Gold und Silber am Boden / Aktien haben noch ideales Umfeld / Deutschland könnte deutlich höhere Zinsen vertragen
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Herr Dr. Kaffarnik, die Wirtschaft brummt, aber übersteuert derzeit (noch) nicht. Die Zinsen sind sehr niedrig. Sind das nicht ideale Zustände für Aktien?
Sehr starkes Wachstum wäre tatsächlich tendenziell schädlich für die Aktienmärkte. Die wirtschaftliche Erholung läuft zwar schon lange, aber auch relativ flach. Das sind für Aktien nahezu perfekte Umstände, da so weder die Zentralbanken wirklich dramatisch gegensteuern müssen, noch deutliche Einbrüche der Wirtschaft drohen.
Auch aus der Eurozone werden derzeit sehr gute Wirtschaftsdaten gemeldet. Ist da die Nullzinspolitik der EZB noch angemessen?
Zinserhöhungen wären so langsam aber sicher wirklich adäquat. Das Hauptproblem ist sicherlich die Heterogenität der Eurozone. Für Deutschland wäre wahrscheinlich ein Leitzins von 1,75 oder 2 % leicht verkraftbar, aber es gibt ja auch noch Griechenland, Portugal, Italien und andere Staaten, die große Schuldenprobleme haben.
Dennoch erwarte ich für Ende September ein abruptes Ende des QE-Programms., kein „Tapering“ Bis zur ersten Leitzinserhöhung dauert es danach aber vermutlich noch 6 Monate.
Die EZB verfolgt, wie die meisten Zentralbanken, ein Inflationsziel. In diesem Fall „nahe, aber unter zwei Prozent“. Ist die Inflationssteuerung mit derartigen Zielen noch zeitgemäß angesichts veränderter globaler Rahmenbedingungen gegenüber der Zeit, in der diese Ziele formuliert wurden?
Ich halte tatsächlich das Inflationsziel der EZB für nicht mehr angemessen. Zumal es so ja gar nicht in den EU-Verträgen kodifiziert ist. Dort ist von „Preisstabilität“ die Rede – das sind nach meinem Empfinden eher 0 %. Die knapp 2 % Inflationsziel hat sich die EZB selber gesetzt.
Aber eine Zentralbank alleine kann natürlich nur schwer ausscheren. Die Notenbanken weltweit müssten sich eigentlich zusammensetzen und die geänderten Rahmenbedingungen in ihre Ziele einarbeiten. Dabei ist z.B. der Effekt der Globalisierung zu nennen, zunehmender technologischer Fortschritt etc. Also die Faktoren, die tendenziell deflatorisch wirken, aber wo die Geldpolitik nur begrenzten Einfluss hat.
Wird Mario Draghi als guter EZB-Präsident in die Geschichte eingehen?
Gute Frage. Mit seinem „Whatever it takes“ hat er vermutlich die Eurozone tatsächlich gerettet. Das Sentiment war total am Boden, und die folgende Wende kann Draghi sich vermutlich wirklich selber zuschreiben. In der Folgezeit hat Draghi, und natürlich insgesamt der EZB-Rat, aber deutlich überzogen. Die Geldpolitik hat das Maß verloren.
Übrigens: Estlands Notenbank-Gouverneur Ardo Hansson ist für mich Favorit für die Draghi-Nachfolge, neben Bundesbank-Präsident Jens Weidmann.
Die Schweizerische Nationalbank hat im Rahmen ihres QE-Progamms ein riesiges Aktienportfolio aufgebaut, im Gegensatz zur EZB, die nur Anleihen kauft. Denken Sie, dass die SNB diese Papiere wieder abstoßen wird, wenn sie irgendwann ihre ultralockere Geldpolitik beendet?
Die SNB könnte nach Ende ihrer ultralockeren Geldpolitik dennoch an ihrem Portfolio festhalten. Das halte ich für denkbar.
Wie sieht es in den USA aus. Sind die Bewertungen nicht ziemlich ambitioniert, auch nach der Anpassung der Gewinnschätzungen durch die Steuerreform?
US-amerikanische Aktien sind sicherlich nicht mehr billig, aber hohe Bewertung taugt als Timing-Indikator nicht viel, das kann ich Ihnen verraten.
Was halten Sie derzeit von den Edelmetallen?
Gold und Silber sind in Relation zu den Aktienmärkten am Boden und haben Potenzial. Die Edelmetalle erschienen in den letzten Jahren als eher langweilig, zumal nahezu alle anderen Asset-Klassen stark anzogen. Gold wird wieder stärker, wenn Unsicherheiten wieder zunehmen und die Inflation weiter anzieht. Gefühlt gibt es zwar viel Unsicherheit bei den Anlegern, aber "es kommt nix hoch". Noch zumindest…
Die obligatorische Frage nach den Kryptowährungen darf nicht fehlen…
Kryptowährungen wie Bitcoin sind für uns als Anlageobjekt zu abstrakt und inzwischen auch spekulativ deutlich überhöht. Zentralbanken und andere Behörden werden meiner Meinung nach stark regulatorisch eingreifen.
Man muss das auch im Kontext mit dem Bargeld sehen. Regulatorisch deutet vieles auf ein Ende des Bargelds in der Zukunft hin.
Das finde ich schlimm, Bargeld ist Freiheit. Es ist erstaunlich, wie naiv die Skandinavier damit umgehen, wo das Endes Bargeldes schon fast Realität ist.
Wir werden damit alle ein Stückchen gläserner. Und das in Zeiten, in denen z.B. die Social-Media-Konzerne zu wahren Datenkraken mutiert sind. Facebook, Google und andere wissen viel mehr über uns, als viele auch nur ahnen
Herr Kaffarnik, danke für das interessante Gespräch!
Dr. Ulrich Kaffarnik ist Mitglied des Vorstands der DJE Kapital AG
Kaffarnik war nach seinem Studium bei verschiedenen Banken tätig. 1991 wechselte er in die Investmentfondsbranche. Nach zwei Jahren bei Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co in Frankfurt übernahm er die Leitung des Fondsmanagements der Franken-Invest Kapitalanlagegesellschaft in Nürnberg, wo er 1996 in die Geschäftsführung berufen wurde.
Vor seinem Eintritt bei der DJE Kapital AG als Vorstand war er im Jahr 2006 Geschäftsführer bei BHW Invest.
Er verantwortet den Bereich Fondsmanagement & -handel. Außerdem ist er Geschäftsführer der Luxemburger Tochter DJE Investment S.A.
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