Kommentar
16:11 Uhr, 06.01.2011

Findet diesmal die Neujahrsrallye woanders statt?

"Die Jahresendrallye findet diesmal nicht an der Börse", sondern bei der Schnäppchenjagd in den Filialen eines bekannten deutschen Möbelhauses statt, wurde vollmundig in der Radiowerbung, die kurz vor bzw. nach Weihnachten in einigen hessischen Sendern aufzuschnappen war, verkündet. Die Idee, Geld von der Börse in die Möbelgeschäfte umleiten zu wollen, war werbetechnisch ein gelungener Einfall. Immerhin, so werden sich die Marketing-Strategen gedacht haben, gab es in 2010 für Anleger im DAX satte Gewinne einzustreichen; im Bestfall 30 Prozent. Aber das war noch nicht alles. Auch die Prognose der Werbeleute konnte sich sehen lassen. Direkt nach Weihnachten war nämlich tatsächlich Schluss mit steigenden Kursen. Der DAX fiel zwischen den Jahren um 2,6 Prozent.

Wir glauben natürlich nicht, dass die Investoren Liquidität abschöpften, um sich damit eine neue Inneneinrichtung zu finanzieren. Aber irgendetwas muss einige Anleger gestört haben. Die Wall Street war jedenfalls nicht schuld an der Korrektur. Der US-Leitindex S&P 500 schloss am Jahreshoch, der NASDAQ 100 gar an einem 10-Jahreshoch. Auch die 2010er Performance sowie der Ausblick, der fürs neue Börsenjahr gezeichnet wurde, war allgemein sehr positiv. Aktien werden allseits favorisiert. DAX-Stände von 9.000 waren bei den traditionellen Jahresendschätzungen keine Seltenheit. Hingegen hat sich niemand getraut, Kursniveaus unter 6.000 zu prognostizieren. Beste Voraussetzungen also, an einen guten Start zu glauben.

Wenig verständlich ist daher, dass die Kurse schon seit Weihnachten kontinuierlich nachgaben. Die Akteure folgten diesem Trend auch gleich in den ersten drei Börsensitzungen des neuen Jahres. Somit addiert sich das Minus seit Erreichen des vorweihnachtlichen Jahreshochs auf mittlerweile 3,5 Prozent. Das ist an sich noch kein Grund zur Beunruhigung. Seit die letzte Rallye Anfang September angestoßen wurde, haben sich Korrekturen stets in genau diesem Ausmaß entfaltet. Die von der Börse Frankfurt befragten Vermögensverwalter scheinen aber wohl von einer Abweichung dieses Musters auszugehen bzw. einen Fehlstart ins neue Börsenjahr zu antizipieren. Sonst wären nicht gleich 13 Prozent der Händler aus dem Bullenlager abgewandert. 9 Prozent von ihnen zog es sogar direkt zu den Bären. Diese Neuausrichtung ergab die größte Verschiebung des Bull/Bear-Index seit Ende sowie den niedrigsten Stand seit Anfang September letzten Jahres. Dies war übrigens genau der Zeitpunkt, an dem die Marktteilnehmer - allen Krisenängsten zum Trotz - ein Einsehen hatten und sich, gerade noch rechtzeitig, mehrheitlich auf eine Aktienrallye einstellten.

Wie zuvor erläutert, kann es nicht an der Größe der jüngsten Korrektur liegen, dass sich der Optimismus so stark abgebaut hat. Und auch das konjunkturelle Umfeld in Deutschland dürfte nicht abschreckend auf die Akteure gewirkt haben. Sicherlich könnte man stattdessen wie üblich auf Gewinnmitnahmen hinweisen. Aber warum gerade mitten in einer scheinbar heilen Aktienwelt und warum gleich zu Beginn eines neuen Börsenjahres? Das ist äußerst ungewöhnlich und ergibt höchstens dann Sinn, wenn man sich vor etwas fürchtet, gegen das man sich absichern möchte. In diesem Fall könnten das bestenfalls die US-Arbeitsmarktdaten sein, die gleich in der ersten Handelswoche die Finanzmärkte auf die Probe stellen werden. Spätestens nächste Woche wird sich herausstellen, ob die Börsianer sich wirklich ihretwegen distanziert haben. Bis dahin bleibt der Abzug der Optimisten eine schwer nachvollziehbare Wendung. Vielleicht findet diesmal ja auch die Neujahresrallye nicht an der Börse statt.

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