Ein Ende der Zinserhöhungen ist näher denn je
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Die Krise der kleineren US-Banken geht weiter. Noch immer werden Guthaben abgezogen, und wenn deshalb die Kreditvergabe stockt, schadet das der Wirtschaft. Aber nicht dem Anleihenmarkt: Aktien fallen, Anleihen steigen. Zuletzt hat das wieder funktioniert. Das Ende der Zinserhöhungen ist näher denn je, und nächstes Jahr wird die Geldpolitik wohl wieder gelockert. Die nachlassende Risikobereitschaft der Anleger könnte die Staatsanleiherenditen weiter drücken. In den USA sind die 3 % in Sicht, und wer eine längere Duration nicht scheut, kann es mit 30-jährigen britischen Titeln versuchen. Sie notieren deutlich unter pari. Vor einigen Monaten hatte ich es schon geschrieben: 2023 wird das Jahr der Anleihe.
Bankenkrise: Jetzt stehen vor allem Banken in den USA unter Druck. Der S&P 500 Bank Index hat seit Jahresbeginn 17 % verloren (laut Bloomberg, bis Redaktionsschluss), und das Scheitern mehrerer Institute hat Anlegern in den letzten Wochen hohe Verluste beschert. Steigende Zinsen, Fristeninkongruenz, die höhere Mobilität von Bankeinlagen und nicht zuletzt das schwindende Vertrauen haben amerikanische Regionalbanken in die Krise gestürzt. Laut Fed sind die Einlagen bei US-Banken in diesem Jahr schon um über 600 Milliarden US-Dollar gefallen. Etwa die Hälfe davon entfällt auf kleinere Institute. Guthaben wurden aufgelöst, weil Geldmarktfonds höhere Zinsen bieten. Und es geht weiter: In der Woche bis zum 3. Mai verzeichneten Geldmarktfonds laut Investment Company Institute weitere 47 Milliarden US-Dollar Zuflüsse.
Die Zinsen sind das Problem: Vielleicht scheitern noch mehr Banken. Diese Woche hat die Fed ihren Leitzins erneut angehoben, auf 5,25 %. Viel spricht dafür, dass es das jetzt war, auch wenn am Ende die Daten zählen. Von frühen Zinssenkungen scheinen Notenbankchef Powell und seine Kollegen aber nicht viel zu halten. Die Kurzfristzinsen dürften also noch länger über den Einlagenzinsen der meisten Regionalbanken liegen, was weitere Umschichtungen in Geldmarktfonds auslösen kann. Da sie meist in den Reverse Repo der Fed investieren, würde der Wirtschaft damit faktisch Liquidität entzogen, weshalb die Notenbank neue Kreditfazilitäten für Banken einführen muss. Aber das ist nicht alles: Wenn die Refinanzierung über Einlagen zum Problem wird, können die Banken auch nicht mehr so viele Kredite vergeben. Laut Fed ist die Kreditvergabe kleinerer Banken in diesem Jahr um etwa 3 % gefallen, und es könnte durchaus noch mehr werden. Das bliebe wohl nicht ohne Folgen für den Gewerbeimmobiliensektor und Baudarlehen in vielen Teilen des Landes.
Größe hilft … Wahrscheinlich werden noch mehr Aktiva und Einlagen gescheiterter Banken von größeren Instituten übernommen. Die Großbanken stehen gut da. In der laufenden Berichtssaison legen sie ordentliche Zahlen vor, und oft sind die Gewinne im Vorjahresvergleich gestiegen. Die Entwicklung von Aktiva und Passiva macht es unwahrscheinlich, dass die Großbanken ihre Kreditbedingungen straffen, und auch am Unternehmensanleihenmarkt spricht nichts für Refinanzierungsprobleme. Wahrscheinlich werden Banken mit Anleihenemissionen und Anleihenhandel auch weiter gutes Geld verdienen. Profitiert haben sie auch von den steigenden Kursen amerikanischer Staatsanleihen in den letzten Wochen. Alles in allem halten US-Großbanken Staats- und Agency-Anleihen im Wert von etwa 3 Billionen US-Dollar.
… aber bleibt der Politik nicht verborgen: Ich wäre nicht überrascht, wenn das weitere Wachstum der amerikanischen Großbanken die Politik auf den Plan riefe. Schon jetzt werden Sonderabgaben für Banken gefordert, um die Kassen der FDIC, der amerikanischen Einlagensicherung, wieder aufzufüllen. Vielleicht macht den Banken irgendwann auch das digitale Zentralbankgeld Probleme, sollte es eines Tages auch Privatkunden zur Verfügung stehen. Es wäre dann eine echte Alternative zu Bankguthaben und könnte das Einlagengeschäft dauerhaft schwächen. Das wiederum hätte Auswirkungen auf die Kreditvergabemöglichkeiten der Banken und wohl auch auf die Unternehmensfinanzierung. Vielleicht kommen dann mehr Kredit- und Hypothekenverbriefungen an den Markt, und auch mehr Private Debt. Noch stehen die Großbanken aber gut da, und sie erwirtschaften hohe Erträge für ihre Aktionäre. Aber das muss nicht so bleiben. Einstweilen scheinen sich aber allenfalls Technokraten in den Notenbanken für digitales Zentralbankgeld zu interessieren – und Politiker und Volkswirte, die etwas gegen Banken haben (auch wenn sich nicht ganz von der Hand weisen lässt, dass digitales Zentralbankgeld das Finanzsystem stabilisieren könnte).
Credits weiter interessant: Die Probleme des Bankensektors sind noch keine Kreditkrise. Auslöser waren vor allem steigende Zinsen und die Fristeninkongruenz. Man war kurzfristig verschuldet, als die Kurzfristzinsen stiegen und die Aktiva an Wert verloren. Am Unternehmensanleihenmarkt sehen wir aber keine Anzeichen für Bonitätsprobleme. In den letzten Wochen sind die Investmentgrade- und die High-Yield-Spreads wegen der Bankenturbulenzen zwar etwas gestiegen, liegen aber weiter sicher innerhalb ihrer bisherigen Spannen. Die Performance war seit Ende des 1. Quartals zwar mäßig, aber seit Jahresbeginn hat man mit Unternehmensanleihen noch immer verdient. Auch wurden viele neue Titel begeben, und die Fed dürfte den Leitzins nicht weiter anheben. Mit 150 bis 200 Basispunkten bieten die Investmentgrade-Spreads noch immer ein interessantes Einstiegsniveau.
In der EZB haben die Falken weiter die Oberhand: Auch die Europäische Zentralbank (EZB) hat diese Woche die Zinsen angehoben und den Einlagensatz um weitere 25 Basispunkte auf 3,25 % erhöht. Im Frühjahr und Sommer könnte durchaus noch mehr kommen. Dennoch finde ich europäische Anleihen interessant. Die Konjunkturdaten werden uneinheitlicher: So gingen die deutschen Auftragseingänge im März um 10,7 % zurück, die französische Industrieproduktion fiel um 1,1 %, und die Einkaufsmanagerindizes für das Verarbeitende Gewerbe waren im April schwach. Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis auch die Dienstleistungskonjunktur nachlässt und die Kerninflation stärker fällt. Trotz straffer Geldpolitik machten die Banken in Europa (mit einer großen Ausnahme) keine Probleme, und die Peripherieländer-Spreads bleiben stabil. Wahrscheinlich bleiben die Zinsstrukturkurven invers, und wie in den USA stellen Credits in Europa dieses Jahr attraktive Erträge in Aussicht.
4 % Langfristrendite in Großbritannien: Am Donnerstag dürfte dann auch die Bank of England ihren Leitzins anheben. Am Markt rechnet man mit einem Leitzinsmaximum von 4,75 % bis 5,0 % spätestens im September, also noch mit ein bis zwei Zinsschritten nach der Zinserhöhung nächste Woche. Ich könnte mir vorstellen, dass weniger Inflation und Wachstum die Bank of England schon früher zu einem Ende der Zinserhöhungen bewegen könnten. Die britischen Langfristrenditen sind jetzt niedriger als im September, aber noch immer deutlich höher als 2022. Für institutionelle Investoren und auch für sicherheitsbewusste Privatanleger kann das attraktiv sein – sofern die Bank of England ihre Zinserhöhungen bald beendet und die britische Wirtschaft im nächsten Jahr weiter nachlässt. Zurzeit notiert die 30-jährige Benchmarkanleihe bei etwa 93, mit einem Coupon von 3,75 %.
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