von 9 % p.a. Nicht schlecht, aber für eine vermeintliche Game-Changer-Technologie doch recht konservativ. Aber gut, die IEA ist auch ein Produkt des fossilen Energiezeitalters.

Auf eine andere Zahl kommt man, wenn man allein den Energiebedarf der Stahlindustrie mit Wasserstoff decken wollte. Dann müsste die Wasserstoffproduktion 20-mal so groß sein. Das ist natürlich bis 2030 völlig unrealistisch. Aber erreicht werden dürfte dieser Wert eines Tages. Mit der IEA-Wachstumsrate von 9 % erst im Jahr 2065, bei höherem Wachstum entsprechend früher.

Das könnte knapp werden!

Für den zuletzt genannten Fall würden bereits knapp 38 Kubikkilometer (Süß-)Wasser benötigt (oder die dreifache Menge Meerwasser). Das sind zwar nur 0,1 % der oben genannten Gesamtwassermenge (50.000 Kubikkilometer), aber dennoch ein Volumen, das lokal zu Knappheiten führen dürfte.

Das zeigt auch eine überschlägige Rechnung für Deutschland: Der Nationale Wasserstoffrat rechnet für 2030 mit einem Bedarf von 850.000 Tonnen Wasserstoff in Deutschland. Dazu werden 7,65 Mio. Kubikmeter Wasser benötigt. Das wären jedoch bereits mehr als 27 % des jährlichen Wasserverbrauchs in Deutschland (ca. 28 Mio. Kubikmeter) die zusätzlich gebraucht würden.

Deutschland verfügt jedoch nicht über die nötige erneuerbare Energie, um diesen Wasserstoff selbst zu produzieren. Daher möchte man Wasserstoff aus sonnenreichen Ländern importieren, z.B. aus Südeuropa oder Nordafrika. Dort mag zwar genug erneuerbare Energie zu produzieren sein, aber das Wasserangebot ist (zu) knapp – Spanien beispielsweise, ein bevorzugtes Importland, hat jetzt schon Probleme, seine Gemüseproduktion ausreichend zu bewässern.

Achtung, Investitionen!

Vermutlich werden diese Probleme auf die eine oder andere Art gelöst werden. Doch die genannten Größenordnungen deuten es an: Gigantische Investitionen werden notwendig sein, die bisher noch nicht ansatzweise eingeplant sind. So sind derzeit weltweit überhaupt nur grüne Wasserstoff-Projekte im Gesamtvolumen von weniger als 15 GW in Planung. Aber das entspricht noch nicht einmal einer halben Megatonne Wasserstoff pro Jahr bzw. weniger als einem Viertel Prozent der Menge, welche die IEA für 2030 – konservativ – prognostiziert.

Es gibt also noch viel zu tun, aber auch viel zu verdienen im Wasserstoffmarkt – vorausgesetzt, die Politik und Gesellschaft setzen die notwendigen Schritte konsequent um. Und dann werden vor allem die Ausrüster profitieren, welche die Anlagen für die Wasserstoffproduktion liefern.

Ich setze daher beim Thema Wasserstoff auf einen „permanenten Nachkaufkandidaten“, der nicht nur jetzt schon, sondern seit Jahrzehnten auf diesem Gebiet nachhaltig erfolgreich ist. Dieses Unternehmen bleibt auch in der Pole-Position, wenn beim Wasserstoff endlich richtig die Post abgeht.

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