Goldpessimisten nehmen zu
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Der Goldpreis verhält sich derzeit einer Korrektur entsprechend mustergültig. Nach dem Absturz auf rund 1.535 US-Dollar folgte zunächst eine 40-prozentige Gegenbewegung, die bis kurz unter die 1.700 US-Dollar führte, um in den vergangen Tagen von erneuter Schwäche abgelöst zu werden. Dabei reichte bereits eine leichte Euro-Schwäche bzw. Dollar-Stärke aus, um den Kurs um rund 90 Dollar nach unten zu drücken. Dieser Umstand macht deutlich, dass der Markt technisch noch nicht bereinigt ist. Ganz offenbar haben einige Anleger am Terminmarkt mit der Erholung prozyklisch wieder den Einstieg gesucht und werden durch die erneute Schwäche aus dem Markt geworfen.
Würde der Goldmarkt weiter einem klassischen Korrekturmuster folgen, wie wir es beispielsweise ab Mai 2006 gesehen haben, dann müsste der Kurs jetzt nochmals in Richtung der Tiefs bei 1.535 Dollar laufen.
Ich glaube zwar, dass dieses Szenario noch immer die höchste Wahrscheinlichkeit hat, die von Consensus ermittelte Stimmung für das Edelmetall lässt diese aber zunehmend schrumpfen. Der Index hat mittlerweile den Level erreicht, von dem aus alle Rallyes der vergangene Jahre gestartet sind. Zuletzt gab es nur noch gut 50 Prozent Optimisten. Nur in der erwähnten Korrektur 2006 und im Lehman-Crash 2008 fiel der Pessimismus nennenswert größer aus. Auch der Hulbert Gold Newsletter Sentiment Index (HGNSI), der kurzfristig agierende Goldmarktakteure beobachtet, fiel zuletzt deutlich und weist mit minus 13 Prozent den tiefsten Wert seit März 2009 auf.
Ein ähnliches Bild habe ich auch auf zwei Veranstaltungen wahrnehmen dürfen. Während am 3. Oktober, dem Tag der offenen Tür der Börse Stuttgart, die Anleger alle noch sehr zuversichtlich klangen, waren die Töne jüngst auf dem Frankfurter Finanzforum deutlich verhaltenen. Zwar war der grundsätzliche Optimismus immer noch vorhanden, kurzfristig wurde aber eher mit einer Fortsetzung des Konsolidierungstrends gerechnet.
Es ist insofern noch Luft nach unten, die der Markt aber nicht ausschöpfen muss.
Viel hängt auch vom weiteren Verlauf des Euros ab. Fundamental spricht nicht viel für einen rasch weiter steigenden Kurs der Gemeinschaftswährung, denn mit dem großen Wurf beim Euro-Gipfel am Wochenende und am kommenden Mittwoch ist nicht zu rechnen. Stimmungstechnisch sieht es aber anders aus. Seit Monaten herrscht große Skepsis gegenüber der Gemeinschaftswährung. Die angelsächsischen Anleger und Hedgefonds dürften massiv short sein. Das sollte den Euro nach unten absichern oder womöglich sogar weiter steigen lassen, was entsprechende Unterstützung fürs Gold bedeuten würde.
Unsicherheit besteht eher aus fundamentaler Sicht. Die Goldstory ist stark auf der Inflationsgefahr aufgebaut. Was die letzten Veröffentlichungen hierzu betrifft, gab es diesbezüglich auch die stärkste Bestätigung seit der Wende des Goldpreises im Jahr 2001. Drei Prozent beträgt die Verbraucherpreisinflation mittlerweile in der Eurozone. In den USA ist das Niveau in etwa gleich. Und in Großbritannien liegen wir mittlerweile bei sage und schreibe 5,2 Prozent. Und das bei Zinsen von 1,5 in der Eurozone, 0,5 Prozent im Vereinigten Königreich und 0 bis 0,25 Prozent in den USA. Die Geldvernichtung via Inflation ist damit in vollem Gange.
Wegen der nachlassenden Wirtschaftsdynamik aufgrund der Sparpolitik in den alten Industrieländern und der zuletzt gefallende Rohstoffpreise, könnten die Inflationsraten aber nun zunächst einmal wieder zurückgehen. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass mit der bereits vorhandenen Rezessionsangst auch die Angst vor einer Deflation wieder Bedeutung gewinnt. Wenn Gold dann nicht als ultimativer sicherer Hafen gegen jede Form der Unsicherheit, sondern primär als Inflationsschutz betrachtet wird, könnte dies zu einer weiteren Abwärtswelle führen.
Insofern heißt es wachsam bleiben, um den richtigen Zeitpunkt für einen wieder stärkeren Einstieg ins Edelmetall so gut wie möglich abzupassen. Wenn ich ihn für gegeben halte, werde ich - wie gewohnt - hier darüber berichten.
Mehr von und über Stefan Riße erfahren Sie unter www.rissesblog.de
Stefan Riße, ist Portfolio Manager bei der Hanseatischen Portfolio Management in Hamburg. Bekannt ist er durch seine jahrelange Tätigkeit als Börsenkorrespondent für den Nachrichtensender N-TV. Sein aktuelles Buch „Die Inflation kommt“, belegte 2010 erste und zweite Plätze auf den bekannten Wirtschaftsbuch-Bestsellerlisten.
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