Kommentar
09:10 Uhr, 04.08.2016

Extreme Geldpolitik: Bank of Japan will "umfassende Beurteilung" vornehmen

Es hat lang genug gedauert, doch nun steht eine umfassende Beurteilung der Notenbankpolitik auf dem Plan.

Die meisten Notenbanken beteuern zwar, dass sie ihre Politik den Gegebenheiten flexibel anpassen und die Wirksamkeit getroffener Maßnahmen überprüfen. Das impliziert praktisch, dass Notenbanken Maßnahmen auch wieder rückgängig machen würden, wenn sie zu der Beurteilung kommen, dass sie wirkungslos sind.

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Eine solche Beurteilung, ja sogar eine „umfassende Beurteilung“ will die japanische Notenbank (BoJ) bis zu ihrer nächsten Sitzung vornehmen. Das wurde auch Zeit, denn bisher hat man bei der BoJ wie auch allen anderen Notenbanken den Eindruck, dass die Beurteilung zwar vielleicht gemacht wurde, doch noch nie zu einer entsprechenden Konsequenz geführt hat.

Der Einlagensatz der EZB ist bereits seit knapp zwei Jahren negativ. Ganz offensichtlich schadet es den Banken, denen als wichtiger Impulsgeber für die Wirtschaft eine Schlüsselrolle zukommt. Sind Banken selbst nicht in guter Verfassung und leiden unter der Zinspolitik, dann kann man von ihnen kaum verlangen, dass sie die Notenbankpolitik effektiv in die Wirtschaft weitertragen.

Die EZB sieht diese Probleme zwar, doch sie kommt partout nicht zu dem Schluss, dass dagegen etwas getan werden muss. Die Konsequenz aus der Beurteilung der Maßnahme bleibt aus. Nun kann die BoJ beweisen, dass das nicht immer so sein muss. Sie will nämlich alle bisher beschlossenen Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin überprüfen. Theoretisch könnte sie zu dem Schluss kommen, dass keine der Maßnahmen wirkt. Die Folge: die expansive Geldpolitik müsste ein Ende finden.

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Die expansive Geldpolitik wird gewiss kein Ende finden. Dafür ist es inzwischen zu spät. Selbst wenn die Maßnahmen keine Erfolge bringen, so kann deren Aufgabe großen Schaden anrichten. In Japan gibt es jedoch einen besonderen Fall. Die zu Jahresbeginn eingeführten Zinsen haben ihre Wirkung ganz offensichtlich verfehlt.

Die Grafik zeigt das Wachstum der vergebenen Kredite und das Wachstum der Bankeinlagen. Das Wachstum der Kreditvergabe ist seit Sommer 2008 rückläufig. Das muss noch nichts heißen, denn gleichzeitig gingen auch die Bankeinlagen zurück. Konsumenten und Unternehmen nutzten anscheinend vorhandenes Geld, um Ausgaben und Investitionen zu tätigen, als noch mehr Kredit aufzunehmen.
Anfang 2016 kam es dann zu einer bedenklichen Entwicklung. Seitdem die negativen Zinsen gelten, geht die Kreditvergabe weiter zurück und gleichzeitig steigen die Einlagen bei Banken wieder. Ganz praktisch heißt das: die negativen Zinsen haben ihre Wirkung nicht nur verfehlt, sondern haben das Gegenteil dessen bewirkt, was sie sollten.

Die BoJ hatte die Zinsen vermutlich gesenkt, um die lahmende Kreditvergabe wieder anzukurbeln. Stattdessen verunsicherte die Zinssenkung Wirtschaftsakteure so sehr, dass sie nun auch nicht mehr Kredit aufnehmen, dafür aber wieder mehr Geld auf die Seite legen. Es ist nahezu unvorstellbar, dass die BoJ bei der Datenlage zu einem anderen Ergebnis bei ihrer Beurteilung kommt.

Nun stellt sich die Frage, was bei der nächsten Sitzung geschehen wird, wenn die Beurteilung abgeschlossen ist. Aller Voraussicht nach müsste die Notenbank die negativen Zinsen wieder abschaffen. Die Wirkung, die sich daraus hoffentlich ergibt, ist eine Abschwächung des Sparreflexes. Gibt es keine negativen Zinsen mehr, dann sollten Sparer erleichtert reagieren und nicht mehr den Eindruck haben, dass das Ersparte immer weniger wert wird und sie deshalb noch mehr sparen müssen.

Mehr als die negativen Zinsen geschadet haben, kann eine Aufhebung der Maßnahme kaum schaden. Die Frage ist lediglich, was mit dem Wechselkurs geschieht. Zuletzt zeigte sich die Industrieproduktion noch robust, obwohl der Yen stark aufgewertet hatte. Das kann ein positives Signal sein (Japan braucht keinen noch schwächeren Yen), muss es aber nicht. Unternehmen sind ja auch nicht ganz dumm und sichern sich teilweise ab bzw. reagieren auf plötzliche Wechselkursschwankungen notfalls, indem sie ihre Margen reduzieren.

Was am Ende der angekündigten „umfassenden Beurteilung“ steht, weiß keiner. Die Folgen können weitreichend sein oder vollkommen unspektakulär. Vermutlich werden die negativen Zinsen zurückgenommen oder es wird zumindest eine Garantie für nicht weiter fallende Zinsen gegeben.

Letztlich fehlt es der BoJ inzwischen an Munition, die sie noch verschießen könnte. Sie muss ihren Maßnahmenkatalog erweitern, wenn sie noch zusätzlich lockern will. Dabei würde kein Weg an Helikoptergeld vorbeiführen.

Clemens Schmale

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13 Kommentare

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  • 2 Antworten anzeigen
  • netzadler
    netzadler

    unmissverständliche Warnung an die Politik, dass diese nun am zug wäre.

    die Notenbanken sind mit ihrem Latein am ende. dem bankensystem wird die Geschäftsgrundlage entzogen.

    damit dürfte der anleihemarkt unter druck kommen.

    09:56 Uhr, 04.08. 2016
    3 Antworten anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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