Kommentar
09:23 Uhr, 22.05.2012

Facebook-Einbruch: Das war doch klar?

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Jetzt kriechen sie aus ihren Löchern, die Journa-/Analysten, die für jede Variante des Facebook-Börsengangs einen passenden Artikel vorbereitet hatten. Natürlich war es vorher doch völlig klar, dass das soziale Netzwerk viel zu teuer an die Börse gekommen ist, dass Marc Zuckerberg und die Konsortialbanken nur abkassieren wollten, und überhaupt ist die Zukunft doch völlig ungewiss und Facebook wächst gar nicht mehr überzeugend.

Letzteres Argument wird doch allen Ernstes vorgetragen, weil Facebook es in der Tat nicht mehr schafft, prozentual an vergangene Wachstumsraten hinsichtlich der Nutzerzahlen anzuknüpfen. Es könnte natürlich auch daran liegen, dass bei gut 2 Mrd. Internetusern weltweit und über 900 Mio. davon mit Facebook-Account irgendwann einfach eine Grenze erreicht ist. Man könnte auch sagen, es hat doch eh schon jeder Facebook. Ist deswegen die Story tot?

Wer so argumentiert, hat vermutlich gar nichts verstanden und unterschätzt Marc Zuckerberg und seine Vision auf unverzeihliche Weise. Denn mit dem Geldverdienen hat Facebook gerade erst angefangen. Die Potenziale sind noch nicht ansatzweise wirklich erfasst geschweige denn umgesetzt. Ein bisschen Werbung hier, ein paar Zynga-Spiele dort. Das ist eigentlich noch gar nichts, und hat dennoch in 2011 bereits eine Mrd. USD Gewinn gebracht, bei 3,7 Mrd. USD Umsatz. Folgende Faktoren müssen Sie außerdem beachten:

1. Facebook ist als DAS umfassende soziale Netzwerk fest etabliert. So leicht wechseln die Menschen nicht mehr, wie Google leider feststellen musste – auf Google Plus ist nichts los! Viele User, aber kaum Aktivität. Twitter ist mit Facebook aufgrund eines anderen Ansatzes kaum vergleichbar. Eine Zukunft neben Facebook haben allenfalls Nischen-Netzwerke. Nur extreme eigene Fehler können Facebook als General-Plattform zu Fall bringen.

2. Viele Facebook-User verbringen einen Großteil ihrer „Internetzeit“ komplett in dem sozialen Netzwerk. Das wird dem Unternehmen dabei helfen, ein geschlossenes Ökosystem aufzubauen, ein „Netz im Netz“.

3. Dazu passen auch seit langem kursierende Gerüchte, Facebook arbeite an einer eigenen Internetsuche und plane damit den Generalangriff auf Google.

4. Von Shopping-Malls bis hin zur Internetbank (denken Sie an die mögliche „Alternativwährung“ Facebook Credits!) kann Facebook allein oder mit namhaften Partnern alles aus einem Guss anbieten.

Ob der Börsengang für Facebook zum jetzigen Zeitpunkt optimal getimt war und ob der Ausgabepreis zu hoch angesetzt war, ist sicherlich bedenkenswert. Ganz freiwillig war der IPO nicht, der Konzern hatte schon so viele Aktionäre, dass er nach US-Recht zumindest Abschlüsse veröffentlichen musste. Nicht zuletzt haben große Investoren darauf gedrängt, an den Kapitalmarkt zu gehen.
Die größte Gefahr ist nun eigentlich, dass Zuckerberg sich durch die Erwartungen der Marktteilnehmer unter Druck gesetzt sieht und viel Geld für unnötige oder völlig überteuerte Übernahmen ausgibt. Auch was das Image angeht, ist eine negative Börsenbilanz natürlich nicht gerade förderlich. Diesen Effekt sollte man aber nicht überschätzen – von den 900 Mio. Usern wissen wahrscheinlich 80% gar nicht so genau, was eine Aktie ist oder es ist ihnen schlicht egal, ob Facebook an der Börse ist.

Auf lange Sicht wird Facebook aller Voraussicht nach eine fantastische Erfolgsstory. Es würde mich nicht wundern, wenn Zuckerbergs Imperium in zehn Jahren das wertvollste Unternehmen der Welt wäre. Aber auf kurze Sicht haben die Aktionäre vermutlich nicht viel zu lachen. Erfahrungsgemäß fällt es einer Aktie, die rasch unter den Ausgabepreis gefallen ist extrem schwer, den IPO-Preis zurückzuerobern. Nicht nur haben sehr viele auf diesem Niveau gezeichnet, zwischen 38 und 42 USD gingen auch etliche Millionen Aktien an der Börse um. Sie kennen das vielleicht selber vom Traden, man ist dann einfach froh, wenigstens den Einstandskurs wieder zu sehen. Es wird sicherlich schwierig, dieses Widerstandscluster zu nehmen. Aber es wird gelingen und dann werden Ihnen Journalisten wieder erklären, warum es völlig klar war, dass Facebook eine Erfolgsstory auch an der Börse wird.

Daniel Kühn

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der vielseitig interessierte Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3. Besondere Interessenschwerpunkte des überzeugten Liberalen sind politische und ökonomische Fragen und Zusammenhänge, Geldpolitik, Aktien, Hebelprodukte, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie generell neuere technologische Entwicklungen.

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