Kommentar
20:02 Uhr, 04.08.2023

EZB liefert Begründung für Ende der Zinserhöhungen

Die Ökonomen der Europäischen Zentralbank (EZB) sorgen mit der Aussage, dass die Kerninflation ihren Höhepunkt überschritten haben dürfte, argumentativ vor, um die Zinsen im September nicht weiter erhöhen zu müssen.

Eigentlich sind wir längst in der Sommerpause, jedenfalls mit Blick auf die Notenbanken. Sowohl die EZB als auch die US-Notenbank Fed werden nach den Zinsentscheiden in der vergangenen Woche erst wieder im September über den Leitzins entscheiden. Beide Notenbanken haben angekündigt, dass dabei eine weitere Anhebung im September möglich, aber nicht sicher sei.

Im aktuellen "geldpolitischen Sommerloch" lässt es aufhorchen, wenn sich jetzt EZB-Ökonomen in einem neuen Research-Papier mit der Entwicklung der Kerninflation in der Eurozone auseinandersetzen.

Wichtigste Aussage des Research-Papiers: Die Kerninflation in der Eurozone dürfte ihren Höhepunkt überschritten haben. Dass sich die Kerninflation zuletzt nur noch leicht abgeschwächt hat, führen die Ökonomen dabei auf "verzerrende Basiseffekte" zurück.

Wie die am Montag veröffentlichten vorläufigen Inflationsdaten zeigen, hat sich die Inflationsrate in der Eurozone im Juli auf 5,3 % verringert, von 5,5 % im Juni. In der sogenannten Kernrate, bei der die stark schwankungsanfälligen Preise für Energie, Alkohol, Tabak und Nahrungsmittel ausgeklammert werden, stiegen die Verbraucherpreise mit einer Jahresrate von 5,5 % im Juli. Im Juni hatte die Jahresveränderungsrate der Kerninflation ebenfalls 5,5 % betragen. Je nach Definition der Kerninflation ergeben sich aber unterschiedliche Zahlen, wie die Wissenschaftler in ihrem Research-Papier erläutern.

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Dass das Research-Papier gerade jetzt erscheint, dürfte kein Zufall sein. Denn mit der Aussage, dass die Kerninflation wahrscheinlich ihren Höhepunkt überschritten haben dürfte und "verzerrende Basiseffekte" dafür verantwortlich sind, dass sich die Kerninflation zuletzt nicht mehr oder nur noch wenig abgeschwächt hat, liefern die EZB-Ökonomen schon vorab eine Begründung, mit der die EZB im September auf weitere Zinsanhebungen verzichten kann.

Dabei ist die Frage, ob die Kerninflation ihren Höhepunkt überschritten hat, eigentlich gar nicht entscheidend. Auch mit dem Blick auf die obige Grafik erscheint es wahrscheinlich, dass die Kerninflation den Höhepunkt bereits hinter sich hat. Viel relevanter ist, dass sich die Kerninflation auf einem Niveau, das immer noch bei einem Vielfachen des EZB-Ziels von 2% liegt, nicht mehr oder kaum noch weiter abschwächt. Oder mit anderen Worten: Die Kerninflation droht sich auf einem erhöhten Niveau, das noch sehr deutlich über dem 2%-Ziel der EZB liegt, zu verfestigen.

Eigentlich wäre die nach wie vor stark erhöhte Kerninflation ein Argument dafür, den Kurs der Zinserhöhungen im September fortzusetzen, zumal der Leitzins in der Eurozone immer noch niedriger als die Inflationsrate liegt. Mit ihrem Research-Papier sorgen die EZB-Ökonomen nun aber argumentativ vor, um auch bei einer anhaltend hohen Kerninflation im September auf eine weitere Zinserhöhung verzichten zu können. Stattdessen wird die anhaltend hohe Kerninflation auf "verzerrende Basiseffekte" zurückgeführt.

Wie bereits in der Vergangenheit bezieht sich die angeblichen Datenabhängigkeit der EZB bei ihren Zinsentscheidungen nicht primär auf die tatsächlichen Inflationsdaten, sondern auf die Erwartungen der EZB zur künftigen Inflationsentwicklung. Die Vergangenheit hat aber eindrucksvoll gezeigt, dass die Prognosen meistens nur sehr wenig mit der Realität zu tun haben. Papier ist geduldig, und Papier, auf dem EZB-Inflationsprognosen vermerkt sind, ist in der Regel besonders geduldig. In diesem Sinne sollte man auch die neuen EZB-Prognosen zur Kerninflation betrachten.

Fazit: Mit der Aussage, dass die Kerninflation in der Eurozone ihren Höhepunkt überschritten haben dürfte, sorgen die EZB-Ökonomen argumentativ vor, um die Zinsen im September nicht weiter erhöhen zu müssen, obwohl sich die eigentliche Inflation und die Kerninflation weiterhin bei einem Vielfachen des EZB-Ziels von 2 % befinden und obwohl sich zuletzt sogar eine Verfestigung der Kerninflation auf diesem erhöhten Niveau gezeigt hat. Die angebliche Datenabhängigkeit der EZB erweist sich dabei einmal mehr als Abhängigkeit der EZB von ihren eigenen Prognosen, die allerdings mit Blick auf die Vergangenheit nur wenig belastbar sind.

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  • Sagero
    Sagero

    Die EZB klammert sich an der Hoffnung einer selbst erfüllenden Prophezeiung.

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