Kommentar
06:36 Uhr, 19.07.2016

Japan: Kommt Helikoptergeld bereits im Juli?

In der Gerüchteküche geht es heiß her, seitdem bekannt ist, dass sich der japanische Notenbankchef mit Ben Bernanke getroffen hat.

Japanischer Yen nach Aufwertungswelle unter Druck

Vergangene Woche fand ein Treffen zwischen dem japanischen Notenbankchef Kuroda und Ben Bernanke statt. Seitdem wertet der Yen ab. Die Abwertung ist durchaus bemerkenswert, denn seit Ende des Bretton Woods Systems gab es nur 6 Wochen, in denen der Yen stärker abwertete.

Die Wechselkursfreigabe ist über 40 Jahre her. Nimmt man als Startpunkt der Freigabe die Entscheidung von Präsident Nixon, die nominale Goldbindung des Dollars aufzugeben, dann sind es konkret 2.344 Wochen, die die Wechselkurse frei sind. Wenn eine Abwertung also zu den Top 7 Abwertungen zählt, dann ist das außergewöhnlich.

Grafik 1 zeigt die größten Auf- und Abwertungen des Yen gegenüber dem Dollar. Drei der größten 7 Abwertungen fand in den vergangenen knapp vier Jahren statt – Abenomics sei Dank. Eine der größten Aufwertungen fand Anfang 2016 statt. Sie markierte das vorläufige Ende der Abenomics.

"Abenomics" scheinen gescheitert

Seit der Zinssenkung in den negativen Bereich und der Reaktion der Märkte darauf (Aufwertung des Yen), gelten die Abenomics als gescheitert. Die Inflation befindet sich auf dem Rückzug. Unternehmen blicken mit Sorge in die Zukunft und verschieben Investitionen. Konsumenten sind ebenfalls besorgt und geben weniger Geld aus.

Offiziell sind die Abenomics natürlich nie begraben worden, doch inoffiziell befand sich Japan politisch und geldpolitisch in Schockstarre – bis jetzt. Die regierende Partei von Premierminister Abe konnte bei den Oberhauswahlen vor gut einer Woche Sitze hinzugewinnen. Das gibt Abe die Rückendeckung, die er braucht, um seine Politik fortzusetzen.
Die Abenomics sind zwar umstritten und genießen nicht unbedingt den Rückhalt der Bevölkerung, doch aus Mangel an Alternativen wird die Regierung unterstützt. Mit dieser Bestätigung können Regierung und Notenbank nun wieder loslegen und einen Gang hochschalten.

Anstrengen müssen sie sich, wenn sie die Rückabwicklung der Abenomics verhindern wollen. Spekuliert wird nun darauf, dass die Notenbank die Schulden des Staates auch offiziell monetarisiert. Die Bank of Japan (BoJ) kauft zwar bereits Staatsanleihen im ganz großen Stil, doch diese verschwinden nicht auf immer und ewig in der Notenbankbilanz.

Praktisch gesehen kann der Staat die Schulden niemals wieder zurückzahlen. Solange die Notenbank die Schulden aber nicht offiziell abschreibt, besteht theoretisch die Möglichkeit, dass sie die Anleihen wieder verkauft und so die Zinsen anhebt. Dazu wird es zwar nie kommen, doch damit das Anleihekaufprogramm als Helikoptergeld bezeichnet werden kann, fehlt ein letzter, kleiner Schritt: die Zusicherung der Notenbank, dass sie die Begleichung von Schulden niemals einfordern wird.

Lesen Sie dazu auch: Helikoptergeld - Kann der Geldregen der Zentralbank funktionieren?

Ben Bernanke wird nicht umsonst Helikopter-Ben genannt. 2003 griff er die Idee von Milton Friedman auf und wird seitdem den Ruf nicht mehr los. Da wundert es nicht, dass ein Treffen zwischen Bernanke und Kuroda Gerüchte lostritt.

Unendlich laufende Anleihen als Instrument des Helikoptergeldes?

Denkbar ist die Ankündigung von Helikoptergeld Ende Juli, wenn die Notenbank das nächste Mal tagt. Konkret könnte es dabei um die Finanzierung eines Konjunkturprogramms gehen. Die Regierung berät gerade darüber, in welchem Umfang sie ein Programm auflegen will. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird wieder in Infrastruktur investiert.

Das Konjunkturprogramm bzw. Infrastrukturprogramm muss dabei nicht notwendigerweise über neue Staatsschulden finanziert werden. Es wird darüber nachgedacht, die Mittel über die Ausgabe von Infrastrukturanleihen aufzubringen. Diese könnten dann direkt von der Notenbank gekauft werden. Um daraus Monetarisierung zu machen, muss noch eine Bedingung erfüllt werden: die Anleihen haben eine unbegrenzte Laufzeit. Sie werden also nicht zurückgezahlt.

Ein solcher Schritt hat mehrere Vorteile. Einerseits ist das Ausmaß der Monetarisierung begrenzt. Japanische Konjunkturpakete bewegen sich für gewöhnlich im Rahmen von 100 bis 150 Mrd. Dollar. Die Monetarisierung dieses Pakets ist ein kontrolliertes und überschaubares Experiment. 150 Mrd. sind für eine Wirtschaft mit einer Wirtschaftsleistung von über 4 Bio. Dollar merklich, aber keineswegs exzessiv. Einen massiven Inflationsanstieg muss niemand befürchten.
Japan will zwar die Inflation wiederbeleben, doch das Land hat auch eine gewisse Angst, dies durch Monetarisierung von Schulden zu tun. Grafik 2 zeigt die Hintergründe dazu. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges begann der Staat die Ausgaben durch die Notenpresse zu finanzieren. Die Folge war Hyperinflation für mehrere Jahre. Die Geldentwertung lag von 1944 bis 1949 in jedem einzelnen Jahr bei mehr als 30 %. 1945 wurde Schätzungen nach eine Teuerungsrate von 975 % erreicht.

Die Finanzierung eines mittelgroßen Konjunkturprogramms durch die Notenbank ist ein Experiment mit vielen Vorteilen. Die Summe ist im Vorhinein bekannt und die Maßnahme einmalig. Die Reaktion des Marktes und der Bevölkerung wird zeigen, ob es ein Modell ist, welches sich wiederholen lässt.

Lesen Sie dazu auch: Helikoptergeld ist zu problematisch

Auch die Monetarisierung von Infrastrukturanleihen ist geschickt. Das umgeht die Angst, dass sich der Staat finanzieren lässt. Eine klar zweckgebundene Monetarisierung ist besser, als dem Staat unkontrolliert Geldmittel zur Verfügung zu stellen.

Die Gerüchte und Möglichkeiten sind interessant. Persönlich denke ich zwar, dass Japan keine anderen Optionen zu Helikoptergeld mehr hat, doch eine Umsetzung bereits im Juli erscheint verfrüht und übereilt.

Clemens Schmale

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  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Dieser grandiose Unfug dürfte schon bald neue wilde Blüten treiben. Die einzige Frage von Bedeutung lautet, wie lange es noch dauert, bis die Masse erkennt, welch unglaublichem Schwindel sie auf den Leim geht.

    Etwas Licht ins Dunkel bringt der folgende Beitrag über die Geschichte des Zentralbankwesens in den USA.

    http://www.prisonplanet.com/41-facts-about-the-his...

    Um es auf den Punkt zu bringen: Weitblickende US-Präsidenten wie Thomas Jefferson, Andrew Jackson, James Garfield oder Abraham Lincoln wussten sehr genau, warum sie Zentralbanken kategorisch ablehnten.

    Doch heute glauben alle, sehr viel schlauer zu sein und bejubeln immer neue Absurditäten aus den Elfenbeintürmen dieser so genannten "Geldhüter". Es ist unglaublich...

    10:10 Uhr, 20.07.2016
  • MDADVISORY
    MDADVISORY

    Diese Maßnahme wird realökonomisch zu nichts führen - wie die Anleihekaufprogramme der Notenbanken. Das einzige was passieren wird, ist die Schwächung der Währung bis zum Kollaps. Der Kollaps ist ein exogener Schock, der so aussieht, dass alle Marktteilnehmer entschieden haben, dass der Yen schrott ist. Ab dem Zeitpunkt kann den Yen nichts mehr retten. Die Frage ist nur, in welcher Währung dies als erstes passiert.

    12:59 Uhr, 19.07.2016
    2 Antworten anzeigen
  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    ... ach nee ... da steht er ja ... - ich lese ihn erst jetzt: also alles in Ordnung ...

    Der Hinweis ist heute aber verhaltend kurz geraten ... - vielleicht noch mal ein wenig nachdrücklicher, damit wir es auch endlich alle wissen ...

    11:30 Uhr, 19.07.2016
  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    @ unbekannterweise

    Es fehlt dein Hinweis auf "Bitcoins" ...

    11:28 Uhr, 19.07.2016
    1 Antwort anzeigen
  • Bigdogg
    Bigdogg

    Wie kann man an sowas überhaupt irgendwas positiv finden?? Der Schwachsinn wird allen mit einem Megaknall um die Ohren fliegen. Wann weiß kein Mensch, aber es wird nicht zu vermeiden sein. Wenn es so billig wäre, warum überhaupt noch was arbeiten oder sonstwas tun - wir drucken uns alle reich und alles wird gut (wenn man ihrem Artikel folgen will)

    PS: Unsere Ahnen scheinen offensichtlich zu blöd gewesen zu sein auch auf eine solch tolle Idee zu kommen -)

    11:02 Uhr, 19.07.2016
  • 1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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