Kommentar
14:28 Uhr, 20.02.2018

Dumme Algorithmen und schlaue Menschen

Disruptive Entwicklungen durch technologische Neuerungen können wir nicht nur in der Finanzindustrie erleben. Auch die Musikwelt wird derzeit von digitalen Anbietern mit Algorithmen und automatisierten Playlists erobert.

Als ich kürzlich ein Interview mit einem lokalen Radio-Intendanten hörte, der ein Hohelied auf die händische Auswahl des Radioprogramms und das feine Gespür seiner Moderatoren sang, fühlte ich mich ein bisschen an das Geschrei aktiver Fondsmanager erinnert, die den Untergang der Finanzwelt und den Verlust ihrer Arbeitsplätze durch Robo-Advisors und ETFs fürchten.

Ich bin mittlerweile ein großer Fan von Spotify, AmazonMusic und Co. geworden. Diese digitalen Musikanbieter befreien mich von der Last, CDs im Wohnzimmerregal zu stapeln und lassen mich werbefreie Musik genießen. Mit intelligenten Playlists, deren Algorithmen mir immer passende Songs zu meinem aktuellen Lieblingskünstler zusammenstellen, entdecke ich regelmäßig neue Musiker oder kann entspannt am Wochenende das Radio im Hintergrund laufen lassen, ohne zwischendurch von der Rabattaktion des Baumarkts angeschrien zu werden.

Technologie verbessert unser Leben. Flugzeuge fliegen sicherer, Navigationssysteme führen uns schneller ans Ziel, eine Geschirrspülmaschine ist zeitsparender und im Operationssaal passieren dank automatisierter Prozesse in der Medizintechnik weniger lebensgefährliche Fehler. Natürlich machen auch Roboter Blödsinn, denn Softwarefehler sind am Ende nur Menschenfehler. Ein Algorithmus ist immer nur so schlau, wie der Entwickler, der ihn ins Leben gerufen hat.

Auch an den Finanzmärkten haben wir in den vergangenen Jahren viel dazu gelernt. Wir haben verstanden, dass automatische Handelssysteme Kapitalmarkttransaktionen zwar schneller und günstiger ausführen können oder dass ein automatisiertes Portfolio rationalere Entscheidungen treffen kann. Wir haben aber auch gesehen, dass unausgereifte Technologien zu sogenannten „Flashs“ an den Märkten führen können. Bei einem Flash stürzen die Kurse in Sekundenschnelle ab, weil Computerprogramme zeitgleich verkaufen. Hinterher haben wir kapiert, dass alte Regeln angepasst werden mussten, um sicherer mit der neuen Technologie arbeiten zu können. Der Flash-Crash 2015 in einigen ETFs z.B. war darauf zurückzuführen, dass die New Yorker Börse eine Volatilitätsbeschränkung im vorbörslichen Handel hatte, welche den Handel in vielen Werten ab einer bestimmten Kursbewegung unterbrach – was wiederum zu Misspricings während der Börseneröffnung führte, sobald die Kurse sich stark bewegten. Als die Kurse an jenem Tag schon in Asien und Europa eingestürzt waren und die Computerprogramme zur Börseneröffnung in New York mit falschen Kursen anfingen zu arbeiten, war das Chaos vorprogrammiert. Wer hatte nun am Ende Schuld?

Meine Spotify-Musikliste ist eben auch nur so clever, wie ich sie mir zusammenstelle. Gebe ich zu wenige Informationen ein, dann dudelt die Box spätestens nach ein bis zwei Stunden die gleichen Songs wieder von vorne. In einem manuell zusammengestellten Radioprogramm passiert das nicht, dafür muss ich mir im Gegenzug in der Werbeunterbrechung erklären lassen, dass heute beim Discounter „Super-Samstag“ und die Butter 10 Cent billiger ist.

Ein bisschen so ist es auch in der Finanzindustrie. Robo-Advisors und ETFs sind coole Produkte. Mit einem Robo-Advisor können Privatanleger teilweise schon mit kleinen Beträgen anfangen, eine professionelle Vermögensverwaltung zu nutzen. Ohne Technologie war das nicht möglich. Das heißt nicht, dass das eine das andere ersetzt. Robo-Advisors erzählen keine Investment-Story, sie halten nicht Händchen, wenn die Kurse fallen und sie geben keine Interviews in der FAZ.

Auch hier ist Technologie schlichtweg nur eine neue Alternative, ein neuer Kanal, der für manche Anleger passt und für andere nicht. Entscheiden muss das am Ende jeder für sich: individuell, persönlich, als Mensch.

Viele Grüße
Jakob Penndorf

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  • Lumpazi
    Lumpazi

    Es gibt keine Finanzindustrie. Geldwirtschaft ist eine Dienstleistung. Sie vermittelt, schafft aber keine Werte. Finanzindustrie ist ein ideologisierter Begriff, von dummen Deutschen platt aus dem Amerikanischen übernommen. Die Geldschöpfer und Gelddrucker sähen sich sicher gern als Wertschöpfer.

    23:01 Uhr, 20.02.2018

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Über den Experten

Jakob Penndorf
Jakob Penndorf

Jakob Penndorf teilt seit 2015 seine Expertise als Finanz- und Tradingexperte auf GodmodeTrader und Guidants, den Finanzportalen der BörseGo AG. Er startete seine Karriere als Börsenhändler und Analyst bei einer Wertpapierhandelsbank, war Berater und Fondsmanager für Asset Manager in Frankfurt am Main und Gründer eines Finanztechnologie-Unternehmens in Berlin. Jakob Penndorf hat zahlreiche Lehrgänge absolviert, u.a. ist er akkreditierter Berater der namhaften Investmentgesellschaft Dimensional Funds Advisors (DFA) aus den USA, deren Vorstand und Verwaltungsrat führende Finanzforscher wie Kenneth French, Roger Ibbotson oder Eugene Fama angehören. Jakob Penndorf veröffentlichte zahlreiche Fachartikel über Börsenstrategien, Anlegerverhalten und technische Handelssysteme. Er trainiert Unternehmer, Börsenhändler und Investoren im Umgang mit Risiken an den Finanzmärkten.

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