Kommentar
11:59 Uhr, 15.12.2011

EU-Gipfel enttäuscht, verärgert aber nicht

Sich noch vor Weihnachten auf Grundsätzliches einigen und auf diese Weise einen Befreiungsschlag in Sachen Euro-Schuldenkrise landen zu können, war am vergangenen Donnerstag das erklärte Ziel vieler EU-Offizieller. Finanzmarktteilnehmer haben sich nur allzu gerne darauf verlassen. Wirklich zufrieden konnten sie aber nicht sein. Denn die erhoffte "endgültige Lösung" gab es nicht. Zwar einigte man sich auf sinnvolle Maßnahmen, aber überschattet wurde der letzte EU-Gipfel des Jahres vom Querschläger aus Großbritannien. Dass Cameron eine eigene Marschroute einschlagen will, reflektiert nicht gerade den Geist einer Europäischen Gemeinschaft.

Das Krisenkapitel noch vor dem Jahresende zu beenden, gelang EU-Politikern also nicht. Schlimmer noch: Sie scheinen sich nicht einmal sicher zu sein, wen die angestrebten Defizitregeln bzw. Sanktionsvereinbarungen überhaupt betreffen sollen. Nur 17 oder vielleicht doch alle 27 EU-Mitgliedsstaaten? Entsprechend enttäuscht reagierten diejenigen Akteure, die sich fest auf einen positiven Ausgang eingerichtet hatten. Aber die Reaktion der Finanzmärkte spiegelt nur eine Seite wider. Denn nicht nur die Investoren, auch die Bürger haben kurz vor Weihnachten von den vielen Drohgebärden, denen der Euro derzeit ausgesetzt ist, die Nase voll. Den meisten steht der Sinn wohl mehr nach Vanillekipferl statt Not-Gipfel. Der Unmut in der Bevölkerung äußert sich der jüngsten Allianz-Money-Trends-Umfragen zufolge in hoher Inflationsangst, die fast die Hälfte aller Deutschen erfasst hat. Zudem bekundet ein Drittel der Befragten einen Vertrauensverlust in die Stabilität der Gemeinschaftswährung. In einer anderen Erhebung beklagen genauso viele Bundesbürger, dass zu Zeiten der D-Mark "alles besser war".

Von diesem Trübsinn ist in der heutigen Umfrage der Börse Frankfurt aber nichts zu spüren. Der Optimismus hat sich zwar wieder ein klein wenig auf das Niveau von vor zwei Wochen abgebaut. Zwei Prozent Bullen haben sich ins neutrale Lager zurückgezogen. Der Bull/Bear-Index zeigt aber über den Jahreswechsel hinaus noch deutliche Zuversicht an. Gewinnmitnahmen oder Glattstellungen, die sich aus Enttäuschung über den Ausgang des EU-Krisengipfels ergeben haben, sind demnach ausgeblieben.

Nichtsdestotrotz ist der DAX seit unserer letzten Erhebung jeden Tag gefallen - seit vergangenem Mittwoch um insgesamt 6,1 Prozent. Wahrscheinlich notiert er gerade in einem Bereich, der im Mittel die Kaufniveaus der Akteure reflektiert, die Ende November für den aufkeimenden Optimismus sorgten. Der jüngste Abschwung sollte ihre Long-Positionen also nicht in Bedrängnis gebracht haben. Mit der Kursentwicklung dürften die meisten von ihnen trotzdem nicht zufrieden sein. Sie sind aber der Meinung, dass die jüngsten EU-Ankündigungen - wenn sie schon nicht Kursgewinne auslösten - zumindest über die Feiertage für etwas Ruhe im Markt sorgen dürften. Den Wunsch, im alten Jahr noch mit einem neuen Korrekturhoch beschert zu werden, dürften sie allerdings von ihrer Liste gestrichen haben. Jetzt zählt nur noch, bloß nicht die Neujahrsrakete zu verpassen.

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