Fundamentale Nachricht
14:10 Uhr, 25.11.2021

Erdogan macht die Rechnung ohne den Wirt

Der De-facto-Herrscher der Vereinigten Arabischen Emirate stattet der Türkei derzeit einen Besuch ab. Für Präsident Recep Tayyip Erdogan ist dies eine willkommene Ablenkung, währenddessen er auf die Trümmer seiner unorthodoxen Wirtschaftspolitik schaut.

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Ankara (Godmode-Trader-de) - Die türkische Lira leidet unter der längsten Verlustserie seit 20 Jahren, allein am Dienstag dieser Woche waren es bis zu 18 Prozent an Wertverfall. Die Lira-Schwäche verleitete die Zentralbank CBRT zu der Aussage, der Kursverfall sei „völlig losgelöst von den wirtschaftlichen Fundamentaldaten“.

Das ist einseitig betrachtet gar nicht so falsch. Das Problem ist nur, dass der Markt davon ausgeht, dass sich die Inflation beschleunigt, was in den Wechselkursen eingepreist wird. Es sei denn die Zentralbank steuert gegen und erhöht die Zinsen wieder. Doch dies ist nicht in Sicht. Die Lira-Schwäche reflektiert also nicht die derzeitigen ökonomischen Bedingungen, vielmehr die Sorge, dass sich die Umstände weiter verschlechtern und die Lira-Schwäche insofern fundamentale Folgen haben könnte.

Doch die Politik bleibt starrsinnig. Präsident Recep Tayyip Erdogan, der sich selbst als „Zinsfeind" bezeichnet, ist der Überzeugung, dass hohe Kreditkosten eher die Ursache für die Inflation sind als deren Bremse, und hat sich zur Rechtfertigung seiner Haltung sogar auf die islamische Lehre berufen, die Wucher verbietet. Er setzt auf niedrigere Zinsen, um das Wachstum anzukurbeln und seine schwächelnde Popularität vor den Wahlen im Jahr 2023 aufzuhübschen.

Wenn er da mal nicht die Rechnung ohne den Wirt gemacht hat. Die Lira-Abwertung macht Importprodukte teurer. Schulden in Hartwährungen sind jetzt deutlich belastender für Betriebe und Banken. Jeder Bürger des Landes spürt das. Auch die Veteranen der Zentralbank und Erdogans politische Rivalen warnen, dass die Inflation, die bereits bei 20 Prozent liegt, noch weiter ansteigen wird.

Während das kreditgetriebene Wachstum vor den Wahlen in der Vergangenheit für Erdogan gut funktioniert hat, bedeuten die kumulativen Auswirkungen dieser Politik und die durch die Pandemie verursachten Schäden, dass die potenziellen sozialen Kosten dieses Mal viel höher ausfallen dürften. Die galoppierende Lebensmittelinflation und die in die Höhe schießenden Mieten drücken derzeit auf die unteren Schichten - einschließlich Erdogans traditioneller Basis.

Meinungsforschungsinstitute sagen, dass auch die jüngsten Turbulenzen der Währungskrise unentschlossene Wähler in die Hände der Opposition treiben wird, sogar bis zu dem Punkt, an dem es für Erdogans AK-Partei kein Zurück mehr gibt.

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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