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15:26 Uhr, 25.10.2021

Erdogans Verbalattacken heizen Wirtschaftskrise an

Die Menschen in der Türkei leiden unter einer hohen Arbeitslosenrate, die deutlich über der offiziellen Rate von 12,1 Prozent liegen dürfte. Die amtliche Inflationsrate liegt bei 20 Prozent, die Teuerungsrate der Lebensmittel sogar bei 30 Prozent. Auf Druck Erdogans senkte die Notenbank die Zinsen auf 16 Prozent.

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London/ Istanbul (Godmode-Trader.de) - Die türkische Lira, die nach einer unerwartet starken Zinssenkung in der vergangenen Woche bereits unter Druck stand, hat nach neuen Provokationen von Präsident Recep Tayyip Erdogan abermals an Kraft und Zuspruch eingebüßt. Der Dollar markierte mit 9,8545 Lira zu Wochenbeginn ein neues Rekordhoch.

Erdogan hatte am Samstag erklärt, dass die Botschafter von zehn Ländern nicht mehr willkommen seien, nachdem sie die Freilassung eines prominenten Regierungskritikers gefordert hatten. Die Anleger warten nun darauf, dass das türkische Außenministerium den Schritt offiziell macht.

„Die in Rede stehende sog. Personae non gratae-Erklärung unterstreicht die zunehmend akuten wirtschaftlichen Herausforderungen, denen sich das Land gegenübersieht, sagte der Analyst Ehsan Khoman von der MUFG Bank in Dubai der Nachrichtenagentur Bloomberg. Das geringere Vertrauen der Anleger könnte zu einer überstürzten und ungeordneten Abwertung der Lira führen".

Erdogan hat mit der Anordnung Kritik geerntet. Es könne nicht im Interesse des Landes sein, die Sache zu einer noch größeren Krise zu machen, wurde der ehemalige Präsident Abdullah Gül am Montag in der oppositionsnahen Zeitung Sözcü zitiert. Gül, früher Erdogan-Getreuer, hatte sich bereits zuvor kritisch gegenüber dem Präsidenten geäußert. Der Chef der größten Oppositionspartei CHP, Kemal Kilicdaroglu, warf Erdogan vor, künstliche Probleme zu schaffen, um von der von ihm verursachten wirtschaftlichen Krise abzulenken.

Erdogan versucht seit langem, sich als Verteidiger seines Landes gegen feindliche ausländische Mächte zu gerieren, um national eingestellte Wähler anzusprechen. Seine Aufforderung, die Diplomaten von Ländern wie den USA, Deutschland und Frankreich auszuweisen, weil sie Freiheit für den Philanthropen und Geschäftsmann Osman Kavala, der seit vier Jahren inhaftiert ist, gefordert hatten, fällt mit Meinungsumfragen zusammen, die darauf hindeuten, dass seine Unterstützungsbasis nicht zuletzt wegen der horrenden Inflation schwindet.

Dabei besteht allerdings das Risiko, dass seine Rhetorik das fragile wirtschaftliche Umfeld noch verschlimmert. „Mit seiner Erklärung erhöht Erdogan nur den Druck auf die türkischen Devisen- und Fremdkapitalmärkte, die schon jetzt durch mehrere Stressfaktoren getestet werden“, sagt Dennis Shen, Direktor der Ratingagentur Scope, der F.A.Z. Die Märkte seien schon jetzt wegen des absehbaren Anziehens der amerikanischen Geldpolitik und der in der Türkei „außer Kontrolle geratenen Inflation und erheblicher geldpolitischer Fehler“ überaus angespannt. Die Ankündigung Erdogans sei auch deshalb gefährlich, weil die Ausweisung zu Gegenmaßnahmen der USA und der EU führen könnte, die die politische Isolation der Türkei und den Mangel an verlässlichen Wirtschaftspartnern in Zeiten finanzieller Not vergrößern könnten.

Die Menschen in der Türkei leiden unter einer hohen Arbeitslosenrate, die deutlich über der offiziellen Rate von 12,1 Prozent liegen dürfte, wie Gewerkschaften vermuten. Die amtliche Inflationsrate liegt bei 20 Prozent, die Teuerungsrate der Lebensmittel sogar bei 30 Prozent. Auf Druck Erdogans senkte die Notenbank die Zinsen auf 16 Prozent.

Die Lira hat in diesem Jahr bereits 24 Prozent gegenüber dem Dollar verloren und ist damit unter den Schwellenländerwährungen der schwächste Performer. Die implizite Einmonatsvolatilität der Lira stieg am Freitag auf den höchsten Stand seit Mai.

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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