Kommentar
07:11 Uhr, 08.11.2017

Extreme Geldpolitik: Was ist eigentlich normal?

Nach Jahren außergewöhnlicher Geldpolitik sehnen sich viele nach einer Normalisierung. Aber was bedeutet das überhaupt? 300 Jahre Geschichte geben ein paar Antworten.

Erwähnte Instrumente

Vergangene Woche hatte ich über einen historischen Moment geschrieben, den wir alle miterleben konnten (gmtr.ly/Ey038jP0X ). Es ging dabei um den ersten Zinsanstieg seit 10 Jahren in Großbritannien. Die Zinsen wurden vom absoluten Rekordtief der dreihundertjährigen Geschichte angehoben. Damit sind sie immer noch niedrig, aber es geht in die richtige Richtung.

Betrachtet man nicht den Leitzins, sondern den Realzins (in diesem Fall Leitzins minus Inflation), dann zeigt sich, dass der Moment gar nicht so historisch war (Grafik 1). Der Realzins ist mit knapp 3 % deutlich negativ, doch das ist nichts Besonderes. Im 20. Jahrhundert gab es immer wieder Phasen, in denen Sparer real jedes Jahr im zweistelligen Bereich verloren.


Im 18. Und 19. Jahrhundert war es auch nicht besser. Zwar gab es immer wieder hohe Realzinsen, doch dafür auch immer wieder Phasen mit stark negativen Zinsen. Die kontinuierliche Verzinsung in den Jahren von 1980 bis 2007 ist eher außergewöhnlich und weniger normal.

Normal ist: Die Währung verliert an Wert

Was hingegen zur Normalität geworden ist, ist der kontinuierliche Wertverlust der Währung. Dieser war in den ersten 250 Jahren der Historie moderat. Insgesamt verlor die Währung 30 % an Wert. In den darauffolgenden 100 Jahren bis heute ging es um 99 % nach unten.

Es lässt sich Anfang des 20. Jahrhunderts ganz klar ein Wandel feststellen. Dieser hängt damit zusammen, dass vor 1900 Phasen der Inflation von Phasen der Deflation abgelöst wurden. Die Inflation lässt den Geldwert sinken, die Deflation lässt ihn steigen. Sinkende Preise gab es in den letzten 100 Jahren kaum (abgesehen von der Großen Depression). Im Gegensatz zum 18. Und 19. Jahrhundert hatten wir kaum deflationäre Phasen.

Trotz allem sind zumindest in Großbritannien die Reallöhne schneller gestiegen. Das liegt vor allem an höherem Produktivitätswachstum. Dieses war höher als in den Jahrzehnten und Jahrhunderten zuvor. Die Dampfmaschine, einer der Produktivitätswunder überhaupt, machte sich ab Anfang des 19. Jahrhunderts deutlich bemerkbar. Das Reallohnwachstum beschleunigte sich.

Höhere Produktivität half auch der Börse (Grafik 3). Nachdem Aktien bis 1810 praktisch nicht vom Fleck kamen, stiegen sie in den darauffolgenden 60 Jahren um den Faktor 8. So ähnlich verhielt es sich nach dem Zweiten Weltkrieg. Seit über einem Jahrzehnt stagniert nun die Produktivität wieder. Das macht sich auch auf dem Aktienmarkt bemerkbar. Geringeres Wachstum, keine Lohnsteigerungen usw. machen es schwer nachhaltig mehr Wert zu generieren.


Wer erwartet, dass Aktien ohne entsprechendes Wachstum nachhaltig steigen können, ist auf dem Holzweg. In den USA sehen wir das gerade. Aktien steigen und steigen, doch die Substanz (Wirtschaftswachstum) dahinter fehlt. Das wird nicht ewig gutgehen.

Besser als Aktien liefen übrigens Immobilien, allerdings erst im 20. Jahrhundert. Die durchschnittliche Jahresrendite übertrifft die von Aktien, wobei letztere zugegebenermaßen auch Dividenden zahlen. Der Vergleich ist also nicht ganz fair.

Betrachtet man den realen Kursverlauf von Aktien und Immobilien muss man sich erst einmal die Augen reiben (Grafik 4). Nach Abzug der Inflation wird auf dem Aktienmarkt schon seit 100 Jahren kein Wert mehr generiert. So viel zu dem Thema, dass Aktien langfristig immer ein Gewinn sind...

Zusammengefasst kann man sagen: die Geldpolitik der Notenbanken mag ungewöhnlich sein, doch das Resultat ist es nicht. Betrachtet man Realzinsen, Geldentwertung usw. hilft die Geldpolitik den Zustand, den wir vor der Krise als normal wahrgenommen haben, aufrecht zu erhalten. Auf dem Aktienmarkt führt das allerdings zu einem Exzess. Das gilt nicht so sehr für Großbritannien und den Rest Europas, dafür aber in den USA.

Clemens Schmale

Sie interessieren sich für Makrothemen und Trading in exotischen Basiswerten? Dann folgen Sie mir unbedingt auf Guidants!

Lernen, traden, gewinnen

– bei Deutschlands größtem edukativen Börsenspiel Trading Masters kannst du dein Börsenwissen spielerisch ausbauen, von professionellen Tradern lernen und ganz nebenbei zahlreiche Preise gewinnen. Stelle deine Trading-Fähigkeiten unter Beweis und sichere dir die Chance auf über 400 exklusive Gewinne!

Jetzt kostenlos teilnehmen!

Passende Produkte

WKN Long/Short KO Hebel Laufzeit Bid Ask
Keine Ergebnisse gefunden
Zur Produktsuche

2 Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • einfach
    einfach

    ein kleiner denkanstoß für einen realistischen vergleich rohstoffe und kryptogeld.

    um eine bestimmte menge rohstoff sagen wir einmal z.b. 1 kg gold,silber oder kuper herzustellen, benötigt es energie, maschinen und menschliche arbeitskraft.

    das sind feste größen die nicht veränderbar sind.

    variabel dabei ist nur die menge an energie, maschinen und arbeitskraft die abhängig von der qualität der lagerstätte sind.

    die kryptowährungen hingegen sind von anfang an auf einen grundlosen preisanstieg hin getrimmt.

    der grundlose preisanstieg liegt an dem protokoll der kryptowährungen.

    wenn zur herstellungen der ersten einheit einer kryptowährung z.b. die energiemenge von 1w/sek benötigt wird, die auf einer hardware die zum zeitpunkt des starts der kryptowährung 300€ kostet bis zur letzten möglichen einheit auf 10.000 kw/h bei hardwarekosten von 100.000€ steigt, dann ist das eine grundlose verteuerung der herstellungskosten, da nur der schwierigkeitsgrad erhöht wird.

    die maximale stückzahl an einheiten, könnte wenn das ganze system nicht als spiel zur gewinnmaximierung auf den markt gebracht wird mit dem anfangs schwierigkeitsgrad erzeugt werden.

    aber dann wäre natürlich der anreiz eine kryptowährung zu erzeugen sehr gering, der spaß liegt also darin, dass die ersten erzeuger sich eine große stückzahl mit dem niedrigsten kostenaufwand sichern und dann mit dem fast kostenlosen viralen marketing im internet einen hype starten, um ihre anfangs zu einem lächerlichen grundpreis ezeugten einheiten so ziemlich am ende des maximalen kostenblocks in reales geld zurückzuwandeln.

    also nichts weiter als eine geniale geschäftsidee ohne werthaltige basis.

    da kann allen nachfolgenden kryptoerfindern also nur good luck mit auf dem weg gegeben werden.

    14:24 Uhr, 08.11.2017
  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Die "Normalität" konstanten Wertverlusts von Papierwährungen wird von Anlegern jetzt erstmals in Frage gestellt. Ein Indiz hierfür ist der Aufstieg der Kryptowährungen. Man kann davon ausgehen, dass sich die Zentralbanken ihr Geschäftsmodell nicht ohne Gegenwehr wegnehmen lassen werden. Auf der anderen Seite lässt sich die Blockchain nicht aussschalten oder kontrollieren. Das lässt den Schluss zu, dass auf dem Währungssektor in den kommenden Jahren erhebliche Turbulenzen zu erwarten sind. Den Anfang sehen wir gerade bei Bitcoin & Co.

    08:53 Uhr, 08.11.2017

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

Mehr über Clemens Schmale
  • Makroökonomie
  • Fundamentalanalyse
  • Exotische Basiswerte
Mehr Experten