EZB-Klimaschutzinitiative: Ungewollte Folgen?
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Jeder in der Investmentbranche weiß, dass ESG-Themen – Umwelt, Soziales und Governance – immer wichtiger werden. Schnell haben Kapitaleigner und Assetmanager Nachhaltigkeitsfaktoren in ihre Analysen und Prozesse integriert, und sie haben keine Berührungsängste mit ESG-Ratings und ESG-Daten mehr. Ausschlusslisten werden immer häufiger, und der Markt für grüne Anleihen wächst kontinuierlich. Fast überall machen die Aufsichtsbehörden genauere Vorgaben für nachhaltiges Investieren. Sie führen neue Richtlinien ein, fordern mehr Transparenz und ermutigen die Portfoliomanager zum Wohlverhalten.
All das ist sehr erfreulich, für das Assetmanagement und für die Gesellschaft ohnehin. Aktives Management kann viel bewirken. Kapitalanleger haben Einfluss auf die Emittenten von Aktien und Anleihen. Aber das ist nicht frei von Risiken. ESG ist nützlich, aber Investoren müssen sich vor falschen Versprechungen und Anlagekonzepten hüten, die letztlich wenig bewirken. Ein weiteres Problem sind ungewollte Folgen aufsichtsrechtlicher und politischer Maßnahmen.
Ein neuer Akteur
Gerade erst trat ein neuer Akteur am ESG-Markt auf: die Europäische Zentralbank. Ich finde, dass sich Investoren mit den Absichten und dem Einfluss der Notenbank auseinandersetzen sollten.
Die jüngste Pressemitteilung und die Strategiediskussion der EZB ließen keine Fragen offen: Die Geldpolitik wird demnächst Klimafragen berücksichtigen. Das ist nicht meine Interpretation, sondern eine Aussage der EZB. Auch die Zitate stammen direkt von der Notenbank.
Konkret sagte sie: „Der EZB-Rat hat einen umfassenden Aktionsplan beschlossen, einen ehrgeizigen Plan, um Klimaschutzfragen bei der Geldpolitik noch stärker zu berücksichtigen. Damit macht er deutlich, dass die Geldpolitik Fragen der ökologischen Nachhaltigkeit systematischer aufgreifen will.“
Unter dem Titel Makroökonomische Modelle und Beurteilung der Implikationen für die geldpolitische Transmission heißt es, dass die EZB die Entwicklung neuer Modelle vorantreiben will. Mit theoretischen und empirischen Analysen will sie die Auswirkungen von Klimawandel und Klimaschutz auf Wirtschaft, Finanzsystem und Transmission der Geldpolitik überprüfen. Was bewirken geldpolitische Maßnahmen auf dem Weg über die Finanzmärkte und das Bankensystem bei Haushalten und Unternehmen?
Unter der Überschrift Statistische Daten für Risikoanalysen zum Klimawandel liest man, dass die EZB neue experimentelle Indikatoren entwickeln will. Sie sollen grüne Finanzinstrumente sowie den CO2-Fußabdruck und die Klimafolgen für Finanzinstitute abbilden.
Schließlich, und das ist vielleicht am interessantesten, erfährt man unter Ankäufe von Wertpapieren des Unternehmenssektors, dass die EZB bei der Prüfung geldpolitisch motivierter Unternehmensanleihenkäufe schon jetzt Klimarisiken berücksichtigt. Geplant ist, im Rahmen ihres Mandats die Richtlinien für den Kauf von Unternehmensanleihen um Klimakriterien zu ergänzen. Das Mindeste ist, dass die Emittenten die EU-Vorschriften zur Umsetzung der Pariser Klimavereinbarung einhalten, etwa durch klimarelevante Kennziffern und Selbstverpflichtungen.
Skeptische Anleger
Das sind klare Ansagen, die Kapitaleigner, Investoren und Entscheider in Unternehmen ernst nehmen müssen. Ich schätze es, dass die EZB die Risiken des Klimawandels erkennt und ihren Einfluss geltend machen will, um Veränderungen zu bewirken. Und doch haben Investoren allen Grund zur Skepsis. Sind neue Modelle, theoretische Analysen und experimentelle Indikatoren wirklich die richtige Grundlage für die Geldpolitik? Soll sie sich wirklich mit Klimafragen befassen?
Es ist dieselbe EZB, die gerade mit dem „symmetrischen“ Inflationsziel eine neue Strategie einführt, die die Wertentwicklung selbst genutzter Häuser auch in jenen Ländern berücksichtigen will, die solche Daten gar nicht erheben und die ihre „kurzfristige“ Negativzinspolitik fortsetzt. In der jüngsten Pressemitteilung geht es um viel Experimentelles. Wird die Notenbank Sozialpolitik durch eine geldpolitische Brille betreiben? Und wird der Einfluss der EZB auf den Anleihenmarkt noch größer?
Engagement für den Klimaschutz
Keineswegs möchte ich die Bedeutung des Klimaschutzes herunterspielen. Ignoranz und Untätigkeit sind fehl am Platz. Die Risiken sind nicht zu leugnen, und man muss handeln, gestützt auf empirische Analysen und wissenschaftliche Erkenntnisse und – noch viel wichtiger – mit klimafreundlichen Anlageentscheidungen.
Wenn der Marktzugang und die Kapitalbeschaffung von Unternehmen und Regierungen davon abhängen, wie klimafreundlich sie sind, kann das viel bewirken. Langfristig dürfte dies für Investoren eine Alphachance sein und zugleich dem Klimaschutz dienen. Für die Geldpolitik scheint diese Aufgabe aber ein wenig zu groß. Sie könnte sich übernehmen.
Vielmehr schlägt jetzt die Stunde der aktiven Investmentmanager. Engagement, also die Einflussnahme auf Portfoliounternehmen, bringt deutlich mehr als eine Ausschlussliste. Das ist eine zentrale Erkenntnis des aktiven Managements. Wenn Unternehmen verantwortungsvoller werden sollen, müssen wir auf sie zugehen und nicht einfach nur Wertpapiere an einem Markt verkaufen, dem das Thema vielleicht vollkommen gleichgültig ist.
Lösungen komplexer Probleme sind ihrerseits komplex. Sie erfordern umfangreiche Analysen und ein gutes Urteilsvermögen. Für aktive Anlageentscheidungen braucht es Engagement, Know-how und Risikomanagement. Anders als passive Strategien können sie auch Klimarisiken berücksichtigen. Die Kapitalallokation und die Preisbildung am Markt können dazu beitragen, den Klimawandel zu stoppen.
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