Fundamentale Nachricht
15:24 Uhr, 02.03.2018

Erste EZB-Zinsanhebung nicht vor 2020

David Zahn, Head of European Fixed Income bei Franklin Templeton, rechnet mit einer Fortsetzung der Quantitative-Easing-Maßnahmen der EZB bis 2019 und erwartet die erste EZB-Zinsanhebung nicht vor 2020.

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San Mateo (GodmodeTrader.de) - Die bevorstehenden Wahlen in Italien ziehen nicht dieselbe Aufmerksamkeit der Anleger auf sich wie die Abstimmungen in Frankreich und Deutschland im vergangenen Jahr. Aus genau diesem Grund ist davon auszugehen, dass ein unerwartetes Ergebnis eine übermäßige Marktreaktion auslösen könnte, wie David Zahn, Head of European Fixed Income bei Franklin Templeton, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

Und während Anleger sich mehr Gedanken über die weitere Entwicklung der Geldpolitik der Eurozone zu machen scheinen, gebe es gute Gründe dafür, dass sich die Europäische Zentralbank noch bis 2020 zurückhalten werde, bevor sie die Zinsen anhebe, heißt es weiter.

„Aus den meisten Umfragen geht hervor, dass es bei den bevorstehenden Parlamentswahlen in Italien, die für den 4. März angesetzt sind, keinen klaren Sieger geben wird. Für den wahrscheinlichsten Ausgang halten wir eine Technokraten-Regierung oder eine große Koalition, wobei wir weder von der einen noch von der anderen drastische Auswirkungen auf die Anleihenmärkte erwarten.Die Sache könnte jedoch anders aussehen, wenn eine Gruppe genug Sitze für die Bildung einer Regierung gewinnen würde, insbesondere wenn es sich bei dieser Gruppe um die Koalition der Mitte-rechts-Parteien handelt, die in den Umfragen gut abschneiden“, so Zahn.

Die letzten vor der Wahl veröffentlichten Meinungsumfragen legten nahe, dass die Koalition der Mitte-Rechts-Parteien (zu der auch die von Silvio Berlusconi geführte Forza Italia gehöre) die meisten Sitze gewinnen könnte. Im Gegensatz zum traditionellen Mitte-Rechts-Dogma fordere das Wahlprogramm der Koalition von Berlusconi mehr Ausgaben und einen größeren Haushalt. Zurzeit sehe es eher unwahrscheinlich aus, dass sie genug Sitze für eine absolute Mehrheit gewinnen werde. Sollte es ihr aber doch gelingen, diese Hürde zu nehmen, könnte das Ergebnis negative Auswirkungen auf italienische Schuldtitel haben. Die Zentralbank des Landes würde wahrscheinlich mehr Staatsanleihen (BTP) emittieren, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem der größte Käufer, nämlich die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Käufe von Staatsanleihen zurückfahre, heißt es weiter.

„Bei breiterer Betrachtung haben wir bislang kaum Hinweise darauf erkennen können, dass sich der Einbruch bei weltweiten Aktien Anfang Februar auf die Rentenmärkte übertragen hätte. Auf dem europäischen Markt für Unternehmensanleihen war eine moderate Volatilität (eher auf Indexebene) zu verzeichnen, und die Spreads weiteten sich leicht aus, was für uns aber kein besonderer Grund zur Sorge ist. Die Renditen europäischer Staatsanleihen sind in diesem Jahr höher und stiegen ein wenig schneller als wir erwartet hatten. Wir waren davon ausgegangen, dass sie mit der Zeit steigen würden, aber wenngleich Europa ein starkes Wirtschaftswachstum verzeichnet, bleibt die Inflation recht verhalten. Doch man findet in den Daten Anzeichen für eine höhere Inflation“, so Zahn.

Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) Mario Draghi habe darauf hingewiesen, dass es das langfristige Ziel sei, die Inflation der Eurozone knapp unter zwei Prozent zu halten. Das lege nahe, dass sich die EZB gut damit abfinden könnte, wenn die Inflation kurzfristig über zwei Prozent steigen würde, heißt es weiter.

„Daher vermuten wir, dass der EZB-Rat es gern sähe, wenn die Inflation höher steigen würde, bevor er eine weniger lockere Geldpolitik in Erwägung zieht. Zurzeit gehen wir davon aus, dass die quantitative Lockerung (QE) in der Eurozone bis ins nächste Jahr andauern wird und dass die EZB wahrscheinlich ihre erste Zinsanhebung für 2020 anvisiert“, so Zahn.

Doch die Märkte begännen bereits, eine noch frühere Anhebung einzupreisen. Das hänge wahrscheinlich zum Teil damit zusammen, dass die Anleger schon seit einiger Zeit einen Anstieg der Renditen erwarteten. Verständlicherweise wollten die Leute sicherstellen, dass sie nichts verpassten, aber es sei davon auszugehen, dass der Markt ein wenig mitgerissen werde, heißt es weiter.

„Insgesamt glauben wir, dass die zugrunde liegenden Fundamentaldaten sowohl für Investment-Grade- als auch für High-Yield-Unternehmensanleihen in Europa weiterhin gut sind. Europäische Unternehmen scheinen allgemein gute Bilanzen zu haben, und die Kreditzinsen sind niedrig. Gleichzeitig kommt in Europa wieder ein wenig Inflation auf, sodass Unternehmen in der Lage sind, Preiserhöhungen an Verbraucher weiterzugeben. All das halten wir für positive Bedingungen für Unternehmensanleihen in der Region. Allerdings erscheinen uns einige Bewertungen auf der Kreditseite allmählich etwas überzogen. Die Ausweitung der Spreads bei Unternehmensanleihen spiegelt möglicherweise eine Normalisierung wider, um ein wenig von dem Risiko auszugleichen, das Anleger eingehen“, so Zahn.

Wenngleich er einräume, dass der Anstieg der Volatilität am Aktienmarkt zu den angespannten Bewertungen von Unternehmensanleihen beigetragen haben möge, scheine aber auch die Ungewissheit über den Kurs der Gelpolitik der EZB eine Rolle zu spielen. Vor allem hielten Anleger Ausschau nach Hinweisen auf den Zeitplan und den Umfang der Drosselung der quantitativen Lockerung (QE) der EZB, heißt es weiter.

„Das derzeitige QE-Programm soll im September dieses Jahres auslaufen, und wir halten es für unwahrscheinlich, dass die EZB es dann abrupt beenden wird. Wir gehen also eher von einer Verlängerung aus, möglicherweise begleitet von einer weiteren Drosselung. Vor diesem Hintergrund nehmen wir an, dass die EZB frühestens im Sommer eine Aussage zu ihren Drosselungsplänen machen wird“, so Zahn.

Draghi habe darauf hingewiesen, dass jegliche Entscheidung über die Zukunft der quantitativen Lockerung von Daten abhängig gemacht werde. Durch das Abwarten bis zum Sommer hätten die Entscheidungsträger der Zentralbank mehr Daten, die sie berücksichtigen könnten. Währenddessen lege ihre Analyse nahe, dass auch andere Überlegungen Einfluss auf den Zeitplan für Zinsanhebungen haben könnten. Die EZB hat zuvor darauf hingewiesen, dass sie die Zinsen nicht unmittelbar nach der Beendigung des Anleihenkaufprogramms anheben würde. Geht man davon aus, dass die EZB dieses Programm bis Anfang 2019 verlängert, kämen wir mit einem Aufschub von sechs bis neun Monaten dem Ende der Amtszeit von Mario Draghi als Präsident schon sehr nahe, heißt es weiter.

„Wir halten es für wahrscheinlich, dass die EZB eine Zinserhöhung bis zum Amtsantritt eines neuen EZB-Präsidenten hinauszögern wird, was in der Praxis bedeuten würde, dass es erst Anfang 2020 zu einer ersten Anhebung käme. Wir haben die Kaufgewohnheiten der EZB seit der Kürzung ihres Anleihenkaufprogramms von 60 Milliarden EUR pro Monat auf 30 Milliarden Euro pro Monat im Januar 2017 beobachtet. Obwohl sich die monatlichen Käufe insgesamt halbiert haben, ist der Betrag von gekauften Nicht-Staatspapieren, darunter gedeckte Schuldverschreibungen und Unternehmensanleihen, nur leicht von zehn Milliarden Euro pro Monat auf acht bis neun Milliarden Euro pro Monat gesunken. Der größte Anteil der Reduzierung der Käufe entfiel also auf Staatsanleihen. Wenn die quantitative Lockerung bis 2019 andauert, wovon wir ausgehen, dürfte sie sich weiterhin auf private Vermögenswerte konzentrieren“, so Zahn.

Er nehme an, dass die niedrige Volatilität an den europäischen Rentenmärkten, die wir in den vergangenen zwölf bis 18 Monaten erlebt haben, hinter uns liege. Wenngleich er nicht glaube, dass eine Phase hoher Volatilität auf uns zukomme, meint er, dass Anleger akzeptieren sollten, dass es wahrscheinlich immer wieder kurze Schübe geben werde. „Wir betrachten Volatilität als eine Chance, um zu investieren, wenn wir eine Ausweitung von Spreads bei Titeln beobachten, die wir für solide halten“, so Zahn.

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3 Kommentare

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  • bembes
    bembes

    Ich glaube dass es o kommen könnte. Draghi wird sich im EZB-Rat immer durchsezten. Die anderen, darunter auch der "DeutschE2 werden immer kuschen...da sie ja auch EZB-Präsident werden wollen.

    Die dicke Abrechnung kommt in ein paar Jahren !!!!

    17:23 Uhr, 02.03. 2018
  • Gerh_Muc
    Gerh_Muc

    Man muss nich jeden Müll den ein Börsianer verzapft wiederholen

    15:33 Uhr, 02.03. 2018
  • Zukunft21
    Zukunft21

    es läuft so oder so alles aus dem Ruder diew erden sich noch ganz schön die Augen reiben die Herrschaften der EZB Betrüger Verein !!!

    15:32 Uhr, 02.03. 2018

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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