Kommentar
14:17 Uhr, 29.09.2011

Goldblase geplatzt?

„Auch mein Körpergewicht in Gold aufgewogen, würde ich nicht gegen meine Börsenerfahrung eintauschen“, sagte Börsenlegende André Kostolany stets, wissend, dass Erfahrung der mit Abstand wichtigste Schatz ist, über den ein Börsianer verfügt. Und er hatte Recht, wie sich am Absturz des Goldpreises wieder zeigt. Denn es war ebendiese, die erfahrene Börsianer im Gold zuletzt vorsichtig werden ließ. Dabei war es nicht allein der vorherige steile Anstieg oder die mit Optimismuswerten von über 80% überhitzten Stimmungsindikatoren, die auf eine bevorstehende stärkere Korrektur hinwiesen. Vor allem war es der bereits zehnprozentige Absturz innerhalb von drei Tagen vor gut einem Monat, der einen Hinweis darauf lieferte, dass eine ausgedehntere Korrektur bevor steht. Denn solche Kursstürze waren in der Vergangenheit größeren Korrekturen meisten vorausgegangen. In meiner Kolumne in Focus Money und in meinem Blog hatte ich auf diese Gefahr auch hingewiesen und die Widersprüche, die ich bekam, bestärkten mich in meiner Meinung, dass der Markt überhitzt ist. Die Anatomie des Goldpreisverlaufes in den vergangenen vier Wochen ist nun sehr leicht zu interpretieren. Nach dem erwähnten Absturz nahm der Optimismus zunächst ab, was auch im kurzfristige Akteure erfassenden Hulbert Gold Newsletter Sentiment Index (HGNSI) zu erkennen war, der von + 40,3 Prozent Optimisten auf + 20,3 % Optimisten zurückging. Doch die Tatsache, dass der Preis für die Feinunze Gold dann doch ganz schnell wieder nach oben lief und mit 1.920 US-Dollar seinen alten Rekorde zumindest leicht überbieten konnte, ließ die Pessimisten verstummen. Die dann rund zwei Wochen dauernde Phase im Bereich von 1.800 bis 1.870 Dollar hinterließ zudem den trügerischen Eindruck, dass der Goldpreis partout nicht nach unten will, und es bei 1.800 massive Nachfrage gibt. Viele wahrscheinlich noch unterinvestierte Anleger betrachteten diese Konsolidierungsphase dann offenbar als günstige Einstiegsmöglichkeit und engagierten sich mit größeren Hebeln. Diese werden nun wieder aus dem Markt geschüttelt, weil sich ihre Engagements als sehr teuer erweisen. Zudem ist davon auszugehen, dass Hedgefonds, die mit Aktien in den vergangenen Wochen viel verloren haben, wenigstens im Gold, sofern sie engagiert waren, Gewinne sichern wollten. Der berühmte Nadelstich in den Ballon, der die Blase zum Platzen brachte, war der anziehende US-Dollar, der einem Goldpreisanstieg naturgemäß entgegenwirkt. Die hohe physische Nachfrage, die es sicher allein schon aus saisonalen Gründen gibt, kann in einem solchen Moment, das was am Terminmarkt läuft, wo die Umsätze viele höher sind, nicht mehr auffangen.

Erstmals haben wir in diesem Jahr leider auch erlebt, dass das Thema Goldsaison auch von anderen Kommentatoren aufgegriffen wurde. Mir selbst war erst 2009 so richtig bewusst geworden, dass die Kurssteigerungen im Gold seit seiner Wende im Jahr 2001 eigentlich fast immer im zweiten Halbjahr stattfanden und die Korrekturen im ersten Halbjahr. Es liegt wohl vor allem an der indischen Hochzeitssaison. Noch immer ist Indien der größte Goldimporteur und trägt erhebliche Anteile an der physischen Nachfrage.

Wenn an der Börse aber plötzlich immer mehr Leuten bewusst wird, dass ein Saisonrhythmus existiert, kaufen immer mehr Investoren bereits im ersten Halbjahr um im zweiten voll dabei zu sein. Tatsächlich wird der Aufschwung durch diese Käufe dann vorverlegt und der Saisonrhythmus verändert sich.

Die Frage, die viel Goldanhänger nun sicher umtreibt, ist die nach dem weiteren Korrekturverlauf. Wie lange und wie tief wird Gold noch fallen? Oder haben wir das Schlimmste schon hinter uns?

Es ist auch hier die Erfahrung zunächst als bester Ratgeber hinzuzuziehen, weil sie zumindest eine Abwägung von Wahrscheinlichkeiten erlaubt. Demgemäß ist mit einer sehr schnellen Erholung in Richtung neuer Höchstkurse nicht zu rechnen. Nach einem so massiven Kursrutsch, passiert es sehr selten, dass es sofort wieder nach oben geht. Meistens schließt sich eine längere Konsolidierungsphase an. Das einzige kurzfristige Erholungspotenzial sehe ich im Kurs des Euros. Dieser wird derzeit äußert negativ gesehen wie die jüngste Consensus Umfrage mit nur noch 22 Prozent Optimisten zeigt. Aus antizyklischer Sicht verfügt die Gemeinschaftswährung daher über kurzfristiges Aufwärtspotenzial. Das würde den Goldpreis sicher stützen und womöglich eine satte Aufwärtskorrektur einleiten, die aus Sicht eines nicht gegen Währungsverluste abgesicherten europäischen Anlegers, aber natürlich nur unterdurchschnittlich nachvollzogen würde.

Weiteres Abwärtspotenzial ergibt sich aus fundamentaler Sicht. Die weltweit nachlassende Konjunkturdynamik und die bereits gefallen Rohstoffpreise lassen das Thema Inflation wieder etwas in den Hintergrund treten. Die ersten nehmen schon wieder das Wort „Deflation“ in den Mund. Sollte sich diese Befürchtung stärker festsetzen und bereiter diskutiert werden, dann gäbe es plötzlich auch fundamentale Gründe, die den gesamten Goldaufschwung in Frage stellen würden. Das könnte dann auch längerfristig orientiertere Gold-Investoren zur Aufgabe bringen und eine weitere Abwärtswelle einleiten.

Zunächst sind jetzt mal die kommenden vier Wochen abzuwarten. Die 150-Tage-Linie, die dem Goldpreis in den vergangenen Monaten immer wieder als Stütze diente, wurder heute Morgen deutlich durchschlagen, wenn auch nur kurzfristig. Nun steht die 200-Tage-Linie vor dem Test. Ein kurzfristiger Fall unter diese, wäre jedoch noch kein Beinbruch, wie die vergangenen elf Jahre Goldhausse gezeigt haben.

Dennoch, um es ehrlich zu sagen, ich sehe nicht, dass wir vor dem Herbst des kommenden Jahres die 1.900 Dollar nochmals wieder sehen werden. Wobei dies im Voraus nur sehr vage vorauszusagen ist. Es kommt jetzt auf die weitere Entwicklung der Stimmungsindikatoren an. Was mir nicht gefällt ist die Tatsache, dass der Gold-Absturz zu einer reinen technischen Angelegenheit verklärt wird, ausgelöst durch die Margin-Erhöhungen seitens der Terminbörse COMEX. Tatsächlich zeigt dies nur, wie viel hoch gehebelte spekulative Engagements es gab und sicher immer noch gibt, wenn eine solche Margin-Erhöhung die Anleger sofort in Liquiditätsnot bringt. Vielfach ist auch von den günstigen Einstiegsmöglichkeiten zu lesen und zu hören, die sich jetzt bieten. Zwar bleibe auch ich längerfristig äußerst optimistisch fürs Gold, doch für einen Einstieg dürfte der Markt erst reif sein, wenn ich mich mit dieser Meinung nicht mehr in so großer Gesellschaft befinde.

Beim jüngsten Aktienmarktabsturz war es genauso. In den ersten Tagen, als der DAX von 7.000 in Richtung 6.000 fiel, war noch von günstigen Einstiegsmöglichkeiten zu lesen, jetzt reden davon nur noch vereinzelte Experten. Die anderen reden vom unausweichlichen Zusammenbruch des Euros und das damit für die Aktienmärkte alles noch viel schlimmer kommen müsse. Leider zeigt auch der Hulbert Gold Newsletter Sentiment Index (HGNSI), der kurzfristig agierende Goldmarktakteure in den USA erfasst, schon wieder aufflammenden Optimismus für das Edelmetall. Nach drei Tagen im Minus, ist er nun bereits wieder auf + 7 gesprungen. Positiv zu bewerten ist dagegen die Tatsache, dass die jüngste Umfrage von Consensus nur noch 54 Prozent Goldoptimisten gezählt hat. In der vergangenen Woche waren dies noch 74 Prozent und die Wochen davor hatte dieser Index länger über 80 Prozent notiert. Werte um 50 Prozent sollte es jedoch über einen längeren Zeitraum geben, bevor von einer Absicherung nach unten aus stimmungstechnischer Sicht gesprochen werden kann. Denn es hat auch einige Wochen gedauert, bis der übertriebene Optimismus zu einem markanten Rückschlag geführt hat.

Quelle: Finanzwoche

Der ideale Einstiegszeitpunkt wäre für mich dann gekommen, wenn ein allgemeiner Abgesang auf die Goldhausse angestimmt würde. Erste Töne konnte ich schon vernehmen. Jim O’Neill, Chef von Goldman Sachs Asset Management sagte vor drei Tagen das Ende der Goldrallye voraus. Hatten die Kollegen von JP Morgan nicht vor ein paar Wochen 2.500 US-Dollar als Kursziel für die Feinunze Gold zum Jahresende genannt? Wie schnell sich die Zeiten doch ändern.

Mehr von und über Stefan Riße erfahren Sie unter www.rissesblog.de

Stefan Riße, ist freier Börsenexperte und Buchautor. Bekannt ist er durch seine jahrelange Tätigkeit als Börsenkorrespondent für den Nachrichtensender N-TV. Sein aktuelles Buch „Die Inflation kommt“, belegte 2010 erste und zweite Plätze auf den bekannten Wirtschaftsbuch-Bestsellerlisten.

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