Kommentar
14:20 Uhr, 21.04.2010

Für Banker der Himmel auf Erden

Die großen US-Bankhäuser Bank of Amerika, JP Morgan, Citigroup und gestern auch Goldman Sachs, alle übertreffen z.Z. die Erwartungen der Analysten. Sie beindrucken mit riesigen Gewinnen in Milliardenhöhe. Auch bei Morgan Stanley, einer weiteren internationalen Großbank, wird das heute Mittag wohl nicht anders aussehen, wenn diese über das erste Quartal 2010 berichtet. Doch mit einer Genialität der dort tätigen Investment-Banker hat das nur wenig zutun. Nein, vielmehr die besondere Situation an den Kapitalmärkten bietet dafür eine Erklärung.

Alle zuvor genannten Institute verdienten das große Geld nämlich im Kapitalmarktgeschäft, und nicht etwa mit dem originären Bankgeschäft, bei dem man Kredite an Privatpersonen oder Unternehmen vergibt. Es ist das billige Geld der Notenbanken, das es in den USA immer noch fast zum Nulltarif gibt und auch in Europa sind nur ein Prozent an die Europäische Zentralbank (EZB) oder 0,5 Prozent an die Bank of England zu bezahlen. Das gleicht einem Schlaraffenland für Banken. Sie leihen sich das Geld zu Minizinsen und können es in der gleichen Währung in langlaufenden Staatsanleihen zwischen drei und vier Prozent anlegen. JP Morgan beispielsweise weist in seiner Bilanz Passiva von 2.136 Milliarden US-Dollar aus, denen nur noch Zinsaufwendungen von 3,1 Milliarden Dollar gegenüberstehen. Risikoloser und einfacher kann man kein Geld mehr verdienen. Noch nie wurde es den Bankern so leicht gemacht wie heute. Das ist aber auch das dramatische daran, da die Fehlentwicklung der vergangen 20 Jahre damit nicht umgekehrt, sondern sogar noch weiter getrieben wird: Geld wird vor allem noch mit Geld verdient.

Doch die Ergebnisse sind nicht nur ein „Aufreger“, für denjenigen, der sich aufregen möchte, sie liefern auch Aufschluss über die historische Einzigartigkeit der aktuellen Situation an den Finanzmärkten. Viele Anleger haben sich das noch nicht vergegenwärtigt, ist mein Eindruck. Deshalb stehen sie eben auch fassungslos vor den steigenden Aktienkursen. Und diese können womöglich noch auf ganz andere Höhen steigen. Ich wage es auch nicht zu prognostizieren, aber will es auch nicht ausschließen und würde unter Chance/Risiko-Aspekten auf jeden Fall investiert sein. Denn dieses ganze, von den Notenbanken ausgeliehene Geld sucht rentierliche Anlagen. Und viele Aktien werfen trotz der Anstiege der vergangen 12 Monate noch immer Dividendenrenditen von über drei Prozent ab. Das sollte das Risiko begrenzen. Geht die Rallye aber weiter und vielleicht viel weiter, als erwartet, dann ist man auf jeden Fall dabei. Es muss nur ein Instrument sein, das keinen Zeitwertverlust hat, wie die Aktie selbst oder auch CFDs oder Futures. Die Finanzierungskosten bei letzteren beiden sind wegen der tiefen Zinsen aktuell auch zu vernachlässigen.

Zu Ende ist die Party erst, wenn die Notenbanken irgendwann die Zinsen deutlich erhöhen. Aber dies dürfte noch eine längere Zeit dauern, wie die US-Notenbank nicht müde wird zu betonen. Und je länger das Spiel geht, desto schwieriger wird die Umkehr, denn mit jeder Staatsanleihe, die sich eine Bank mit einem Zins von drei Prozent ins Depot legt, wird sie abhängiger von Notenbankzinsen, die darunter liegen, weil sonst aus den Milliardengewinnen plötzlich ganz schnell Milliardenverluste werden.

Stefan Riße, ist Deutschlandchef und Chefstratege von CMC Markets. Bekannt ist er durch seine jahrelange Tätigkeit als Börsenkorrespondent für den Nachrichtensender N-TV. Sein aktuelles Buch „Die Inflation kommt“, ist bereits jetzt ein Bestseller.

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