Fehlorder erlaubt Einblick in Markttechnik
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Heute Morgen ist erst einmal Aufatmen angesagt. Die Aktienmärkte erholen sich, nachdem es gestern Abend zwischenzeitlich einen Absturz gab, wie die Wall Street ihn seit dem legendären 19. Oktober 1987 nicht erlebt hat. Damals verlor der Index aufgrund von automatischen Stop-Loss-Programmen 22,3 Prozent an nur einem Tag. Gestern sollen die Verluste, die den Dow Jones in nur wenigen Minuten um rund 800 Punkte abstürzen ließen, vor allem durch eine Fehlorder in Aktien von Procter & Gamble verursacht worden sein. Anstatt Millionen sollten irrtümlich Milliarden Aktien verkauft werden. So ist es heute den Medien zu entnehmen.
Dennoch, die Reaktion der Finanzmärkte auf diesen sogenannten „Mistrade“ liefert interessante Einblicke in die technische Verfassung des Marktes bezüglich der Anlegerstimmung. Wie ich erwartet hatte, ging der Einbruch von der Wall Street aus. Im Gegensatz zur Anlegerstimmung hierzulande sendeten dort viele Sentiment-Indikatoren seit Wochen Warnsignale. Ob Börsenbriefe, Anlageberater oder Put/Call-Ratio, überall war der zum Ausdruck kommende Optimismus gefährlich hoch. So wundert es auch nicht, dass diese Fehlorder zu einer Kettenreaktion an den Märkten führte. Der Einbruch gestern offenbarte sehr schön, dass es ganz offenbar eine Menge mit Stop-Loss-Order abgesicherte spekulative Positionen im Markt gab. Auch die Tatsache, dass der Markt, nachdem bekannt wurde, dass es sich um eine Fehlorder gehandelt hat, nicht alle Verluste wieder aufholen konnte, zeigt die derzeit schwierige Verfassung. Es bleibt abzuwarten, wie es nun heute weitergeht. Werden die Verluste komplett ausgebügelt, wäre es sicher ein gutes Zeichen, andernfalls ist schon mit baldigen neuen Einbrüchen zu rechnen.
In Deutschland gab es am 20. November 2001 an der Eurex einen ähnlichen Vorfall. Das Trainingssystem für in Ausbildung befindliche Eurex-Händler wurde in einer Bank mit dem realen System verwechselt und mehrere Tausend DAX-Future Kontrakte in einem Moment verkauft. Der DAX schmierte daraufhin um rund 800 Punkte ab. Doch im Vergleich zum Einbruch gestern, erholten sich die Kurse wieder exakt auf das Niveau vor dem Mistrade. Hier liegt der Unterschied zu gestern.
Dennoch kann ich einen zweiten Fall Lehman mit Liquiditätsklemme derzeit nicht erkennen. Ich würde deshalb auch nicht auf fallende Kurse setzen. Abgesehen von un- oder nur wenig gehebelten langfristigen Long-Positionen, die ich halten würde, ist vielleicht abwarten erst einmal das Beste.
Stefan Riße, ist Deutschlandchef und Chefstratege von CMC Markets. Bekannt ist er durch seine jahrelange Tätigkeit als Börsenkorrespondent für den Nachrichtensender N-TV. Sein aktuelles Buch „Die Inflation kommt“, liegt aktuell auf Platz 2 der Manager-Magazin Bestsellerliste
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